
Die Kommission schlägt vor, das bisherige Offenlegungssystem in ein Kategorisierungssystem zu überführen, das bestimmte Mindeststandards für nachhaltigkeitsbezogene Finanzprodukte vorsieht. Zentrale Elemente der Reform sind die Abschaffung mehrerer Offenlegungspflichten sowie die Einführung von Produktkategorien mit Mindestinvestitionsquoten, verpflichtenden Investitions-Ausschlüssen und vordefinierten Investment-Strategien.
Hintergrund der Reform – Probleme des bisherigen Regimes
Seit dem Inkrafttreten der SFDR im Jahr 2021 zeigte sich, dass wesentliche Regelungsziele nur eingeschränkt erreicht wurden. Neben der faktischen Nutzung von Art. 8 und 9 als Nachhaltigkeitslabels wurde vielfach kritisiert, dass die Definition der „nachhaltigen Investition“ zu weit und unklar sei, was zu einer erheblichen Unsicherheit bei Marktteilnehmern führte. Zuletzt erwies sich die Offenlegung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAI) auf Unternehmensebene als administrativ aufwendig und wenig vergleichbar, da unterschiedliche Datenquellen und Methoden genutzt wurden.
Einführung eines neuen Kategorisierungssystems
Kernstück der Reform ist die vollständige Ablösung der bisherigen Art. 6, 8 oder 9 SFDR durch drei Hauptkategorien (Art. 7, 8 und 9 SFDR) sowie eine ergänzende Mischkategorie (Art. 9a SFDR). Dieses System legt erstmals materiellrechtliche Mindeststandards fest und soll die Vergleichbarkeit der Finanzprodukte erhöhen. Alle Kategorien enthalten eine Mindestinvestitionsquote von 70%, verpflichtende Ausschlüsse und erfordern vordefinierte Anlagestrategien. Für die Produktkategorien Art. 7 und 9 gilt die 70%-Schwelle auch dann als erreicht, wenn mind. 15% der Investitionen Taxonomie-konform sind.
Artikel 7 – Übergangskategorie (Transition category)
Finanzprodukte dieser Kategorie müssen mindestens 70% ihrer Vermögenswerte in Unternehmen investieren, die auf einem glaubwürdigen Weg zur Nachhaltigkeit sind oder bestimmte Ziele im Zusammenhang mit einem Übergang zur Nachhaltigkeit verfolgen.
Artikel 8 – ESG-Grundlagenkategorie (ESG basics category)
Finanzprodukte gem. Art. 8 müssen Nachhaltigkeitsfaktoren systematisch und nachweisbar in den Anlage- und Entscheidungsprozess einbeziehen. Auch hier gilt die Mindestquote von 70% relevanter Vermögenswerte.
Artikel 9 – Nachhaltige Kategorie (Sustainable category)
Art. 9 – Finanzprodukte mit einem Nachhaltigkeitsziel – steht konzeptionell in der Tradition des bisherigen Art. 9, wird aber in materieller Hinsicht geschärft. Finanzprodukte in dieser Kategorie müssen mit mindestens 70% ihrer Anlagen künftig ein klar definiertes, messbares Nachhaltigkeitsziel verfolgen.
Artikel 9a – Mischkategorie
Die Mischkategorie adressiert Produkte, die unterschiedliche Strategien kombinieren oder in Produkte unterschiedlicher Kategorien investieren. Sie soll die bisherige Praxis abbilden, nach der viele Produkte nicht eindeutig einer Nachhaltigkeitsstrategie zugeordnet werden konnten und wird insbesondere für Dachfonds relevant werden.
Impact Investing – Artikel 7 (4) und 9 (4)
Mit der SFDR 2.0 wird Impact Investing als eigenständige Investmentstrategie anerkannt und als Add-on in der Transitions- und der Nachhaltigkeitskategorie integriert. „Impact“ im Namen eines Finanzprodukts ist danach nur zugelassen, wenn der Anbieter des Finanzprodukts ein messbares soziales oder ökologisches Impact-Ziel hat und zu diesem besondere Reportingpflichten einhält.
Verbindliche Investitions-Ausschlüsse
Sämtliche Produktkategorien enthalten verbindliche Investitions-Ausschlüsse. Diese unterscheiden sich nur geringfügig und umfassen u. a. Investitionen in:
- Unternehmen, die Tabak oder verbotene Waffen herstellen,
- Unternehmen, die gegen Menschenrechte verstoßen, und
- Unternehmen, die im Bereich fossiler Brennstoffe tätig sind.
Die Ausschlüsse stellen EU-weit geltende Mindestvorgaben dar und lösen das bisherige System der Mindeststandards nach dem „Do no significant harm“-Prinzip ab. Zusätzlich können sich Anbieter freiwillig strengeren Ausschlüssen unterwerfen.
Vereinfachung und Harmonisierung der Offenlegungspflichten
Die Kommission schlägt die Abschaffung der PAI-Offenlegung auf Unternehmensebene sowie die freiwillige Offenlegung der Taxonomie-Konformität auf Produktebene vor.
Die neuen Offenlegungstemplates sollen nur noch maximal zwei Seiten umfassen (plus eine Seite bei Impact-Produkten), optisch klarer strukturiert und kompatibel mit der Taxonomie-VO und den CSRD-Berichterstattungsstandards sein. Dies ist ein wesentlicher Schritt zur Reduktion administrativer Belastungen.
Neuregelung der Marketing- und Vertriebsvorschriften für nicht-kategorisierte Produkte
Finanzprodukte, die keiner der neuen Kategorien zugeordnet werden können (Art. 6 SFDR), dürfen zwar Informationen zu Nachhaltigkeitsfaktoren in ihren Offenlegungen angeben, müssen aber sicherstellen, dass diese Angaben nicht im Mittelpunkt stehen und keine Nachhaltigkeitsaussagen enthalten, die nur für kategorisierte Produkte zulässig sind (Art. 6a SFDR). Aussagen über ökologische oder soziale Merkmale dürfen zum Schutz der Investoren keine zentrales Element der offengelegten Produktinformationen sein.
Übergangsfristen und Ausnahmen
Der Entwurf sieht eine Übergangsfrist von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung vor. Diese soll Finanzmarktteilnehmern ausreichend Zeit geben, ihre Produktstrategien anzupassen, Datenprozesse zu überarbeiten und interne Richtlinien zu aktualisieren. Für geschlossene Finanzprodukte bestehen Ausnahmen, sofern sich diese zur Zeit des Inkrafttretens der SFDR 2.0 nicht mehr im Vertrieb befinden.
Ausblick
Die Reform der SFDR markiert einen grundlegenden Wandel hin zu einem strukturierten, materiellen Nachhaltigkeitsproduktrecht. Der endgültige Inhalt hängt vom Ergebnis der Trilog-Verhandlungen ab, doch die Grundarchitektur dürfte Bestand haben. Mit einem Inkrafttreten der neuen Regelungen ist aktuell nicht vor 2027 zu rechnen. Finanzmarktteilnehmer sollten gleichwohl frühzeitig prüfen, ob ihre Produkte die neuen Mindeststandards erfüllen, und ihre Offenlegungs- und Marketingprozesse neu ausrichten.