Kodex-Änderungen 2017
Die Rolle institutioneller Investoren ist vor dem Hintergrund des Shareholder Activism im In- und Ausland diskutiert, aber am Ende nur in die Präambel des Kodex aufgenommen worden. Es wird demnach erwartet, dass die Investoren ihre Eigentumsrechte aktiv und verantwortungsvoll auf Grundlage von transparenten und die Nachhaltigkeit berücksichtigenden Grundsätzen ausüben. So begrüßenswert die Einbeziehung der Investoren in die Corporate-Governance-Debatte ist – die Aufnahme in der Präambel, ohne Regelungsgehalt, kann nur als Anfang einer weiterzuführenden Diskussion und möglichen zukünftigen Konkretisierung gewertet werden.
Von hoher aktueller Praxisrelevanz ist hingegen die Empfehlung, dass der Aufsichtsrat neben konkreten Zielen für seine Arbeit auch ein „Kompetenzprofil“ seiner wesentlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erarbeiten soll und seine Wahlvorschläge der Kandidaten an die Hauptversammlung die Ausfüllung dieses Kompetenzprofils „anstreben“ sollen. Zudem soll den Wahlvorschlägen ein Lebenslauf beigefügt werden.
Besondere Aufmerksamkeit gebührt auch der Empfehlung, die unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite im Governance-Bericht zu benennen. Diese Nennung mag im Sinne der Transparenz zwar begrüßenswert sein. Indes birgt der schwer zu fassende Begriff der „Unabhängigkeit“ die Gefahr von Fehleinschätzungen, die zu Berichtsfehlern führen können. Hier ist Vorsicht geboten.
Relevant ist schließlich die Anregung zu Investorengesprächen des Aufsichtsratsvorsitzenden. Diese war im Entwurf der Kodexnovelle als Empfehlung angelegt, wurde aber nach Kritik aus der Rechtswissenschaft (Stichwort: Kommunikationsmonopol des Vorstands) zur Anregung abgestuft. Gleichwohl werden die Grenzen solcher Gespräche weiter kontrovers diskutiert. Anlass für kritische Aktionäre, auch in der kommenden HV-Saison die jeweilige Unternehmenspraxis zu hinterfragen. Hierauf gilt es sich vorzubereiten.
Die Reformanstöße des neuen Vorsitzenden
Die Reformanstöße des neuen Vorsitzenden nehmen einen „großen Wurf“ in den Blick. Dabei sollen Bedeutung und Nutzen des Kodex und damit seine Akzeptanz bei den Unternehmen gesteigert sowie der Erwartungshaltung der Investoren entsprochen werden. Seine Kernaufgabe sieht Nonnenmacher weniger in der Regulierung als im gesellschaftlichen Diskurs. Die initialen Vorschläge zielen daher nicht nur auf inhaltliche Anpassungen, insbesondere nicht von einzelnen Regelungen, wie in der Vergangenheit, sondern auch auf eine grundlegende Änderung der Struktur. Ein weiteres Ziel ist die Verringerung des bisherigen, fast jährlichen Überarbeitungszyklus des Kodex.
Künftig soll beim Kodex ein größeres Augenmerk darauf gelegt werden, was internationaler „Best Practice“ entspricht.
Nach Ansicht Nonnenmachers leidet der Kodex strukturell an einer kleinteiligen Darstellung und „Verrechtlichung“. Der Grund dafür läge in seinem Aufbau anhand des Aktiengesetzes. Der Aufbau könnte daher z.B. besser der Logik des Managements folgen. Vorbild könnte der niederländische Kodex sein, der im ersten Kapitel übergreifend die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat erläutert, um nachhaltig Werte zu schaffen.
Inhaltlich soll der Kodex daraufhin überprüft werden, ob sich die Empfehlungen und Anregungen in der Praxis durchgesetzt haben. Dabei soll das „Comply-or-explain-Prinzip“ beibehalten werden. Es soll aber größeres Augenmerk darauf gelegt werden, was internationaler „Best Practice“ entspricht. Auch sollen kleinteilige Empfehlungen und Anregungen kritisch begutachtet werden. Weiter soll die deklaratorische Beschreibung geltenden Rechts im Kodex zumindest reduziert werden. Das steht zwar in gewisser Weise in einem Spannungsverhältnis zu der ebenfalls von Nonnenmacher befürworteten Informationsfunktion des Kodex, insbesondere für ausländische Investoren. Die für das Verständnis essenziellen gesetzlichen Vorgaben könnten seines Erachtens indes auch im ersten Kapitel in Form allgemeiner Grundsätze dargelegt werden. Dadurch jedenfalls sollen die regelmäßigen Anpassungen des Kodex infolge gesetzlicher Änderungen entfallen.
Sofern diese Änderungen umgesetzt werden, wäre nach Einschätzung Nonnenmachers der Kodex in den nächsten fünf oder mehr Jahren nicht zu ändern. Als konkrete inhaltliche Diskussionspunkte sind bereits die Definition der „Unabhängigkeit des Aufsichtsrats“ und erneut die „Vergütung des Vorstands“ vorgeschlagen.
Ausblick
Die Reformvorschläge Nonnenmachers haben angesichts ihrer Tragweite eine kontrovers geführte Diskussion angestoßen. Diese muss für einen erfolgreichen Reformprozess, so sieht es auch die Kommission, in einem strukturierten und gründlichen Dialog mit den Vorständen, Aufsichtsräten und Investoren fortgeführt werden. Einen genauen Zeitplan hierfür hat Nonnenmacher noch nicht benannt. Die Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie im 2. Halbjahr 2019 soll aber zunächst abgewartet werden. In jedem Fall hat Nonnenmachers Amtsantritt begrüßenswerten Wind in die Debatte gebracht. Ihm ist mindestens bei der intendierten Bekämpfung der „Kleinteiligkeit“ und Wiedergabe des Gesetzes beizupflichten.
Dieser Beitrag erschien erstmals in: Going Public Magazin, „Special Kapitalmarktrecht 2018“