Immer häufiger kommt es in der Praxis vor, dass Schenkungen oder Erbfälle mehr als nur eine Jurisdiktion berühren, weil Steuerpflichtige zunehmend internationaler agieren. Nicht selten unterliegen derartige unentgeltliche Vermögensübertragungen dann sowohl im In- als auch im Ausland der Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, bleibt dem Steuerpflichtigen dann nicht selten nur noch ein Rückgriff auf nationale Anrechnungsnormen. Für die deutsche Erb- und Schenkungsteuer sieht § 21 ErbStG eine Anrechnungsmöglichkeit vor. Am 04.05.2022 erging durch das FG Düsseldorf (Az.: 4 K 2501/21 Erb) ein Urteil zu dieser praxisrelevanten Vorschrift. Die Entscheidung ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen und soll daher Anlass für diesen Beitrag sein.
Anrechnungsmöglichkeit für ausländische Steuern
Steuerpflichtige, die im Inland einer unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer – „ausländische Steuer“ – herangezogen werden, können diese auf Antrag auf die deutsche Erbschaftsteuer anrechnen lassen. Die zwei komplexesten Elemente der Anrechnung sind die Anwendung des gesetzlichen „Auslandsvermögensbegriffs“ und die Frage nach der Vergleichbarkeit der ausländischen Steuer mit der deutschen Erbschaftsteuer („Entsprechungsklausel“).
Auslandsvermögensbegriff
Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Welche Vermögensgegenstände zum „Auslandsvermögen“ zählen, wird in § 21 Abs. 2 ErbStG näher definiert. Demnach gilt entweder ein sogenannter „enger“ oder „weiter Auslandsvermögensbegriff“ in Abhängigkeit von der Art der Steuerpflicht des Erblassers bzw. Schenkers.
War dieser – wie der Erwerber selbst – unbeschränkt steuerpflichtig und damit „Inländer“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, greift der enge Auslandsvermögensbegriff (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Demnach soll die ausländische Steuer nur auf solche Vermögenswerte anrechnungsfähig sein, die sachlich Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG wären, wenn sie – hypothetisch – im Inland liegen würden. Dies betrifft etwa ausländisches Grundvermögen, ausländisches Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland, wenn der Erblasser bzw. Schenker (alleine oder mit anderen ihm nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG) zu mindestens 10% beteiligt war.
Damit besteht eine Anrechnungslücke für ausländische Steuern, welche auf Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften entfallen oder nicht mindestens 10% ausmachen und für ausländische Depot- und Wertpapierbestände. Wird deren Übergang nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht einer Steuer unterworfen, bleibt es insoweit bei einer Doppelbesteuerung. Letzteres kann erhebliche Auswirkungen auf die Anlagestrategie bzw. die geografische Wahl des Anlageortes haben.
Ist dagegen nur der Erwerber als Inländer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, greift der weite Auslandsvermögensbegriff (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Demnach zählen sämtliche Vermögensgegenstände zum Auslandsvermögen, welche kein Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG sind. Demnach zählen selbst solche Vermögensgegenstände zum „Auslandsvermögen“, welche zwar in Deutschland belegen sind, aber eben nicht in den abschließenden Katalog des § 121 BewG fallen. Namentlich sind dies insbesondere Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften, die nicht mindestens 10% ausmachen, sowie inländische Konten- und Wertpapierbestände. Kommt es somit im Ausland zu einem Steueranfall auf die Übertragung dieser inländischen Vermögensgegenstände, kommt dennoch eine Anrechnung dieser ausländischen Steuer in Betracht.
Entsprechungsklausel
Nach der sogenannten „Entsprechungsklausel“ muss die im Ausland auf das Auslandsvermögen erhobene Steuer eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer darstellen. Eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Erbschaftsteuer liegt vor, wenn die Steuer unmittelbar durch den Tod des Erblassers ausgelöst wird und den Nachlass des Erblassers erfasst. Besteuerungsgegenstand muss eine unentgeltliche Vermögensübertragung sein und die ausländische Steuer muss entweder auf dem Nachlass als solchem liegen oder die Bereicherung des Erwerbers durch Erbanfall besteuern.
Von der Anrechnungsmöglichkeit sind demnach typischerweise Erbfallsteuern umfasst, welche das im Todeszeitpunkt zivilrechtlich übergehende Vermögen betreffen und bei den Erwerbern selbst erhoben werden. Eine Vergleichbarkeit wird aber auch dort bejaht, wo ausländische Steuern nicht die Erwerber als solche treffen, sondern direkt beim ungeteilten Nachlass erhoben werden. Derartige Nachlasssteuern existieren insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis (z.B. in den USA).
Schwierigkeiten mit der Entsprechungsklausel ergaben sich seit jeher mit ausländischen (Kapital-)Ertragsteuern. Die (höchstrichterliche) Rechtsprechung versagte eine Anrechnung derartiger Steuern, selbst wenn diese – als rein fiktive Veräußerungsgewinnsteuern – allein durch den Tod des Erblassers ausgelöst wurden und damit an einen unentgeltlichen Vermögensübergang anknüpften. Insbesondere eine Vergleichbarkeit aufgrund der in solchen Fällen unzweifelhaft eintretenden wirtschaftlichen Doppelbelastung wurde verneint, selbst wenn die ausländische Veräußerungsgewinnsteuer funktional als Ersatz für eine nicht existente Nachlasssteuer fungierte. Argument gegen eine Vergleichbarkeit war die teils formale Unterscheidung zwischen Einkommensteuer und Erbschaftsteuer (vgl. z.B. BFH vom 26.04.1995 – II R 13/92, DB 1995 S. 1946 zur kanadischen „capital gains tax“).
Entscheidung des FG Düsseldorf vom 04.05.2022
Die Entscheidung des FG Düsseldorf dreht sich im Wesentlichen um die Entsprechungsklausel.
Im zugrundliegenden Sachverhalt wandte ein ausschließlich in der Schweiz wohnhafter Schenker Anfang 2021 der sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland wohnhaften Klägerin eine Geldschenkung in Höhe von 500.000 CHF zu. Kurz darauf verstarb der Schenker. Die Klägerin war nicht als Erbin des Schenkers eingesetzt und erhielt somit von Todes wegen kein weiteres Vermögen.
Das beklagte Finanzamt unterwarf die Geldzuwendung in Deutschland der Schenkungsteuer und setzte insg. 132.840 € fest. In der Schweiz fiel zunächst keine Schenkungsteuer an. Aufgrund des nachfolgenden Erbfalls setzten die Schweizer Behörden allerdings Erbschaftsteuer i.H.v. umgerechnet 176.416 € fest. Zwar erhielt die Klägerin durch den Todesfall kein weiteres Vermögen. Allerdings bestand eine Schweizer Regelung, wonach Schenkungen, welche in den letzten fünf Jahren vor dem Tode des Erblassers stattgefunden haben, ebenfalls in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingehen.
Die Klägerin begehrte sodann die Anrechnung der schweizerischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Schenkungsteuer nach § 21 ErbStG. Das beklagte Finanzamt versagte eine solche jedoch insbesondere mit der Begründung, dass zwei unterschiedliche Steuervorgänge vorgelegen hätten: Bei der in der Schweiz vorgenommenen Hinzurechnung von Schenkungen zum zu versteuernden Erbteil habe es sich um einen Erbschaftsteuervorgang gehandelt. In Deutschland sei dagegen eine Schenkung besteuert worden, sodass eine Anrechnung mangels Vergleichbarkeit der ausländischen Steuer ausscheidet.
Die Klägerin obsiegte nunmehr vor dem FG Düsseldorf. Dieses gab dem Finanzamt zwar insoweit Recht, dass es sich bei der in der Schweiz erhobenen Steuer um eine Erbschaftsteuer und nicht um eine Schenkungsteuer gehandelt habe. Die Schenkung habe hier in der Schweiz nur deshalb einer Steuer unterlegen, weil der Schenker innerhalb von fünf Jahren nach dem Schenkungsvorgang verstorben sei. Bei dieser einschlägigen Regelung handele es sich um eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift: Da im fraglichen Kanton Schenkungen im Gegensatz zu Erbschaften nicht steuerbar waren, bestünde die Gefahr, dass bei einem absehbar bevorstehenden Erbfall Vermögenswerte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkweise übertragen und so der Besteuerung entzogen würden.
Dennoch sei im vorliegenden Fall eine Anrechnung der Schweizer Erbschaftsteuer auf die deutsche Schenkungsteuer geboten gewesen. Dafür spreche, dass beide Steuern an den gleichen Lebenssachverhalt (die Geldzuwendung) angeknüpft hätten. Es erscheine zu formalistisch, die unterschiedliche rechtliche Einordnung zum Anlass zu nehmen, den identischen Vorgang (Geldschenkung) einer doppelten Besteuerung zu unterwerfen. Dem objektiv erkennbaren Telos des § 21 ErbStG, die Doppelbesteuerung von Vermögensübertragungen auch in Nicht-DBA-Fällen zu vermeiden, werde man nur gerecht, wenn die wirtschaftlichen und funktionalen Wirkungen der ausländischen Steuer in die Betrachtung mit einbezogen würden.
Dass die deutsche Schenkungsteuer im vorliegenden Fall – entgegen des Wortlauts des § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG – nicht nach, sondern vor der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden war, hielt das Gericht für unbeachtlich.
Bedeutung für die Praxis
Der Entscheidung des FG Düsseldorf kommt zwar keine vergleichbare Signalwirkung wie einer höchstrichterlichen Entscheidung zu. Daher ist es durchaus bedauerlich, dass der BFH – mangels Revision – keine Gelegenheit haben wird, zu der entschiedenen Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Dennoch hat die Entscheidung eine über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die ihr zugrundeliegende rechtliche Konstellation des Fehlens einer Schenkungsteuer in Kombination mit einer missbrauchsvermeidenden Hinzurechnungsregelung bei der Erbschaftsteuer findet sich nicht nur in einzelnen Kantonen der Schweiz, sondern in mehreren weiteren Ländern. So existieren vergleichbare Regelungen z.B. in Belgien und im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland.
Nicht zu unterschätzen ist auch der weite Anwendungsbereich des § 21 ErbStG. Zwar greift die Regelung nur dann ein, wenn keine (vorrangigen) Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweils betroffenen Drittland einschlägig sind. Allerdings finden sich derartige Abkommen, welche sich speziell an die Besteuerung unentgeltlicher Übertragungen richten, wesentlich seltener als solche auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen. So bestehen derzeit nur sechs Abkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und/oder Schenkungsteuern. Selbst diese schaffen zudem – wie die Entscheidung des FG Düsseldorf zeigt – nicht immer Abhilfe. So besteht zwischen Deutschland und der Schweiz zwar ein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuer. Dieses erfasst ausweislich des eindeutigen Wortlauts allerdings zunächst nur die deutsche Erbschaftsteuer. Daneben haben die deutsche und die schweizerische Steuerverwaltung zwar noch in einer Verständigungsregelung vereinbart, das Doppelbesteuerungsabkommen auf Schenkungen von Geschäftsbetrieben entsprechend anzuwenden (vgl. BMF-Schreiben vom 07.04.1988 – IV C 6-S 1301 Schz-25/88). Für die im Urteilsfall maßgebliche Geldschenkung fand aber auch diese Ergänzung keine Anwendung, sodass nur der Rückgriff auf § 21 ErbStG verblieb.
Interessant ist letztlich auch die gewählte Argumentation des FG Düsseldorf, welche weg von einer formalistischen Betrachtung der betroffenen Steuerarten hin zu der Berücksichtigung der wirtschaftlichen und funktionalen Wirkungen der ausländischen Steuer geht. Diese für den Steuerpflichtigen vorteilhafte Sichtweise findet sich bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 21 ErbStG so kaum wieder. Sie entspringt vielmehr kritischen Literaturstimmen, welche dem BFH in der Vergangenheit vorgeworfen hatten, bei der Anwendung der Entsprechungsklausel zu formalistisch und restriktiv vorgegangen zu sein. Die Entscheidung könnte daher zukünftig auch Anlass dazu geben, die erwähnte BFH-Rechtsprechung zur Ablehnung der Entsprechungsklausel im Falle von durch den Tod ausgelösten ausländischen Ertragsteuern, wie im Falle von Veräußerungsgewinnsteuern, zu überdenken.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Handelsblatt online, Steuerboard, 31. August 2022