
Steuerpolitik, bemerkte Andreas Richter (Partner P+P Pöllath + Partners) in seiner Moderation, habe sich zu einem moralischen und ethischen Thema entwickelt. Gleichzeitig hätten sich die Vorbehalte gegenüber Finanzinvestoren seit Franz Münteferings berüchtigtem Heuschrecken-Vergleich inzwischen reduziert. So habe sich der Anteil an Familienunternehmern, die sich die Beteiligung eines Finanzinvestors vorstellen können, in fünf Jahren von 18 % auf aktuell 83 % erhöht, erläuterte P+P-Partner Michael Best in seinem Impulsreferat. Familienunternehmen seien beliebte Zielgesellschaften für Finanzinvestoren. Umgekehrt betätigten sich Familienunternehmer und Family Offices häufig auch selbst als Finanzinvestoren und investierten in Unternehmensbeteiligungen inklusive Private Equity und Venture Capital. Grund dafür sei womöglich die Affinität und Nähe zu unternehmerischen Investitionen. Steuerlich stehe dabei oftmals die Frage der Gewerblichkeit und der damit verbundenen „Infizierung“ anderer Investitionen im Vordergrund. Die oftmals exponierte Stellung von Familienunternehmern in der Öffentlichkeit erfordere jedoch insgesamt gesetzeskonforme Investitions- und Steuerstrukturen. So habe das Medienecho der Paradise Papers gezeigt, dass selbst legale Steuergestaltungen Reputationsrisiken bergen können.
Offenlegung von Steuerstrukturen
Im Zusammenhang mit Steuerstrukturen werde zunehmend die Frage diskutiert, ob und inwieweit diese offengelegt bzw. mit den Finanzbehörden abgestimmt werden sollten. Die OECD habe die Einführung einer Verpflichtung zur Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle empfohlen. Dieser Empfehlung sei die Europäische Union mit einem Richtlinien-Entwurf über eine Anzeigepflicht bei grenzüberschreitenden Gestaltungen gefolgt und auch der deutsche Gesetzgeber plane einen Gesetzesentwurf mit Anzeigenpflichten für nationale Steuergestaltungen. Diese Entwicklungen dürften erhebliche Auswirkungen auf die heutige Praxis der Steuerberatung und Steuergestaltung haben, so Best.
Steuergestaltung als Wettbewerbsfaktor
Sowohl Private Equity-Fonds als auch Familienunternehmen seien in erster Linie Wirtschaftssubjekte, die sich am Markt gegenüber der Konkurrenz behaupten müssten, eröffnete Stephan Viskorf (Partner P+P Pöllath + Partners) die anschließende Diskussion. Ein Wettbewerbsfaktor sei dabei die Steuerquote. Trotz einer gestiegenen Bedeutung von nachhaltigem Reputationsmanagement müssten Steuerberatung und -planung daher zulässig bleiben. In einem Spannungsfeld zwischen Legalität und Moral stelle sich die Frage der Abgrenzung zwischen „guter“ und „schlechter“ Steuergestaltung.

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Die Kernaussage der Paradise Papers könne man mit „nicht alles was legal ist, ist auch legitim“ zusammenfassen, so Thomas Eisgruber, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen. Um Recht müsse man streiten. Dies werde allerdings erschwert, wenn ein nicht greifbarer Moral-Kompass neben die eigentliche Rechtsordnung trete. Wichtig sei, dass Steuerpflichtige bzw. deren Berater und die Finanzverwaltung miteinander redeten. Der hinter den Anzeigepflichten stehende Transparenzgedanke komme ohnehin von außen, die Diskussion über deren Sinnhaftigkeit sei daher obsolet. Vielmehr gelte es nun, zukünftige Meldepflichten so zu gestalten, dass das bewährte System der Gesprächskultur nicht gestört werde.
Die Diskussion um Anzeigepflichten für Steuergestaltungen sorge bereits für Verunsicherung, ergänzte Best. So sei beispielsweise nicht klar, welche Vorgänge anzeigepflichtig sein sollen. Jeder EU-Mitgliedstaat habe außerdem seinen eigenen Beurteilungsstandard. Für die Steuerpflichtigen bestehe darin ein Risiko, zumal der EU-Richtlinien-Entwurf abschreckende Sanktionen bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht vorsehe.
Transparenzgedanke versus Verschwiegenheitspflicht
In seiner aktuellen Fassung stehe der EU-Richtlinien-Entwurf im Widerspruch zum deutschen Berufsgeheimnis der Steuerberater und deren Verschwiegenheitspflicht, gab Volker Kaiser, Vizepräsident der Bundessteuerberaterkammer, zu bedenken. Zudem sei der bürokratische Aufwand immens. Solange die Reichweite der Anzeigepflicht ungewiss sei, würden Steuerberater sämtliche Vorgänge melden, um keine Sanktionen zu riskieren. Bei der zu erwartenden Vielzahl an Meldungen werde die Finanzverwaltung schnell an ihre Grenzen stoßen.
Der Sinn einer Meldepflicht, so Eisgruber, bestehe darin, Steuermodelle erkennbar zu machen. Der Gesetzgeber könne dann entscheiden, ob er deren Existenz zulassen oder dagegen einschreiten möchte. Die Finanzverwaltung müsse sich dann nicht mehr im Nachhinein in Untersuchungsausschüssen dafür rechtfertigen, missbräuchliche Vorgehensweisen nicht erkannt zu haben, so wie es im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Fällen der Fall gewesen sei.
Es gehe der Finanzverwaltung gerade nicht um bereits bekannte, sondern um neue Modelle, stellte Best fest. Die Sorge vor einer weitreichenden und undefinierten Meldepflicht sowie vor überschießenden Regelungen zum Nachteil der Steuerpflichtigen sei daher nicht unbegründet. Dabei sei es wesentlich zielführender, so Kaiser, wenn der Steuerpflichtige, wie bisher, einen unklaren Sachverhalt schildere und eine verbindliche Auskunft erhalte. Trotz der teils mehrmonatigen Bearbeitungsdauer habe man mit verbindlichen Auskünften in der Praxis überwiegend positive Erfahrungen gemacht, bestätigte Viskorf abschließend.