Uneinigkeit in der Rechtsprechung nach ersten Entscheidungen
Seit ihrer Einführung wurde an allen Grundsteuermodellen verfassungsrechtliche Kritik geübt, welche in der Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegriffen wurde. Sowohl das in Bayern angewendete reine Flächenmodell (FG Nürnberg, Beschluss vom 08.08.2023 – 8 V 300/23) als auch das in Baden-Württemberg vorherrschende modifizierte Bodenwertmodell (FG Baden-Württemberg, Urteile vom 11.06.2024 – 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23) ließen nach ersten Entscheidungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken erkennen.
Überraschend ausführlich hatte sich das FG Rheinland-Pfalz in zwei Entscheidungen mit dem Bundesmodell auseinandergesetzt (FG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 23.11.2023 – 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23). Es kam zu dem Schluss, dass erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität des Bundesmodells vorliegen (a.A. z.B. FG Sachsen, Urteile vom 01.10.2024 – 2 K 737/23, 2 K 211/23 und 2 K 212/23). Diese beruhten insbesondere auf der mangelnden Vollständigkeit der notwendigen Datengrundlage für die Ermittlung der Bodenrichtwerte und auf einer nicht realitäts- und relationsgerechten Bewertung. Die oftmals für die Rechtfertigung hervorgehobene Vereinfachung und Pauschalierung führe letztlich zu den Kernbereich der Wertermittlung betreffenden Wertverzerrungen. Der BFH beschränkte sich in seinen Anschlussentscheidungen (BFH, Beschlüsse vom 27.05.2024 – II B 78/23 und II B 79/23) auf Ausführungen zum einfachen Recht und griff etwaige verfassungsrechtliche Zweifel nicht weiter auf.
Auch das FG Düsseldorf (FG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2024 – 11 V 533/24 BG) ließ die verfassungsrechtlichen Zweifel mangels Relevanz für die Entscheidung im konkreten Fall dahinstehen.
FG Köln zur Verfassungskonformität des Bundesmodells
Das Finanzgericht Köln weist mit seiner Entscheidung vom 19.09.2024 (4 K 2189/23) eine Klage in einem Verfahren zur neuen Grundsteuerbewertung ab.
Gegenstand des Verfahrens war die Bewertung einer Immobilie für die neue Grundsteuer in NRW. Die Klage richtet sich gegen einen Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes auf den 01.01.2022 nach dem Bundesmodell. Die neue Bewertung war notwendig geworden, da das BVerfG mit Urteil vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12) die bisher geltende Bewertung für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hatte und der Gesetzgeber aufgefordert wurde, ein neues Bewertungsverfahren zu schaffen.
Die Grundsteuer richtet sich im Bundesmodell unter anderem nach den Bodenrichtwerten. Die Kläger sind Miteigentümer einer Eigentumswohnung. Der Berechnung des Grundsteuerwertes wurde u.a. ein Bodenrichtwert von 2.280 €/m² zugrunde gelegt. Die Kläger halten die Bewertung nach dem Bundesmodell für verfassungswidrig. Der Grundsteuermessbetrag habe sich wesentlich erhöht. Zudem sei ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gegeben, denn bei einer unweit entfernt liegenden weiteren Eigentumswohnung der Kläger sei ein deutlich niedrigerer Bodenrichtwert von 530 €/m² angesetzt worden.
Nach Ansicht des FG Köln ist das Bewertungsrecht zur Grundsteuer nach dem Bundesmodell verfassungsgemäß. Da der streitgegenständliche Grundsteuerwertbescheid entsprechend der eingereichten Erklärung ergangen ist, hatte das FG Köln lediglich zu den verfassungsrechtlichen Argumenten Stellung zu beziehen.
Dem Bund stand nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG i.d.F. vom 15.11.2019 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu. Diese umfasst auch die Zuständigkeit für die Regelung der Bemessungsgrundlage und der Bewertungsvorschriften. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) vom 15.11.2019 (BGBl I 2019 S. 1546) mit Wirkung zum 21.11.2019 und damit vor Inkrafttreten des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019 S. 1794) eingeführt. Eine gleichzeitige Berufung auf die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG ist unschädlich.
Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
Dem Grundsteuer-Bundesmodell stehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen und dieses verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
In der Gesetzesbegründung ist als Belastungsgrund der Grundsteuer die durch das Innehaben von Grundbesitz vermittelte (objektive) Leistungsfähigkeit genannt, die als Sollertragsteuer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgt. Anders als noch im Referentenentwurf sei der Belastungsgrund daher eindeutig erkennbar.
Eine folgerichtige Besteuerung muss sich auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als maßgeblichem Bewertungsziel orientieren, erfordert jedoch keine exakte und individuelle Verkehrswertbestimmung jeder Bewertungseinheit. Dem BVerfG folgend hat der Gesetzgeber in Masseverfahren einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Die damit zwangsläufig verbundenen Ungenauigkeiten und Bewertungsabweichungen allein führen jedoch noch nicht zu einem Gleichheitsverstoß. Eine vollständige Realisierung der Einzelfallgerechtigkeit wäre praktisch nicht möglich. Insoweit verlangt der Gleichheitssatz auch eine zur effektiven Verwaltung nötige Praktikabilität von Gesetzen.
Zu den Bewertungsverzerrungen der vorhergehenden Einheitsbewertung führte nicht eine zu typisierende Wertermittlung, sondern der Umstand, dass die erforderlichen Wertfortschreibungen (Aktualisierungen) unterblieben sind. Das aktuelle Bundesmodell hält mit der Normierung des vereinfachten Ertragswertverfahrens und des Sachwertverfahrens als Auffangverfahren den ihm zugewiesenen Gestaltungsspielraum ein. Die Bewertungsvorschriften sind darauf gerichtet, die Grundsteuererhebung künftig automationsgerecht durchzuführen und Verfahrenslasten auch auf Seiten der Steuerpflichtigen zu verringern. Hierzu ist eine in gewissem Umfang ent-individualisierte und am Verkehrswert orientierte Bewertung unumgänglich. Indem die Gebäudekomponente nicht auf die tatsächlichen Mieten abstellt, wird eine Gleichbehandlung von selbstgenutzten und vermieteten Immobilien sichergestellt. Das Abstellen auf die tatsächlich gezahlten Mieten würde selbst zu Bewertungsverzerrungen führen, erheblichen Verifizierungsaufwand auslösen und eine künftige automationsgerechte Fortschreibung verhindern. Die Maßgeblichkeit der Bodenrichtwerte und die eingeschränkte Berücksichtigung objektspezifischer Besonderheiten für die Bodenkomponente stellt eine angemessene Vereinfachung dar. Die Heranziehung von Bodenrichtwerten hat sich insbesondere in den Bereichen der Erbschaft-/Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer für die Grundstücksbewertung in der Praxis bewährt. Sollten im Einzelfall Defizite bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte durch den örtlichen Gutachterausschuss vorliegen, kann dies die Verfassungsmäßigkeit der grundsteuerlichen Bewertungsvorschriften im Allgemeinen nicht in Frage stellen.
Dem Steuerpflichtigen ist es auch nicht verwehrt, bei einer drohenden Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Der BFH hat diese Möglichkeit im Wege einer verfassungskonformen Auslegung abgeleitet und bestätigt (BFH, Beschlüsse vom 27.05.2024 – II B 78/23 und II B 79/23).
Auch der allgemeine Vorwurf, die Grundsteuer als Sollertragsteuer weise zu viele Überschneidungen mit der Einkommensteuer und der (abgeschafften) Vermögensteuer auf, verfängt vor einem verfassungsrechtlichen Hintergrund ebenfalls nicht. Die Grundsteuer war auch bislang als Sollertragsteuer ausgestaltet, was vom BVerfG im Jahr 2018 nicht beanstandet wurde. Die Entscheidung über Systematik und Struktur der Grundsteuer obliegt dem Gesetzgeber und das BVerfG hatte insoweit lediglich eine „Reparatur“ der bisherigen Regelungen angestoßen.
Ausblick
Die Grundsteuerreform steht nun kurz vor ihrem Abschluss. Für die Steuerpflichtigen wird es unweigerlich zu Belastungsverschiebungen kommen. Schon jetzt ist absehbar, dass die Reform der Grundsteuer die Kommunen dazu zwingt, ihre Hebesätze anzupassen, da durch sie eine rechtmäßige Verteilung der Steuerlast und gerade keine Erhöhung der Einnahmen für die Kommune erreicht werden soll (Aufkommensneutralität). Mittlerweile haben viele Bundesländer eigene Transparenzregister im Internet veröffentlicht. In diesen Registern sind diejenigen Hebesätze ausgewiesen, die die einzelne Kommune voraussichtlich festsetzen müsste, um ihr Grundsteueraufkommen für das Jahr 2025 (erstmalige Erhebung nach reformiertem Recht) im Vergleich zum Jahr 2024 „neutral“ zu halten. Derartige Register schaffen Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger und bieten den Kommunen Unterstützung bei der Entscheidung über ihre neuen Hebesätze, ohne die Hebesatzautonomie der Kommunen zu beeinträchtigen. Andere Landesregierungen wie zuletzt Sachsen-Anhalt wollen Fehlentwicklungen bei der Festlegung der Hebesätze per Gesetz verhindern. Das Landesparlament in Sachsen-Anhalt hat daher am 23.10.2024 ein Gesetz zur optionalen Festsetzung differenzierter Hebesätze beschlossen. Die Kommunen sollen dadurch die unterschiedlich starken Belastungen der Wohn- und Nichtwohngrundstücke ausgleichen können, um eine aufkommensneutrale Steuererhebung zu gewährleisten. Ob die Aufkommensneutralität der Grundsteuer in der Breite tatsächlich erreicht wird, bleibt jedoch noch abzuwarten.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 13. November 2024