Darum geht es
Im Streitfall hatte die Klägerin eine GmbH gegründet, deren Stammkapital in 25.000 Anteile im Nennbetrag von je 1 € eingeteilt war. Wenig später beschloss die Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung um 1.000 € und schuf einen neuen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1.000 €. Diesen übernahm die Klägerin, die hierfür neben dem Nennbetrag ein Aufgeld von 500.000 € in die freie Kapitalrücklage der GmbH zahlte.
Kurz darauf veräußerte die Klägerin 300 der ursprünglichen Geschäftsanteile sowie den neuen Geschäftsanteil zum Kaufpreis von 26.300 €. Sie ermittelte hierfür einen Veräußerungsverlust von 475.000 € (Kaufpreis abzüglich Anschaffungskosten i.H.v. 501.300 € bestehend aus den Nennwerten und dem Aufgeld), den sie in Anwendung des Teileinkünfteverfahrens in ihrer Steuererklärung ansetzte.
Das Finanzamt folgte dem nicht. Es ließ den Vorfall hinsichtlich des neuen Geschäftsanteils unter Berufung auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht völlig unberücksichtigt. Hinsichtlich der übrigen Anteile ermittelte es einen Gewinn von 5.770 €.
Gewinnerzielungsabsicht bei § 17 EStG grundsätzlich gegeben
Der BFH bestätigt in seinem Urteil vom 03.05.2023 (IX R 12/22) seine Rechtsprechung, wonach auch bei Einkünften nach § 17 EStG das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht Voraussetzung für steuerbare (positive wie negative) Einkünfte ist. Hierfür ist in einem ersten Schritt eine Totalgewinnprognose anzustellen. Nur wenn diese negativ ausfällt, ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob die Tätigkeit auf ertragsteuerlich unbeachtlichen Motiven beruht. Hierbei geht der BFH bei den Einkünften aus § 17 EStG im Regelfall von der Gewinnerzielungsabsicht aus, selbst wenn die Beteiligung nur kurze Zeit gehalten wurde.
Der BFH hat in seinem Urteil die Anforderungen an die Totalgewinnprognose in zweierlei Hinsicht konkretisiert.
Zum einen seien Bezugspunkt hierfür die Einkünfte aus der Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen gehaltenen Beteiligung an der relevanten Kapitalgesellschaft, sodass weder (mit der Vorinstanz) auf die Gesamtheit der veräußerten Anteile noch (mit der Finanzverwaltung) auf den einzelnen Anteil abzustellen ist. Insofern wendet sich der BFH hier – anders als bei der Ermittlung der Anschaffungskosten – trotz der rechtlichen Selbstständigkeit jedes Geschäftsanteils explizit gegen eine anteilsbezogene Betrachtung.
Dies wird überzeugend damit begründet, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Einheit betrachte und das Überschreiten der Beteiligungsschwelle in § 17 EStG zu einer Verstrickung der gesamten Beteiligung führe. Hinsichtlich der Totalgewinnprognose führt der BFH aus, dass es nicht darauf ankomme, ob in einem einzelnen Besteuerungszeitraum ein Gewinn erzielt wird. Stattdessen müsse die Absicht bestehen, über die gesamte Haltedauer der Beteiligung positive Einkünfte zu erzielen, da das Halten der gesamten Beteiligung als die steuerlich relevante Tätigkeit zu betrachten sei. Andernfalls drohe in Bezug auf die Anteile an einer Kapitalgesellschaft, dass bestimmte Veräußerungen zu steuerpflichtigen Gewinnen führen, während andere zu steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Verlusten führen. Dies wäre mit einer Besteuerung nach dem Gebot der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesichts des tatsächlichen Aufwands des Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren, sodass dem BFH hier zuzustimmen ist.
Hierin zeigt sich auch der fehlerhafte Ansatz des Finanzamts im konkreten Fall, das bereits eine Gewinnerzielungsabsicht im Hinblick auf den neuen Geschäftsanteil verneinte: Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zuordnung des Aufgelds zu einem einzelnen Geschäftsanteil nicht zu einem überhöhten Verlust führen soll, darf dies nicht zu einer Versagung der Gewinnerzielungsabsicht und damit der Verlustberücksichtigung führen, da ansonsten der tatsächliche Aufwand des Steuerpflichtigen letztlich unberücksichtigt bliebe. Vielmehr müsste man über den Weg des § 42 AO zu einer verhältnismäßigen Aufteilung der Anschaffungskosten gelangen, da bei Annahme einer unangemessenen Gestaltung die wirtschaftlich angemessene Gestaltung eine gleichmäßige Aufteilung des Aufgelds auf alle Anteile des Steuerpflichtigen wäre.
Zum anderen hat der BFH konkretisiert, dass für die Totalgewinnprognose nicht nur auf die Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG abzustellen ist, sondern auch die laufenden Einkünfte des Steuerpflichtigen nach § 20 EStG mit einzubeziehen sind. Dies wird überzeugend damit begründet, dass die laufenden Ausschüttungen und die Veräußerungsgewinne in einem wirtschaftlichen Zusammenhang dergestalt zueinander stehen, dass die laufenden Ausschüttungen den erzielbaren Veräußerungspreis vermindern, ohne dass die Anschaffungskosten hierbei abgezogen werden könnten. Das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gebietet aber die Berücksichtigung dieser erwerbsbezogenen Aufwendungen.
Aufgeld als Bestandteil der Anschaffungskosten
Der BFH hält zudem an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Aufgeld für Geschäftsanteile an einer GmbH zu den Anschaffungskosten i. S. v. § 255 Abs. 1 HGB zählt, da es Bestandteil der Gegenleistung ist, die der Erwerber aufbringen muss, um die Geschäftsanteile zu erwerben. Dies gilt auch weiterhin, da der normspezifische Anschaffungskostenbegriff in § 17 Abs. 2a Satz 1 EStG insofern mit § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB übereinstimmt.
Die Anschaffungskosten sowie der Kaufpreis sind jeweils bezogen auf den einzelnen Geschäftsanteil festzustellen, da die einzelnen Geschäftsanteile zivilrechtlich selbstständig und unterscheidbar sind. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich Veräußerungen bis zum 31.07.2019 auch für die Zuordnung eines Aufgelds.
Die neue Sonderregelung in § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG, wonach Einzahlungen in das Kapital der Gesellschaft bei der Ermittlung der Anschaffungskosten gleichmäßig auf die gesamten Anteile des Steuerpflichtigen aufzuteilen sind, gilt jedenfalls nicht für Veräußerungen bis zum 31.07.2019. Der BFH stützt sich zu Recht auf den insoweit klaren Gesetzeswortlaut des § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG, wonach § 17 Abs. 2a EStG erstmals für Veräußerungen nach dem 31.07.2019 anzuwenden ist. Diese Regelung enthält anders als Satz 2 gerade keine Beschränkung auf § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG. Die entgegenstehende Auffassung der Bundesregierung in der Begründung zum Gesetzentwurf, wonach es sich um eine deklaratorische Vorschrift handele, hat in der Gesetzesfassung keinen Niederschlag gefunden, sodass sie nicht weiter zu berücksichtigen war.
Für Veräußerungen nach dem 31.07.2019 ist § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG hingegen zu beachten. Verfassungsrechtliche Zweifel hieran hat der BFH nicht geäußert. Ein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip wird dadurch vermieden, dass die Aufwendungen generell abziehbar bleiben und sich lediglich der Zeitpunkt des Abzugs nach hinten verlagert.
Kein Gestaltungsmissbrauch
Weiterhin hat der BFH klargestellt, dass die gezielte Herbeiführung eines steuerlichen Verlusts nicht ohne Weiteres einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten begründet. Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Die Vorinstanz hatte noch darauf abgestellt, dass die Zahlung des Aufgelds bei Anteilserwerb einen wirtschaftlichen Zweck verfolge, namentlich die Ausstattung der GmbH mit Finanzmitteln, und damit nicht missbräuchlich sei.
Der BFH legt hier einen anderen Maßstab zugrunde und prüft, ob die spätere Veräußerung einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungen begründe, denn erst diese Veräußerung führe zu dem steuerlich relevanten Verlust. In dieser sieht der BFH keine unangemessene Gestaltung und betont die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen, Veräußerungsgeschäfte so zu gestalten, dass er sich steuerlich möglichst günstig stellt. Dies umfasst die Freiheit, seiner Gesellschaft Kapital in einer steuerlich vorteilhaften Weise zuzuführen. Auch steht es dem Steuerpflichtigen frei, welchen Geschäftsanteil seiner Beteiligung er veräußert.
Gegen eine unangemessene Gestaltung spricht nach Auffassung des BFH der fremdübliche Kaufpreis. Insofern entsteht in dem Veranlagungszeitraum tatsächlich ein Verlust, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindert. Dieser Verlust ist aber nicht unangemessen, da er in späteren Veranlagungszeiträumen zu entsprechenden Gewinnen führt, die der Besteuerung unterliegen.
Für künftige Fälle geht die Spezialregelung in § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG dem § 42 AO vor.
Fazit und Einordnung für die Praxis
Für die konkrete Streitfrage, ob das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld zu den Anschaffungskosten dieses bestimmten Anteils zählt, ist die Entscheidung des BFH aufgrund der Neueinfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG nur für Veräußerungen bis zum 31.07.2019 relevant.
Dennoch hat der BFH verdeutlicht, dass Anschaffungskosten und Veräußerungspreis – in Abwesenheit gesetzlicher Spezialregelungen – bezogen auf den einzelnen Anteil zu ermitteln sind.
Weiterhin ist nach dem BFH die Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen von § 17 EStG auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der entsprechenden Gesellschaft zu beziehen und nur in Ausnahmefällen zu verneinen.
Schließlich hat der BFH die Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen betont, der selbst entscheiden kann, wie er seine Anteile finanziert, wie er Veräußerungsgeschäfte gestaltet und insbesondere welche Anteile er veräußert. Das Ausnutzen dieser Freiheiten begründe nicht per se einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 19. September 2023