Die Gründerszene in Deutschland ist geprägt von engagierten und kreativen Köpfen, die innovative Unternehmensmodelle entwickeln und so am Aufbau ganz neuer Geschäftsfelder mitwirken. Diese Gründer machen sich oftmals keine Gedanken darüber, ob sie bei ihrer Heirat einen Ehevertrag abschließen sollten oder nicht. Denn sie sind häufig der Meinung, dass das unnötig und dazu auch noch höchst unromantisch sei. Wenn es dann nach einen einigen Jahren wider Erwarten zur Scheidung kommt, kann die Unternehmensbeteiligung zum Gegenstand des Zugewinnausgleichs werden. Dies bringt diverse Probleme tatsächlicher und rechtlicher Art mit sich.
Unternehmensbeteiligung und Zugewinnausgleich
Sind Gründer in der Anfangsphase auf Kapital angewiesen, wenden sie sich meist an Wagniskapitalgeber. Diese stellen das benötigte Geld zur Verfügung, verlangen im Gegenzug aber eine Neuordnung der gesellschaftsvertraglichen Strukturen. Hierzu gehören vorrangig gesellschaftsrechtliche Regelungen wie Verfügungsbeschränkungen, Abfindungsbeschränkungen, Liquidationspräferenzen u.ä. Daneben wird der VC-Deal häufig davon abhängig gemacht, dass die Gründer die Unternehmensbeteiligung durch Ehevertrag aus dem Zugewinnausgleich herausnehmen. Denn so bleibt die Unternehmensbeteiligung der Gründer im Scheidungsfall unangetastet.
Scheidung ohne Ehevertrag
War der Abschluss eines Ehevertrages keine Voraussetzung des VC-Deals, richtet sich der Zugewinnausgleich im Scheidungsfall nach dem Gesetz. Dabei wird ermittelt, welchen Zugewinn die beiden Ehegatten während der Ehezeit erwirtschaftet haben. Die Hälfte der Differenz entspricht dem Zugewinnausgleichsanspruch, der im Rahmen der Scheidung zu begleichen ist. Sofern der höhere Zugewinn auf der Seite des Gründers entstanden ist, ist der Gründer ausgleichspflichtig.
Diese Ausgleichspflicht des Gründers besteht grundsätzlich in bar. Selbst bei Zustimmung des anderen Ehegatten ist es nicht ohne Weiteres möglich, anstatt eines Geldbetrages Gesellschaftsanteile zu übertragen. Ungeachtet der gesellschaftsvertraglichen Verfügungsbeschränkungen führt nämlich die Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen im Rahmen des Zugewinnausgleichs zur steuerlichen Aufdeckung der stillen Reserven. Der Gründer wird also steuerlich so gestellt, als ob er die Anteile an seinen Ehegatten verkauft hat.
Da sich das Vermögen des Gründers jedoch oftmals in seiner Gesellschaftsbeteiligung erschöpfen wird, kann er gezwungen sein, seine Unternehmensbeteiligung zu versilbern, um den Zugewinnausgleichsanspruch seines Ehegatten zu erfüllen. Dies führt unter Umständen zu einer erheblichen Vermögensvernichtung. Denn die Möglichkeiten des Gründers, zu wirtschaftlich guten Konditionen aus dem Unternehmen auszuscheiden, werden im Regelfall sehr beschränkt sein: Ob der Gründer seine Beteiligung verkaufen kann, hängt maßgeblich von den gesellschaftsvertraglichen Regelungen ab. Seine Beteiligung wird üblicherweise gesellschaftsvertraglich vinkuliert sein. Ein freier Verkauf dürfte im Regelfall also nicht in Betracht kommen. Der Gründer wird allenfalls an Mitgesellschafter oder Investoren verkaufen können, die in Kenntnis von der prekären Lage des Gründers jedoch womöglich harte Preisverhandlungen führen werden.
Auch die Möglichkeit, durch Kündigung aus der Gesellschaft auszuscheiden, dürfte kaum attraktiv sein. So enthält der Gesellschaftsvertrag üblicherweise Kündigungsbeschränkungen, wonach eine Kündigung nur zu bestimmten Zeitpunkten möglich ist. Auch bei der Abfindung sehen die Gesellschaftsverträge regelmäßig Beschränkungen der Höhe nach sowie eine Zahlung in mehreren Jahresraten vor. Eine vollständige sofortige Liquidität wird der Gründer daher in vielen Fällen nicht erhalten.
Dazu kommt noch, dass ein Marktwert für die Unternehmensbeteiligung nur schwer festzustellen sein wird und somit auch die Angemessenheit von Kaufpreis bzw. Abfindungsbetrag nur schwer zu ermitteln sein wird. So ist die Bewertung von Unternehmen im VC-Bereich extrem volatil und aufwendig. Der Gründer wird also bei einem ungeplanten Ausscheiden häufig das Gefühl haben, für seine Beteiligung nicht den angemessenen Preis erhalten zu haben. Dieses Gefühl wird womöglich noch verstärkt durch die einkommensteuerliche Belastung, mit der sich der Gründer im Rahmen des Verkaufs bzw. der Abfindung seiner Beteiligung (oftmals unvorhergesehen) konfrontiert sieht.
Es sprechen also zahlreiche Gründe dafür, einen Ehevertrag nicht nur auf Drängen der VC-Investoren abzuschließen, sondern schlichtweg als Präventionsmaßnahme.
Gestaltungsmöglichkeiten für den Ehevertrag
Unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Ehevertrag abgeschlossen wird, wird zentraler Regelungsgegenstand des Ehevertrages die Unternehmensbeteiligung des Gründers sein. So sollten Regelungen getroffen werden, wonach diese Unternehmensbeteiligung den Gründer im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht zum Verscherbeln seiner Beteiligung zwingt.
Als denkbare Gestaltungsansätze kommen, je nach Verhandlungssituation des Gründers, etwa folgende Regelungen zum Zugewinnausgleich in Betracht:
- Herausnahme der Unternehmensbeteiligung: Die Unternehmensbeteiligung kann gänzlich aus der Berechnung des Zugewinnausgleichs herausgenommen werden.
- Begrenzung des Zugewinnausgleichs: Der Zugewinnausgleich kann der Höhe nach begrenzt werden, entweder durch einen Fixbetrag oder einen Cap.
- Vereinbarungen über die Bewertung: Die Unsicherheiten bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung können durch individuelle Regelungen (etwa Bewertungsverfahren, Höchstbewertung, Bestimmung eines Gutachters o.ä.) ausgeräumt werden.
- Regelung über Zahlungsmodalitäten: Um die Liquidität des Gründers zu schonen, können Regelungen zu Stundung oder Ratenzahlung vereinbart werden.
- Erfüllung in Sachwerten: Vereinbart werden kann womöglich eine Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs in Sachwerten. Handelt es sich bei dem betreffenden Sachwert um die Unternehmensbeteiligung, wird allerdings im Regelfall die Zustimmung der Mitgesellschafter bzw. Investoren erforderlich sein. Zu beachten ist zudem, dass die Erfüllung in Sachwerten zur steuerlichen Aufdeckung der stillen Reserven führt.
Bedeutung für den anderen Ehegatten
Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als ob der andere Ehegatte keinerlei Interesse daran haben kann, an der Modifizierung der Zugewinngemeinschaft mitzuwirken, stimmt diese Einschätzung nur zum Teil. Denn im Rahmen eines Notverkaufs der Unternehmensbeteiligung oder beim Ausscheiden des Gründers gegen Abfindung wird der Kaufpreis bzw. Abfindungswert ganz regelmäßig unterhalb dessen liegen, was unter normalen Umständen zu erzielen wäre. Der Zwang zum Eingehen eines wirtschaftlich schlechten Deals schlägt jedoch im Rahmen der Bewertung auf den Zugewinnausgleich des anderen Ehegatten durch. Insofern sollten durchaus beide Ehegatten daran interessiert sein, eine wirtschaftlich und steuerlich möglichst sinnvolle Gesamtlösung zu erzielen. Von dieser profitiert am Ende sowohl der Gründer als auch der andere Ehegatte.
Als weitere Kompensation für die Mitwirkung des anderen Ehegatten an der Modifizierung des Zugewinnausgleichs werden in der Praxis häufig höhere und längere Unterhaltszahlungen vereinbart als gesetzlich geschuldet. Die Zusage einer dauerhaften Versorgung kann für den betreffenden Ehegatten unter Umständen sogar attraktiver sein als eine Einmalzahlung in bar.
Insofern kann im Rahmen des Ehevertrages durchaus eine für beide Ehegatten verträgliche und wirtschaftlich sowie steuerlich sinnvolle Lösung getroffen werden.
Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung
Wie vorstehend gezeigt wurde, sollte sich jeder (zukünftige) Gründer idealerweise bereits vor Eingehung der Ehe mit der Erforderlichkeit eines Ehevertrages auseinandersetzen. Hat er dies nicht getan und kommt es später wider Erwarten zur Scheidung, ist die Frage nach einer Modifizierung des Zugewinnausgleichs spätestens im Rahmen der Scheidung zu klären. Hierzu kann auch im Stadium der gescheiterten Beziehung noch ein Ehevertrag geschlossen werden, der dann gezielt die wirtschaftliche Abwicklung der gescheiterten Ehe regelt. Ein solcher Ehevertrag wird üblicherweise als „Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung“ bezeichnet.
Kernaussagen
- Hat ein Gründer ohne Ehevertrag geheiratet und kommt es später zur Scheidung, kann er im Rahmen des Zugewinnausgleichs zum Notverkauf seiner Unternehmensbeteiligung bzw. zum Ausscheiden gegen Abfindung gezwungen sein. Eine wirtschaftlich und steuerlich sinnvolle Lösung lässt sich in einer solchen Drucksituation oftmals nicht erreichen.
- Durch Ehevertrag sollte die Unternehmensbeteiligung des Gründers bereits zu Beginn der Ehe bzw. im Rahmen eines VC-Deals (oftmals eine Forderung der Investoren) aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen werden. Notfalls kann im Rahmen einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung versucht werden, eine einvernehmliche Lösung der Ehegatten zu etablieren.
- Auch für den anderen Ehegatten kann der Abschluss eines Ehevertrages sinnvoll sein, da der Umfang seiner Versorgung durch Zugewinnausgleich und Unterhalt mittelbar vom Bestand der Unternehmensbeteiligung abhängt. Es liegt also auch in seinem Interesse, eine wirtschaftlich und steuerlich sinnvolle Lösung in Bezug auf die Unternehmensbeteiligung zu finden.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien, 2020
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