Zum Auftakt der Veranstaltung gab Prof. Dr. Patrick Glauner (Technische Hochschule Deggendorf) einen branchenweiten Überblick über die Auswirkungen von KI auf die Weltwirtschaft. Die Tatsache, dass Fragen rund um den Einsatz von KI das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos beherrschten, zeige eindrucksvoll, dass sich führende Wirtschaftsnationen der transformatorischen Bedeutung der Technologie bewusst seien. Während China als „weltweiter Innovationsmotor“ die Entwicklungen maßgebend vorantreibe und auch die Vereinigten Staaten signifikante Investitionen im Bereich KI vornähmen, bestehe in der Europäischen Union eine Tendenz der Überregulierung, die bisweilen innovationshemmend wirke. Vor diesem Hintergrund werde auch die jüngst in Kraft getretene KI-Verordnung eine Vielzahl von Unternehmen vor regulatorische Herausforderungen stellen.
Dennoch sei die Integration von KI im eigenen Unternehmen unabdingbar, dürfe jedoch nicht als reiner Selbstzweck verstanden werden. So bedürfe es statt des ziellosen Einsatzes der Herausarbeitung von bestimmten KI Use Cases innerhalb einer ganzheitlichen KI-Strategie des Unternehmens. Schließlich sei auch in der Belegschaft ein grundlegendes Verständnis für die Materie erforderlich, um KI gewinnbringend in die interne Wertschöpfungskette zu integrieren oder gar für Kunden im Rahmen von entsprechenden Dienstleistungen nutzbar zu machen.
Große Herausforderung für den Rechtsmarkt
Daran anknüpfend konstatierten Dr. Hilke Herchen (CMS, Hamburg) und Dr. Markus Kaulartz (CMS, München) im Rahmen ihres Vortrages, dass der Einsatz von KI auch den Rechtsmarkt vor große Herausforderungen stellen werde. Insbesondere der Mangel an Know-How, die hohen Anforderungen an Qualität und Quantität von Daten für die Entwicklung tragfähiger KI-Lösungen sowie der hohe Finanzierungsbedarf sorgten dafür, dass Wirtschaftskanzleien in zunehmend Kooperationen mit KI-Unternehmen zur Entfaltung wechselseitiger Synergien eingingen. Zu nennen seien etwa die in Zusammenarbeit zwischen PwC Deutschland und Aleph Alpha entwickelte und derzeit auf Digital Operational Resilience Act (DORA)-Compliance ausgerichtete KI-Lösung „creance.ai“ sowie das aus der Feder von CMS und Xayn stammende juristische Sprachtool „Noxtua“. Stark vom Einzelfall abhängig sei hingegen die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Kooperation. Hier kämen – auch branchenweite – Joint Ventures, schuldrechtliche Kooperationsverträge, Lizenzierungen sowie das Outsourcing von Tätigkeiten an KI-Unternehmen in Betracht. Im Ergebnis werde die erhöhte Nachfrage nach KI-relevanten Zukäufen sowie die Gründung neuer Joint Ventures auch den M&A-Markt befeuern.
KI als disruptive Technologie
Bei der sich anschließenden Paneldiskussion nahmen neben Prof. Dr. Patrick Glauner (in der Moderation) und Dr. Markus Kaulartz sowohl Marc Geiger (Gleiss Lutz, Stuttgart) als auch Tobias Haar (Aleph Alpha, Heidelberg) auf dem Podium Platz. Letzterer verwies in der folgenden Debatte auf die Eigenschaft von KI als disruptive Technologie. Trotz der damit verbundenen Herausforderungen gehe es für den Juristen am Ende aber darum, die mit dem Einsatz von KI einhergehenden rechtlichen Fragestellungen in bekannte Kategorien – etwa das Wettbewerbsrecht oder das Gesellschaftsrecht – einzusortieren. In der KI-Verordnung sieht Tobias Haar die Fortsetzung eines Trends in den Bereichen Bürokratisierung und Regulierung. Aufgrund der Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Betreiber und Anbieter sähen sich in Zukunft viele Unternehmen mit den Folgen der KI-Verordnung konfrontiert.
Auch Marc Geiger betonte, dass der Einsatz von KI stetig an Relevanz zulege. Exemplarisch gab er einen Einblick in die bei Gleiss Lutz gesammelten Erfahrungen: Während KI in der Mandatsarbeit früher eine untergeordnete Rolle spielte, erfreue sich der Technologieeinsatz mit zunehmender weltweiter Bekanntheit einer immer größer werdenden Beliebtheit. Sinnbildlich hierfür sieht er den kanzleiinternen Andrang zur Teilnahme an einer Pilotgruppe für die Nutzung der juristischen Chatbot-Technologie Harvey AI. Die guten Erfahrungen mit der für Anwälte entwickelten generativen KI führten dazu, dass die Technologie nunmehr flächendeckend in der Kanzlei zur Anwendung gelangt. Hierfür sei freilich eine ausführliche Einweisung in die ordnungsgemäße Bedienung obligatorisch.
Dr. Markus Kaulartz wies schließlich auf die rasante Entwicklung von KI in den vergangenen Jahren hin. So verdoppele sich derzeit die Rechenleistung alle drei bis vier Monate; ein exponentielles Wachstum. Gerade vor dem Hintergrund, dass – im Unterschied zu anderen Branchen – den Juristen in der Vergangenheit nicht viele KI-Tools zur Verfügung gestanden hätten, sei nunmehr eine umso intensivere Beschäftigung jedes Einzelnen damit unabdingbar. Dabei solle im Rahmen der Mandantenbetreuung neben Chat-Bots auch simplere Tools zum Einsatz kommen, sodass bei der Integration von KI in den Arbeitsalltag keiner auf der Strecke bleibe. Jedenfalls werden die Mandanten dahingehend den Druck auf die Wirtschaftskanzleien erhöhen, dass sich die geschaffenen Möglichkeiten der Einbindung von KI auch in einer angepassten anwaltlichen Vergütung niederschlagen. 2025 sei in dieser Hinsicht ein wegweisendes Jahr.
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