
Für den Fall seiner Wahl zum US-Präsidenten hat Joe Biden weitreichende Reformen angekündigt – unter anderem auf dem Gebiet des Steuerrechts. So können sich beispielsweise Anteilseigner von Kapitalgesellschaften bei einem Machtwechsel auf einen Anstieg des Körperschaftsteuersatzes auf 28 Prozent einstellen. Auch auf dem Gebiet der amerikanischen Erbschafts- beziehungsweise Nachlasssteuer kann bei einem Wahlsieg der Demokraten mit Gesetzesänderungen gerechnet werden. Zwar hat Biden speziell zu einer Neuregelung der Nachlasssteuer bisher keinen offiziellen, umfassenden Vorschlag veröffentlicht. Allerdings hat der Demokrat zu verschiedenen Zeitpunkten während seiner Kampagne einige seiner Vorstellungen zu einer Reform der Nachlasssteuer bekannt gegeben.
Die wesentlichen Reformpläne Bidens im Zusammenhang mit der Nachlasssteuer im Überblick:
„Rückführung der Nachlasssteuer auf den Stand von 2009“, möglicherweise durch
- Absenkung des Freibetrags und
- Erhöhung des Steuersatzes,
- Abschaffung der Erhöhung der Bemessungsgrundlage auf den aktuellen Verkehrswert (sogenannte „step-up in basis“) bei Kapitalanlagen (einschließlich Immobilien) im Zeitpunkt des Todes.
Nachfolgend eine Übersicht zu den wesentlichen Aspekten dieser Reformpläne:
Rückführung der Nachlasssteuer auf den Stand von 2009
Joe Biden hat angekündigt, durch eine Rückführung der Nachlasssteuer auf den Stand von 2009 unter anderem die von ihm geplanten Beurlaubungen von Arbeitnehmern in Krankheitsfällen zu finanzieren. Wie genau diese Rückführung ausgestaltet werden soll, wurde bislang nicht näher konkretisiert. Die Wiederherstellung der Gesetzeslage von 2009 erfordert streng genommen jedenfalls die Herabsenkung des Freibetrags sowie eine Erhöhung des Steuersatzes.
1. Absenkung des Freibetrags
Aktuelle Rechtslage
Nach der aktuellen Gesetzeslage steht jedem Nachlass eines US-ansässigen Erblassers grundsätzlich ein Freibetrag in Höhe von 10 Millionen US-Dollar zu. Dieser wird jährlich um die Inflationsrate angepasst und beträgt derzeit 11,58 Millionen US-Dollar.
Stirbt ein nicht in den USA ansässiger Steuerbürger, der mit US-amerikanischem Vermögen der US-Nachlasssteuer unterliegt, können die Begünstigten nach US-Recht generell nur einen Freibetrag in Höhe von 60.000 US-Dollar geltend machen. Allerdings besteht zwischen den USA und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen für die Erbschafts- und Schenkungsteuer. Demnach kann auch bei in Deutschland ansässigen Erblassern der bei US-Ansässigen geltende Freibetrag in Höhe von 11,58 Millionen US-Dollar anteilig im Verhältnis des in den Vereinigten Staaten belegenen Vermögens zum Wert des gesamten Nachlasses in Anspruch genommen werden. Besteht der Nachlass in diesen Fällen beispielsweise nur aus Vermögen, welches in den Vereinigten Staaten belegen ist, steht den Erwerbern somit aktuell auch der ganze Freibetrag in Höhe von 11,58 Millionen US-Dollar zu.
Geplante Änderungen
Im Jahr 2009 blieb hingegen pro Steuerzahler lediglich ein Betrag in Höhe von 3,5 Millionen US-Dollar steuerfrei. Streng genommen wäre somit eine Herabsenkung des Freibetrags um etwa acht Millionen US-Dollar denkbar, wenn Joe Biden seine Pläne in die Tat umsetzt. Letztendlich bleibt aber mangels konkreterer Angaben offen, ob es wirklich zu einer so drastischen Absenkung des Freibetrags kommen würde. So wäre zum einem naheliegend, dass der Freibetrag in Höhe von 3,5 Millionen US-Dollar, wie er 2009 berücksichtigt wurde, zunächst um die Inflation angepasst werden würde. Des Weiteren ist denkbar, dass Joe Biden vielmehr das Ziel verfolgt, die vor dem Tax Cuts and Jobs Act im Jahr 2017 bestehende Rechtslage wiederherzustellen. Das hätte wiederum zur Folge, dass jeder Nachlass eines US-ansässigen Erben zumindest einen Freibetrag in Höhe von fünf Millionen US-Dollar geltend machen könnte.
Sollte durch Gesetzesänderungen der Freibetrag US-ansässiger Erblasser sinken, würde sich dadurch auch die erbschaftsteuerliche Position von Erben in Deutschland ansässiger Erblasser mit US-Vermögen im Geltungsbereich des bereits erwähnten Doppelbesteuerungsabkommens verschlechtern.
2. Erhöhung des Steuersatzes
Momentan beträgt der Spitzensteuersatz auf den Nachlass in den Vereinigten Staaten 40 Prozent. Im Jahr 2009 wurde der Nachlass hingegen mit maximal 45 Prozent besteuert. Angesichts der von Joe Biden angekündigten „Rückführung der Nachlasssteuer auf den Stand von 2009“ sollten sich vermögende US-Amerikaner im Fall seiner Wahl daher auf eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um fünf Prozentpunkte einstellen.
Abschaffung der Erhöhung der Bemessungsgrundlage bei Kapitalanlagen im Zeitpunkt des Todes
Aktuelle Rechtslage
Nach der jetzigen Rechtslage wird bei einem Erbfall die Bemessungsgrundlage der Kapitalanlagen des Erblassers für eine spätere Realisierung auf den aktuellen Verkehrswert erhöht. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage („step-up in basis“) bedeutet somit, dass die Kapitalgewinne, die während des Lebens des Erblassers entstanden sind, nicht besteuert werden. Denn wenn der Erbe die Anlagen verkauft, wird die Steuer auf die Kapitalgewinne auf Grundlage der neuen Bemessungsgrundlage (und nicht der ursprünglichen Anschaffungskosten) berechnet. Bei einem sofortigen Verkauf werden daher durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage nahezu keine Steuern auf die Werterhöhungen fällig. Dies wird dadurch gerechtfertigt, dass der Gesamtwert des übertragenen Vermögens bereits durch die Nachlasssteuer belastet wird.
Geplante Änderungen
Diese Erhöhung der Bemessungsgrundlage im Todeszeitpunkt will Joe Biden als Präsident abschaffen. Offen blieb jedoch bislang, wie genau die Abschaffung der „step-up in basis“ aussehen soll.
Einerseits ist denkbar, dass lediglich die alte Bemessungsgrundlage des Erblassers übernommen werden muss. Die Erben könnten dann zwar die Realisierung des Kapitalgewinns weiterhin aufschieben und müssten erst nach der Realisierung Steuern darauf zahlen. Allerdings würde durch die Übernahme der alten Bemessungsgrundlage sichergestellt, dass auch die nicht realisierten Gewinne des Erblassers besteuert werden. Dies würde im Wesentlichen der in Deutschland geltenden Steuerrechtslage entsprechen.
Andererseits könnte aber auch der Tod selbst zum steuerpflichtigen Ereignis gemacht werden, was die sofortige Besteuerung der Kapitalgewinne des Erblassers zur Folge hätte.
Im Zusammenhang mit dem Wegfall der „step-up in basis“ ist auch die vom Präsidentschaftskandidat geplante Erhöhung der Steuer auf Kapitalgewinne („capital gains tax“) zu beachten. Die von Biden vorgesehene Reform der Kapitalertragsbesteuerung würde den Steuerpflichtigen im Fall der Abschaffung der „step-up in basis“ zusätzlich belasten.
Derzeit unterliegen Langzeit-Kapitalgewinne (Gewinne aus der Veräußerung von Anlagen, die länger als ein Jahr gehalten wurden) grundsätzlich einem gesonderten Steuersatz von 20 Prozent. Steuerpflichtige mit einem Einkommen von über 200.000 US-Dollar (beziehungsweise gemeinsam veranlagte Ehegatten mit einem Einkommen von mehr als 250.000 US-Dollar) zahlen zusätzlich 3,8 Prozent Kapitalertragsteuer („net investment income tax“), sodass der Höchststeuersatz auf Langzeit-Kapitalgewinne 23,8 Prozent beträgt. Kurzfristige Kapitalgewinne, also Gewinne aus der Veräußerung von Anlagen, die weniger als ein Jahr gehalten wurden, werden hingegen mit dem normalen Steuersatz besteuert.
Joe Biden strebt nun an, dass auch bei Kapitalgewinnen aus der Veräußerung von Anlagen, die länger als ein Jahr gehalten wurden, künftig die normalen Steuersätze angewandt werden. Das soll allerdings nur für Steuerpflichtige gelten, die mehr als eine Million US-Dollar im Jahr verdienen. Realisierte Langzeit-Kapitalgewinne würden somit bei den Top-Verdienern keinem gesonderten Steuersatz von maximal 23,8 Prozent mehr unterliegen. Da Biden ebenfalls vorhat, den Spitzensteuersatz von 37 Prozent auf 39,6 Prozent anzuheben, würden Langzeit-Kapitalgewinne vermögender Amerikaner mit einer Steuer von bis zu 39,6 Prozent belastet werden.
Fazit
Sollte Joe Biden im November zum 46. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt werden, ist mit einer stärkeren Besteuerung des Nachlasses zu rechnen. Allerdings bleibt im Einzelnen abzuwarten, ob und wie die dargelegten Pläne konkret umgesetzt werden, was unter anderem auch von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress abhängen wird.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen im: private banking magazin, 07. Oktober 2020