Die neuesten Entwicklungen bestätigen ein grundlegendes Umdenken der Finanzaufsicht in der Behandlung von Darlehensfonds in Deutschland. Darlehensfonds sind Fonds, die über Fremdkapitalinstrumente in Unternehmen, Projektgesellschaften und Immobiliengesellschaften investieren; sie stellen ihren Zielinvestments Darlehen zur Verfügung.
Bisher war es Investmentfonds in Deutschland nur in sehr begrenztem Umfang möglich, in Darlehen zu investieren. Die gewerbliche Ausgabe von Darlehen ist als Bankgeschäft erlaubnispflichtig und als solches Banken vorbehalten. Dies betrifft auch die Darlehensausgabe durch ausländische Investmentfonds, die aktiv an deutsche Unternehmen herantreten.
Abgesehen von eng begrenzten Ausnahmen, in denen das Investmentrecht die Darlehensausgabe für zulässig erachtet, waren Darlehensfonds bisher darauf angewiesen, Darlehen zu erwerben. Der Erwerb von Darlehen war auch bislang, im Gegensatz zur Ausgabe, investmentrechtlich und bankrechtlich zulässig. Gestaltet wurde der Erwerb über sogenannte Fronting-Banken. Die Fronting-Bank gab Darlehen aus und reichte sie anschließend in unverbriefter oder verbriefter Form an einen Darlehensfonds weiter.
Jedoch wurde jede Veränderung des Darlehensvertrages ebenso wie die Auszahlung des Darlehensbetrages als Bankgeschäft angesehen, das durch die Fronting-Bank erfolgen musste. Gerade in Bereichen, die mit der Restrukturierung von Darlehen verbunden sind oder in denen die Auszahlung des Darlehens in Tranchen erfolgt, ist diese Lösung daher praktisch nur schwer zu handhaben.
Darlehensausgabe unter der europäischen Banken- und Investmentregulierung
Unsere europäischen Nachbarn schränken die Tätigkeit von Darlehensfonds weit weniger ein. Die europäische Bankenregulierung fordert die Behandlung der Darlehensausgabe als Bankgeschäft nur dann, wenn sie zusammen mit dem Einlagengeschäft betrieben wird. Während die meisten EU-Mitgliedsstaaten sich hiermit begnügen, behandeln nur einige wenige (Deutschland, Frankreich und Österreich) bereits das isolierte Kreditgeschäft als Bankgeschäft. Daher können Darlehensfonds in anderen EU-Mitgliedsstaaten unproblematisch Darlehen ausgeben, ohne mit der Bankenaufsicht in Konflikt zu geraten (vorausgesetzt, sie betreiben nicht gleichzeitig das Einlagengeschäft).
Die AIFM-Richtlinie, die erstmals eine einheitliche Regulierung des europäischen Investmentrechtes vornimmt, beschränkt sich grundsätzlich auf die Regulierung der Fondsmanager und macht gerade keine Vorgaben für die Fonds. Eine solche Produktregulierung findet sich nur in den im Zusammenhang mit der AIFMRichtlinie erlassenen oder geplanten Verordnungen (EuVECA, EuSEF, LTIF). Hier sieht der europäische Gesetzgeber (in gewissen Grenzen) die Darlehensausgabe aber als zulässige Investitionstätigkeit.
Darlehensausgabe als kollektive Vermögensverwaltung – die neue Verwaltungspraxis der BaFin
Der Wendepunkt für Deutschland kam mit der Veröffentlichung des BaFin-Merkblattes vom 12. Mai 2015. In Vorwegnahme einer wohl geplanten Änderung des KAGB betrachtet die BaFin von nun an die Darlehensausgabe durch alternative Investmentfonds, für die das KAGB selbst keine besondere Produktregulierung vorsieht, grundsätzlich als kollektive Vermögensverwaltung. Hierdurch wird die Darlehensausgabe durch Investmentfonds der Bankaufsicht entzogen. Das KAGB soll die kollektive Vermögensverwaltung als Spezialgesetz gerade abschließend regeln, ohne sie einer zusätzlichen Regulierung durch das KWG auszusetzen. Dieser Grundsatz ist bereits heute durch eine Bereichsausnahme im KWG verankert.
Die veränderte aufsichtsrechtliche Haltung zu Darlehensfonds spiegelt sich auch in der neueren Entwicklung der Regulierung der Versicherungsunternehmen und Pensionskassen. Versicherungsunternehmen und Pensionskassen können seit der Änderung der Anlageverordnung, in Kraft seit März dieses Jahres, auch in (AIFMD-konforme) EU-Fonds investieren, die zu 100 % in Darlehen investiert sind. Vorher war der Erwerb von Darlehensfonds nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich.
Empfehlungen der BaFin
Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene bestehen aber zugleich Bedenken gegen die uneingeschränkte Darlehensausgabe durch Investmentfonds. Diesen unter dem Stichwort „Schattenbankregulierung“ diskutierten Bedenken soll wohl auch die geplante Änderung des KAGB Rechnung tragen. Vorausschauend empfiehlt die BaFin daher bereits jetzt die Beachtung gewisser Voraussetzungen.
Zum Beispiel sollten zur Vermeidung einer Fristeninkongruenz grundsätzlich nur geschlossene Fonds Darlehen ausgeben. Die Vergabe von Konsumentenkrediten soll weiterhin unzulässig bleiben, und gegen die Verwendung von Hebelfinanzierung meldet die BaFin Bedenken an. Die Vermeidung von Interessenkonflikten soll ebenso gewährleistet werden wie eine ausreichende Risikodiversifizierung. Manager von Darlehensfonds sollten besondere Organisations- und Verhaltenspflichten erfüllen, insbesondere die Einhaltung bestimmter für die Kreditvergabe durch Banken vorgeschriebener Anforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Diese Pflichten sollten ebenfalls für nur registrierte sogenannte „kleine“ Fondsmanager gelten, die eigentlich von den Verhaltens- und Organisationspflichten des KAGB im Wesentlichen ausgenommen sind.
Behandlung von EU- und Drittstaatenfonds
Eine weitere überaus relevante Frage ist die Zulässigkeit der Darlehensausgabe durch ausländische Fonds an deutsche Unternehmen. Das Merkblatt der BaFin schweigt zu diesem Problem. Für EU-Fonds/EU-Manager ergibt sich die Rechtslage aus § 2 (1) Nr. 3 c KWG: Bereits heute werden EU-Manager bei der kollektiven Vermögensverwaltung ihrer Fonds von der Bankenregulierung ausgenommen. Durch die Anerkennung der Darlehensausgabe als kollektive Vermögensverwaltung greift die Bereichsausnahme nun auch für die Darlehensausgabe durch EU-Fonds/EU-Manager. Ungeklärt bleibt allerdings die Rechtslage für Drittstaatenfondsmanager/-fonds. Diese müssen sich wohl weiterhin auf das Modell der Fronting-Bank verlassen.
Fazit
Die geänderte Verwaltungspraxis der BaFin ist eine äußerst erfreuliche Entwicklung. Sie leistet einen großen Beitrag zur Vereinheitlichung des europäischen Marktes. Ein einheitliches Verständnis zulässiger Investitionstätigkeiten ist gerade nach Umsetzung der AIFM-Richtlinie auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten wünschenswert. Die Möglichkeit, Investmentfonds mit dem EU-Pass europaweit zu vertreiben, macht eine einheitliche Handhabung erforderlich, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.
Außerdem kann so eine steigende Nachfrage des Marktes bedient werden. Nachdem die Banken als klassische Kreditgeber sich in den letzten Jahren deutlich zögerlicher zeigten, bieten sich hier gute Geschäftschancen für Darlehensfonds. Ebenso erfreulich ist, dass die neue Verwaltungspraxis und die Änderung der Anlageverordnung einander ergänzen. Sowohl für Investoren als auch für Fondsmanager und ihre Produkte ist ein stimmiges Gesamtkonzept der vielen relevanten Regelwerke von großer Bedeutung.