Die Jahreskonferenz des BVK fand im ehemaligen Telegraphenamt unweit des Gendarmenmarktes statt. Der Ort war passend gewählt, steht das Gebäude doch für eine frühere Phase disruptiver Entwicklungen durch das Aufkommen der Telekommunikation. In dieser Tradition nimmt diese Rolle heute die Digitalisierung ein. So war die große Mehrheit der Beiträge davon beeinflusst.
Digitalisierung
Mehrfach wurde die Bedeutung der weiteren Vervollständigung des europäischen Binnenmarktes betont, denn diese ist für die Skalierung digitaler Geschäftsmodelle unbedingt notwendig. Durch ihr Fehlen wird ein schnelles Wachstum behindert, was vor allem im Vergleich zu den USA einen erheblichen Nachteil darstellt.
Von zentraler Bedeutung ist aber auch der weitere Ausbau der Infrastrukturnetze. Dies gilt nicht nur für die kommende Generation der drahtlosen Übertragung (5G), sondern auch für die kabelgebundene Datenübertragung. Angesichts eines derzeit jährlich um 50-100 % (je nach Staat) wachsenden Datenvolumens und der auf absehbare Zeit noch begrenzten Kapazitäten drahtloser Übertragung, sind insbesondere Glasfaserkabel weiter enorm wichtig. Erforderlich sind also hohe Investitionen in entsprechende Infrastrukturen und Unternehmen.
Anerkannt wurde zudem, dass Digitalisierung in der Schule beginnen und dort zum tragenden Element der Bildung werden muss.
Investorenfreundliche Regulierungsumgebung
Die Teilnehmer waren einhellig der Auffassung, dass Deutschland bei Wagniskapitalfinanzierungen in Europa (hinter UK und Frankreich) und erst recht im Vergleich zu den USA und Asien hinterher hängt. Dies beruhe vor allem auf einem vergleichsweise viel zu geringen Investitionsvolumen im Bereich der „Later Stage- Finanzierungen“. Einerseits werden Investoren, die in der Lage sind, hohe zwei- oder dreistellige Millionenbeträge zu investieren, wie etwa Pensionsfonds, durch beschränkende regulatorischer Vorgaben daran gehindert. Andererseits gibt es nicht ausreichend große europäische Fonds mit Fokus auf diesen Bereich. Dies führt zu einem Kapitalmangel, der letztlich die Entwicklung europäischer Champions behindert.
Als weitere Einschränkung, die demgegenüber nicht auf Deutschland und Europa beschränkt ist, werden die Vorgaben durch die Rechnungslegungsvorschriften des IFRS 9 wahrgenommen. Dies soll z.B. dazu führen, dass Private-Equity-Beteiligungen bilanztechnisch wie Derivate zu buchen sind.
Der Praxis ist weiterhin bewusst, dass der Schutz persönlicher Daten ein hohes Gut ist. Allerdings wurde auch auf die Risiken einer überschießenden Tendenz des Gesetzgebers hingewiesen, die zu einer Regulierung führt, welche Geschäftsmodelle, die zum Beispiel auf Big Data setzen, in Europa stark behindert. Denn Investoren müssen sich darauf verlassen können, dass sich ihre Investitionen in solche Unternehmen oder Netzinfrastruktur rentieren. In Bezug auf den Umgang mit persönlichen Daten kommt es also hier auf die richtige Balance zwischen deren Schutz einerseits und den zulässigen Nutzungsmöglichkeiten andererseits an.
Als positives Beispiel für investorenfreundliche Regulierung wurde die Liberalisierung des Debt-Fonds-Bereiches wahrgenommen. Während noch vor wenigen Jahren allenfalls eine Handvoll Debt Fonds Fremdkapital zur Verfügung gestellt hat, hat sich deren Anzahl mittlerweile vervielfacht. Sie bilden nach Einschätzung der Branche (und zwar sowohl von Seiten der Debt Fonds wie auch von Seiten der Banken) keine unmittelbare Konkurrenz für Banken, sondern sind insbesondere bei größeren Finanzierungen von zunehmender Bedeutung für kapitalsuchende Unternehmen. Dabei sei auch Raum für Kooperationen unterschiedlichster Couleur zwischen Banken und Debt Fonds, denn nur Banken könnten flexible Betriebsmittelkreditlinien zur Verfügung stellen.
Digitalisierung – Suche nach den besten Köpfen
Neben der Bedeutung von Zukunftstechnologie als Investitionschancen und den Möglichkeiten für Exits und Wachstumsfinanzierungen in Europa stellt sich die Branche vor allem dem Personalproblem bei der Digitalisierung. Allgemein wird erkannt, dass es für das erfolgreiche Ankommen in einer digitalisierten Welt eines umfassenden Ansatzes bedarf und qualifiziertes Personal ein bedeutender Teil davon ist. Der notwendige Transformationsprozess muss von der Unternehmensführung ausgehen und von ihr getragen werden.
Wenn die Mitarbeiter zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen fehlen und sich das auch nicht durch eine interne Ausbildung ausgleichen lässt, kann es sinnvoll sein, spezialisierte Unternehmen zuzukaufen. Für Venture Capital- oder Private Equity- Unternehmen kann alternativ auch eine Koordinierung entsprechender Aktivitäten von Portfolio-Unternehmen zum gewünschten Ergebnis führen. Schließlich kann es sich für Unternehmen anbieten, Home-Office-Lösungen anzubieten oder sogar Außenstellen in den Schwarmstädten einzurichten, um dort verwurzelte neue Talente zu gewinnen.
Mut zur Kompetenz, Innovationsfreude und „Loslegen!“ sind hier Schlüssel zum Erfolg. Es ist nicht zu erwarten, dass die Akteure der Beteiligungskapitalbranche in nächster Zeit von künstlichen Intelligenzen oder Robotern ersetzt werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass zumindest diejenigen Marktteilnehmer, welche die „Digitalisierung“ nicht ernst nehmen, ersetzt werden. Und zwar von den Marktteilnehmern, die das tun.
Die vollständige Agenda des 19.BVK-Eigenkapitaltag finden Sie hier.