Von den vielfältigen Irrungen und Wirrungen, die die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel hervorgerufen hat, ist nun zumindest eine Frage praktisch geklärt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 19.12.2018 (Rs. C-374/17, RS1291575) zum Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.05.2017 (II R 62/14, DB 2017 S. 1368) Stellung genommen und entschieden, dass es sich bei der Konzernklausel des § 6a GrEStG nicht um eine Beilhilfe i.S.v. Art. 107 AEUV handelt.
Ausgangslage
Nach der Steuervergünstigungsvorschrift des § 6a Satz 1 GrEStG sind bestimmte Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern steuerbefreit, vor allem Umwandlungsvorgänge i.S. des UmwG. Die Befreiung setzt voraus, dass ausschließlich Gesellschaften desselben Konzerns an einer Umstrukturierung beteiligt sind, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor und nach der Umwandlung durch eine mindestens 95%ige Beteiligung miteinander verbunden sind (§ 6a Satz 4 GrEStG).
Die Vorschrift hat seit ihrer Einführung im Jahr 2010 bereits vielfältige Auslegungsfragen aufgeworfen und bietet Anlass, den teils unspezifischen Wortlaut teleologisch zu reduzieren. Der BFH äußerte sich beispielsweise im Vorlagebeschluss vom 30.05.2017 (II R 62/14, DB 2017 S. 1368) kritisch gegenüber einer strikt wortlautgetreuen Einhaltung der Vor- und Nachbehaltensfrist als unabdingbare Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Der II. Senat scheint dabei der in der Literatur vielfach vertretenen Auffassung zu folgen, der Steuervorteil sei für solche begünstigten Umwandlungsvorgänge zu gewähren, bei denen die Frist gerade aufgrund der Umwandlung nicht eingehalten werden kann (beispielsweise da wegen der Verschmelzung der übertragene abhängige Rechtsträger erlischt).
Ungeachtet dieser und weiterer Auslegungsfragen, fristete die Vorschrift zuletzt in der (Beratungs-) Praxis jedoch ein Schattendasein. Hintergrund war die offene Frage, ob es sich bei der Konzernklausel um eine Beihilfe nach Art. 107 AEUV handelt, mit der Gefahr, dass die EU-Kommission die deutsche Finanzverwaltung in einem Rückforderungsbeschluss i.S.v. Art. 16 Abs. 1 VO (EU) 2015/1589 auffordert, aufgrund dieser Norm nicht festgesetzte Grunderwerbsteuer nachträglich festzusetzen. Es bestand das Risiko, dass Korrekturen über einen Zehnjahreszeitraum (Art. 17 Abs. 1 VO [EU] 2015/1589) möglich gewesen wären, wobei sich die Steuerpflichtigen möglicherweise nicht auf Vertrauensschutz hätten berufen können – wohl auch nicht bei Vorliegen einer verbindlichen Auskunft. Zudem hätte die EU-Kommission einen angemessen Zinssatz festlegen können (Art. 16 Abs. 2 VO [EU] 2015/1589).
Der Urteilsfall vor dem EuGH
Im Ausgangsverfahren hielt die A-Brauerei AG 100 % der Anteile an der T-GmbH, welche ihrerseits Eigentümerin mehrerer Grundstücke war. Im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme übertrug die T-GmbH ihr Vermögen als Ganzes auf die A-Brauerei. Für den steuerbaren Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) erkannte das Finanzamt die geltend gemachte Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht an. Der schließlich mit dem Fall befasste BFH setzte das Verfahren bis zur Vorabentscheidung des EuGH aus.
Der EuGH hatte im Kern zu klären, ob § 6a GrEStG zu Gunsten der Steuerpflichtigen das Tatbestandsmerkmal einer „selektive Maßnahme“ erfüllt und damit alle Voraussetzung einer Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUV vorliegen oder ob es sich um eine unschädliche „allgemeine Maßnahme“ handelt.
Die deutsche Vorschrift macht die Begünstigung davon abhängig, ob an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich Gesellschaften eines Konzerns beteiligt sind, die während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor und fünf Jahren nach diesem Vorgang durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind. Damit werden potenziell – im Hinblick auf Steuerbefreiungen bei Umwandlungen – Steuerpflichtige ungleich behandelt, die sich bezüglich des mit der Vorschrift verfolgen Ziels, nämlich der Besteuerung des zivilrechtlichen Eigentümerwechsels, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Obwohl diese Ungleichbehandlung zunächst für eine selektive Maßnahme spricht, berücksichtigt der EuGH die Intention des nationalen Gesetzgebers, einer übermäßigen Besteuerung entgegenzuwirken.
Nach § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG werde bei einer mindestens 95%igen Beteiligung die Übertragung des Grundstücks bereits in dem Zeitpunkt besteuert, zu dem das beherrschende Unternehmen mindestens 95 % der Anteile an der abhängigen Gesellschaft, die Eigentümerin des Grundstücks ist, erwirbt. Würde durch eine konzerninterne Umwandlung erneut Grunderwerbsteuer anfallen, käme es zu einer Doppelbesteuerung derselben Grundstücksübertragung. Eine Doppelbesteuerung sei hingegen für Fälle einer Beteiligung von weniger als 95 % ausgeschlossen, da der Erwerb der Beteiligung dann schon nicht unter § 1 Abs. 2a bzw. 3 GrEStG fällt. Daher sei eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Auch die Mindesthaltedauer sei gerechtfertigt, um Missbräuche zu verhindern. Bei § 6a GrEStG handele es sich mithin nicht um eine unzulässige Beihilfe.
Bedeutung für die Praxis
Das seit dem Vorlagebeschluss des BFH erwartete Urteil bringt nicht nur Rechtssicherheit für künftige Transaktionen, sondern auch die Gewissheit, dass bei bereits abgewickelten Umwandlungsvorgängen in Konzernen die Grunderwerbsteuerfreiheit zumindest nicht aus europarechtlichen Gründen nachträglich aberkannt wird.
Es ist davon auszugehen, dass der BFH in naher Zukunft eine Entscheidung zugunsten der A-Brauerei treffen wird. Auch andere bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzte Verfahren zu § 6a GrEStG wird der BFH nun wieder aufnehmen. Das betrifft insbesondere die Verfahren II R 50/13, II R 58/14, II R 63/14, II R 53/15 und II R 56/15, auf die man ein Auge behalten sollte.
Zu beobachten bleibt auch, ob und in welchem Umfang der deutsche Gesetzgeber nach dieser EuGH-Entscheidung bereits angestellte Reformüberlegungen zu § 6a GrEStG umsetzen wird.
Dieser Beitrag erschien erstmals in: Handelsblatt online, Steuerboard, 27. Dezember 2018