Welches sind die gängigsten Arten von Unternehmen und worin bestehen die wichtigsten strukturellen Unterschiede zwischen ihnen?
Unternehmen können als Kapitalgesellschaften, wie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaft (AG), die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder als Personengesellschaften organisiert sein. Kapitalgesellschaften in Form der AG, SE und GmbH sind am häufigsten und werden daher in den folgenden Antworten näher betrachtet. Da die SE in ihrer gebräuchlichsten Form wie eine AG behandelt wird, gehen wir nur bei Unterschieden gesondert auf die SE ein. Die wichtigsten strukturellen Unterschiede liegen in den Corporate-Governance-Strukturen und den entsprechenden Rechten der Aktionäre.
Während die AG und einige SEs dem zweistufigen System mit Vorstand, der die Gesellschaft leitet und vertritt, und Aufsichtsrat, der den Vorstand überwacht, folgen und die Hauptversammlung entsprechend eher eingeschränkte Rechte und Einfluss auf die Unternehmensführung hat, kann die SE alternativ ein einstufiges Corporate-Governance-System mit einem Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren und denselben eingeschränkten Rechten der Aktionäre aufweisen.
Solche SEs sind in Deutschland jedoch eher selten. Im Gegensatz dazu wird eine GmbH von Geschäftsführern geleitet und hat nur im Falle der sogenannten Mitbestimmung einen Aufsichtsrat. In der GmbH haben die Gesellschafter mehr Rechte, insbesondere das Recht, den Geschäftsführern durch Gesellschafterbeschluss Weisungen zu erteilen (abgesehen von ordentlichen oder außerordentlichen Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen, die schriftlich gefasst werden können).
Welches sind derzeit die wichtigsten aktuellen rechtlichen Fragen, Entwicklungen, Trends und Herausforderungen im Bereich der Corporate Governance in Deutschland?
Im Juni 2021 wurde das Lieferkettengesetz verabschiedet. Es dient der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Diese Prinzipien zielen darauf ab, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhindern, indem sie diese dazu verpflichten, die Menschenrechte in der gesamten globalen Lieferkette zu achten. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2023 (und in der Folge zum 1. Januar 2024) in Kraft treten.
Als Reaktion auf den „Wirecard-Skandal“ hat der Gesetzgeber das sogenannte Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FISG) verabschiedet. Dieses Gesetz verschärft die Sorgfaltspflicht des Vorstandes eines börsennotierten Unternehmens hinsichtlich der Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems. Darüber hinaus wurden die Pflichten und Anforderungen an den Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft verschärft, indem insbesondere die Einrichtung eines Prüfungsausschusses vorgeschrieben wurde.
Das sogenannte „COVID-Gesetz“ und seine Änderungen zu virtuellen Hauptversammlungen von AGs und SEs (Stärkung der Diskussions- und Antragsrechte der Aktionäre) sowie die Erleichterungen zur schriftlichen Beschlussfassung in GmbHs gelten noch bis Ende August 2022. Je nach dem weiteren Verlauf der Pandemie könnten die Regelungen verlängert werden.
Eine weitere aktuelle Entwicklung im Bereich der Corporate Governance ist das Zweite Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen – gemeinhin als „Frauenquote“ bekannt –, das die bereits 2015 mit dem sogenannten Ersten Gesetz für Führungspositionen geschaffenen gesetzlichen Regelungen weiterentwickelt.
Wer sind die Schlüsselpersonen, die an der Leitung der jeweiligen Unternehmensform beteiligt sind?
Im dualistischen System der AG und entsprechend in der dualistischen SE sind Schlüsselpersonen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. In der einstufigen SE sind dies die Mitglieder des Verwaltungsrats und die geschäftsführenden Direktoren. Letztere können gleichzeitig Mitglieder des Verwaltungsrats sein, es sei denn, ihre Gesamtzahl ist geringer als die Gesamtzahl der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder. In einer GmbH sind die Geschäftsführer und die Gesellschafter die Schlüsselpersonen. Ein Aufsichtsrat und seine Mitglieder werden nur im Falle der Mitbestimmung relevant.
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Legal500_Corporate Governance 2022_Chapter Germany
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: The Legal 500 Country Comparative Guide Corporate Governance 2022, Legalease Ltd.
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