Die Einigung der Koalition vom 20. Juni 2016 läutet das vorläufige Ende eines Reformprozesses ein, der mehr als 18 Monate dauerte. Die als „minimal-invasiver“ Eingriff angekündigte Reform lässt Vieles bei der Begünstigung von Betriebsvermögen weitgehend beim Alten, geht jedoch in einigen Änderungen über die Maßgaben des BVerfG hinaus.
Nahezu unverändert: Verschonungsmodelle
Nach wie vor stehen dem Steuerpflichtigen bei der Übertragung von Betriebsvermögen zwei Verschonungsmodelle zur Verfügung. Zum einen die Regelverschonung, bei der 85 % des Werts des Betriebsvermögens außer Ansatz bleiben und der Erwerber zur Vermeidung einer Nachversteuerung das erworbene Betriebsvermögen fünf Jahre weiterführen (Behaltensfrist) und mindestens 80 % der Lohnsumme (Arbeitsplätze) des Betriebs erhalten muss (Lohnsummenregelung). Zum anderen kann der Steuerpflichtige die Verschonungsoption wählen, bei der 100 % des Werts des Betriebsvermögens freigestellt werden. Allerdings beträgt die Behaltensfrist in diesem Fall sieben Jahre und die Quote der zu erhaltenen Lohnsumme 100 %.
Anders als bisher ist die Wahl der einen oder der anderen Option nicht davon abhängig, dass das Betriebsvermögen nur zu einer gewissen Quote aus nicht begünstigtem Vermögen (Verwaltungsvermögen) besteht. Der Steuerpflichtige kann zukünftig vielmehr frei zwischen beiden Modellen wählen.
Zudem ergibt sich für Kleinbetriebe eine Verschärfung. Während die Lohnsummenklausel bisher bei Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeiter von vornherein nicht anwendbar war, muss zukünftig bereits beim Erwerb eines Betriebs mit sechs Mitarbeitern auf die Lohnsumme geachtet werden. Allerdings muss der Erwerber bei Inanspruchnahme der Regelverschonung und nicht mehr als zehn Beschäftigten nur 50 % der Lohnsumme und bei fünfzehn Beschäftigten nur 60 % der Lohnsumme erhalten. Bei Inanspruchnahme der Optionsverschonung erhöht sich die Quote auf rd. 71 % bzw. 81 %.
Wie bisher: Begünstigungsfähiges Vermögen
Ebenfalls unverändert bleibt die Bestimmung des begünstigungsfähigen Vermögens. Dieses wird weiterhin anhand sehr formaler Kriterien bestimmt werden. Dabei bleiben sämtliche steuerlichen Betriebsvermögen (demnach auch weiterhin die gewerblich geprägte GmbH & Co. KG) sowie qualifizierte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Beteiligung von mehr als 25 % – allein oder mit anderen im Rahmen einer Poolvereinbarung) weiterhin begünstigungsfähig. Klarstellend enthält die heute veröffentlichte Einigung den Hinweis, dass entgegen den ersten Gesetzesentwürfen Drittlandsbeteiligungen nicht von vorn herein als begünstigungsfähig ausscheiden.
Neu: Verwaltungsvermögen steuerpflichtig
Ob eine erbschaftsteuerliche Verschonung in Betracht kommt, wird ebenfalls nach wie vor auf der zweiten Stufe ermittelt. Aus dem steuerlichen Betriebsvermögen muss das sog. Verwaltungsvermögen ausgesondert werden. Doch anders als bisher besteht zukünftig eine grundsätzliche Steuerpflicht für Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens. Diese unterliegen vollumfänglich der regulären Besteuerung, soweit der Wert des Verwaltungsvermögens 10 % des gesamten Unternehmensvermögens (sog. „Schmutzklausel“) überschreitet. Beträgt das Verwaltungsvermögen im Extremfall sogar 90 % des Werts des gesamten Unternehmens, ist auch für die verbleibenden 10 % des begünstigten Vermögens jede Begünstigung aus Gründen der Missbrauchsvermeidung ausgeschlossen.
Junge/s Verwaltungsvermögen / Finanzmittel stets steuerpflichtig
Vollständig von jeder Begünstigung ausgenommen, ist wie bisher das „junge Verwaltungsvermögen“, das in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der maßgeblichen Übertragung in das Betriebsvermögen eingelegt wurde. Zukünftig sollen auch sog. „junge Finanzmittel“ von vornherein nicht begünstigt sein. Darunter ist der Saldo aus Einlagen und Entnahmen von Barvermögen und sonstige Forderungen zu verstehen, die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor der maßgeblichen Übertragung dem Betrieb zugeführt werden. Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass Steuerpflichtige die zulässigen Quoten für Finanzmittel ausreizt und optimiert.
Neu: Konsolidierte Ermittlung des Verwaltungsvermögens
Mit der grundsätzlichen Steuerpflicht für Verwaltungsvermögen setzt der Gesetzgeber eine der wesentlichen Forderungen des BVerfG. Diese Neuerung hat zudem eine entscheidende Änderung der Ermittlung des Verwaltungsvermögens zur Folge. Bisher wurde das Verwaltungsvermögen für jede Gesellschaft separat ermittelt. In vielen Fällen konnte dies von vornherein unterbleiben, da das Verwaltungsvermögen nur dann relevant wurde, wenn sein Wert 50 % des Werts der jeweiligen Gesellschaft übertraf. Bei operativen Gesellschaften war dies nahezu ausgeschlossen. Zukünftig wird hingegen das Verwaltungsvermögen auf Konzernebene zusammengefasst und zusammengezählt. Damit ist eine Nutzung von mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen (Kaskadenstrukturen) – wie vom BVerfG gefordert – zukünftig nicht mehr möglich. Die Auswirkungen können erheblich sein. Während früher beispielsweise Minderheitsbeteiligungen von weniger als 25 % und einzelne fremdvermietete Immobilien über die verschiedenen Gesellschaftsstufen stets vollumfänglich begünstigt waren und die Verwaltungsvermögensquote der zu übertragenden Gesellschaft in der Regel nicht belasteten, wird zukünftig jeder Vermögensgegenstand des Verwaltungsvermögens von Bedeutung sein. Dies erhöht den Bewertungsaufwand (Einzelbewertung jedes Vermögensgegenstandes des Verwaltungsvermögens) und die Streitanfälligkeit des Gesetzes.
Nur geringfügige Änderung: Katalog des Verwaltungsvermögens
Die Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens werden anhand eines nahezu unveränderten Katalogs ermittelt. Hierzu zählen im Wesentlichen fremdvermietete Immobilien, Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von weniger als 25 % sowie Kunst und Edelmetalle. Barbestände und andere Forderungen gehören nur zum Verwaltungsvermögen, soweit ihr Wert abzüglich sämtlicher Rückstellungen und Verbindlichkeiten 15 % (bisher 20 %) des gesamten Unternehmenswerts überschreitet (sog. Finanzmitteltest). Während beim Finanzmitteltest Schulden des Betriebs unbegrenzt vom Bestand an Barvermögen und sonstigen Forderungen abgezogen werden, gilt dies für Verwaltungsvermögen nur quotal im Verhältnis des Werts des Verwaltungsvermögens zum gesamten Unternehmenswert.
Neu hinzugetreten sind Rückausnahmen von der Qualifikation als Verwaltungsvermögen für Immobilien, die zwar fremdvermietet sind, die aber zum Zwecke des Absatzes eigener Produkten überlassen werden (z. B. bei Brauereigaststätten und Tankstellen). Ferner wird klargestellt, dass das Deckungsvermögen für die betriebliche Altersversorgung nicht zum Verwaltungsvermögen zählt. Eine weitere Rückausnahme bilden fremdvermietete Immobilien, die im Rahmen eines sog. Wohnungsunternehmens gehalten werden. Hierrunter fallen in der Regel im steuerlichen Betriebsvermögen gehaltene Immobilien, wenn die Anzahl der Wohnungen 300 überschreitet.
Weitergehende Erleichterung im Erbfall: Investition / zinslose Stundung
Überschreitet der Wert des Verwaltungsvermögens 10 % des Unternehmenswerts, so besteht zumindest in Erbfällen zukünftig die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres nach Erbfall das Verwaltungsvermögen zu veräußern und in begünstigtes Betriebsvermögen zu investieren, um eine Besteuerung des Verwaltungsvermögens zu vermeiden. Zudem hat der Erbe die Möglichkeit, die auf das begünstigte Vermögen anfallende Steuer vorbehaltlos und zinslos für die Dauer von zehn Jahren nach dem Erbfall stunden zu lassen. Auch hierin dürfte eine erhebliche Begünstigung liegen, die sich mit steigender Inflation noch stärker auswirken wird.
Verschärfung für Großvermögen: Abschmelzmodell …
Anders als bisher kann die Verschonung jedoch nicht mehr unabhängig vom Wert des erworbenen Betriebsvermögens in Anspruch genommen werden. Damit kommt das Einigungspapier den Forderungen des BVerfG nach, den Umfang der Verschonung bei Großvermögen zu begrenzen. Nach dem sog. Abschmelzmodell reduziert sich der Umfang der Verschonung um jeweils 1 % je EUR 750.000 Unternehmenswert, soweit der Wert des Betriebsvermögens insgesamt EUR 26 Mio. übersteigt. Dies hat zur Folge, dass eine Verschonung bei Erwerben vonrd. EUR 90 Mio. nicht mehr in Betracht kommt. Letztlich lädt die Regelung zur Aufteilung von Erwerben ein, um die Grenze von EUR 26 Mio. pro Erwerb zu unterschreiten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Wert von Erwerben innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet wird. Bemerkenswert ist auch, dass ein Antrag auf Anwendung des Abschmelzmodells die nachfolgend dargestellte Anwendung der Verschonungsbedarfsprüfung ausschließt.
… oder Verschonungsbedarfsprüfung
Das BVerfG hatte jedoch keine generelle Abschaffung der Verschonung von Großvermögen gefordert. Vielmehr vertrat es die Auffassung, dass eine Verschonung von Großvermögen nur dann gerechtfertigt sei, wenn anhand einer gesonderten Prüfung der Leistungsfähigkeit ermittelt werde, dass die anfallende Steuer nur aus dem oder durch Veräußerung des begünstigten Betriebsvermögens beglichen werden könnte. Diesen richterlichen Forderungen trägt das Gesetz durch Einführung der sog. Verschonungsbedarfsprüfung Rechnung. Dabei stellt das Einigungspapier auf die Person des Erwerbers ab und ermittelt dessen Vermögen. Von seinem Vermögen muss der Erwerber bis zu 50 % für die Begleichung der auf das erworbene Betriebsvermögen anfallenden Steuer aufwenden. Nur soweit diese 50 % nicht ausreichen, kommt auf Antrag ein Erlass der Erbschaftsteuer in Betracht.
Nicht einsetzen muss der Erwerber das bereits bei ihm vorhandene begünstigte Betriebsvermögen. Demgegenüber muss der Erwerber auch 50 % von jeglichen Schenkungen und Erbschaften einsetzen, die er in einem Zeitraum von zehn Jahren nach der Inanspruchnahme des Steuererlasses nach der Verschonungsbedarfsprüfung erhält. Die Quote von 50 % scheint deutlich zu hoch und rein politisch motiviert zu sein. Muss der Erwerber beispielweise steuerlich verhaftete Vermögensgegenstände veräußern, um die geforderte Steuer zu entrichten, erhöht sich die Quote schnell auf 80 % und mehr. In Ausnahmefällen kann die Quote 100 % übersteigen, so dass der Erwerber z. B. bei nachträglichen Schenkungen finanziell schlechter steht als vor Empfang der Schenkung.
Sonderverschonung für Familienunternehmen
Bemerkenswert ist schließlich die Schaffung eines Vorababschlags für Familienunternehmen, deren Gesellschaftsverträge typische Klauseln für diese aufweisen. Darunter versteht das Einigungspapier zunächst eine Verfügungsbeschränkung, wonach eine zustimmungsfreie Übertragung nur an Mitgesellschafter oder an Abkömmlinge möglich ist. Darüber hinaus muss der Gesellschaftsvertrag eine Ausschüttungsbzw. Entnahmebegrenzung vorsehen, wonach ein Teil der Gewinne thesauriert wird. Schließlich wird eine Beschränkung der Abfindung für ausscheidende Gesellschafter gefordert. Der Umfang der letzteren Beschränkung ist auch entscheidend für den Umfang des Vorababschlags. Wird als Abfindung ein Wert von höchstens 70 % des Verkehrswerts zu Grunde gelegt, wird der volle Abschlag von 30 % gewährt. Wird ein höherer Anteil des Verkehrswerts als Abfindung gewährt, vermindert sich der Abschlag entsprechend. Die neue Sonderverschonung ist für Familienunternehmen eine große Erleichterung. Sie ist allerdings nur anwendbar, wenn die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zwei Jahre vor der maßgeblichen Übertragung bereits aufgenommen waren und 20 Jahre danach nicht aufgehoben werden. Daher ist Familienunternehmen dringend zu empfehlen, die eigenen Gesellschaftsverträge zu prüfen und entsprechende Klauseln – soweit noch nicht enthalten – zeitnah aufzunehmen.
Inkrafttreten
Der Bundesrat hat am 8. Juli 2016 den Vermittlungsausschuss angerufen. Ein Zeitplan für die Sitzungen war zum Redaktionsschluss dieses Magazins noch nicht bekannt.