Ausgangslage – Quellen und Überblick
Welches sind die wichtigsten zu erörternden Unternehmensformen?
Unternehmen können als Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften organisiert sein. Während Personengesellschaften durch die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter gekennzeichnet sind, ist die Haftung von Kapitalgesellschaften auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
Dieses Kapitel befasst sich mit den beiden in Deutschland am weitesten verbreiteten Formen von Kapitalgesellschaften, der Aktiengesellschaft (AG) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die anderen Rechtsformen der Kapitalgesellschaften – die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) – sind in weiten Teilen mit der AG vergleichbar.
In diesem Kapitel werden insbesondere die Anforderungen an börsennotierte Gesellschaften hervorgehoben, da für sie die umfassendsten Corporate Governance-Regeln gelten.
Welches sind die wichtigsten gesetzlichen, regulatorischen und sonstigen Quellen zur Regelung der Corporate Governance-Praktiken?
Die wichtigsten Rechtsquellen, die die Unternehmensführungspraktiken regeln, sind das deutsche Aktiengesetz (AktG), die europäischen und deutschen Rechtsakte über die SE (insbesondere die europäische SE-VO und das deutsche SEAG), das Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG), das Handelsgesetzbuch (HGB) und für bestimmte Aspekte das Umwandlungsgesetz (UmwG) und die Mitbestimmungsgesetze (insbesondere das MitbestG und das DrittelbG).
Für börsennotierte Unternehmen stellt das Kapitalmarktrecht – insbesondere die europäische Marktmissbrauchsverordnung (MAR), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) – weitere Anforderungen. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) ist eine weitere unverbindliche Quelle von Corporate Governance-Regeln für börsennotierte Unternehmen nach dem Prinzip „comply or explain“.
Die Satzung des Unternehmens und die Geschäftsordnungen für Vorstand und Aufsichtsrat gestalten die Corporate Governance innerhalb des gesetzlichen Rahmens auf der Ebene des einzelnen Unternehmens aus.
Was sind die aktuellen Themen, Entwicklungen, Trends und Herausforderungen der Corporate Governance?
Virtuelle Hauptversammlungen: Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber ein befristetes COVID-19-Gesetz verabschiedet, das virtuelle Hauptversammlungen für AGs, SEs und KGaAs ermöglicht und Erleichterungen für GmbHs vorsieht, um Gesellschafterbeschlüsse schriftlich zu fassen. Im Jahr 2021 wurde das COVID-19-Gesetz geändert, um insbesondere die Rechte der Aktionäre im Hinblick auf ihr Fragerecht in einer virtuellen Hauptversammlung zu stärken. Obwohl diese Bestimmungen nur bis zum 31. Dezember 2021 gelten, könnten die Erfahrungen mit virtuellen Hauptversammlungen einen nachhaltigen Einfluss auf mögliche Gesetzesreformen und die Rechtspraxis in der Zukunft haben.
Gleichstellung der Geschlechter: Das kürzlich verabschiedete Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) entwickelt die gesetzlichen Bestimmungen zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in Führungspositionen – oft als „Frauenquote“ bezeichnet – weiter. Die prominenteste Änderung ist, dass bestimmte große börsennotierte Unternehmen verpflichtet werden, mindestens eine Frau in den Vorstand zu berufen. Außerdem wurden die Berichts- und Begründungspflichten für Zielquoten und mögliche Sanktionen bei Verstößen verschärft.
Integrität der Finanzmärkte: Der „Wirecard-Skandal“ hat Diskussionen über die Wirksamkeit von Kontrollmechanismen zur Verhinderung von Bilanzfälschungen ausgelöst. Als Reaktion darauf hat der Deutsche Bundestag kürzlich das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) verabschiedet, das vor allem für börsennotierte Unternehmen neue Corporate Governance-Standards in Bezug auf Abschlussprüfung und Finanzberichterstattung festlegt, z.B. die Einrichtung eines Prüfungsausschusses mit direkten Informationsrechten, die Bestellung von mindestens zwei Finanzexperten als Aufsichtsratsmitglieder, die Rotation des externen Abschlussprüfers und die Einrichtung interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme.
Vergütungspolitik: Mit der Umsetzung der EU-Aktionärsrechterichtlinie II in deutsches Recht sind bestimmte Anforderungen an börsennotierte Unternehmen hinsichtlich ihres Vergütungssystems für den Vorstand und den Aufsichtsrat im Jahr 2021 erstmals verpflichtend geworden (insbesondere „say on pay“).
Generell ist festzustellen, dass Fragen der Corporate Governance zunehmend Gegenstand von Gesetzesinitiativen und Harmonisierungsbestrebungen auf EU-Ebene sind.
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ICLG_Corporate Governance Laws and Regulations 2021_Chapter Germany
Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in: ICLG, Corporate Government Laws and Regulations 2021, S. 63-69, 26. August 2021