Zum fünften Mal lud die P+P Training GmbH zum Frankfurter Insolvenz- und M&A-Forum ein. Trotz parallel stattfindender IAA erschienen am 20.09.2017 rund 220 Teilnehmer im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens zu der ganztägigen Veranstaltung.
Wie es sich bereits in der Tagesordnung widerspiegelt, setzte sich das Publikum aus einer bunten Mischung von M&A- und Sanierungsberatern, Rechtsanwälten, Bankern, Insolvenzverwaltern und weiterem Fachpublikum zusammen.
Nach der Begrüßung durch RA Tobias Jäger (P+P Pöllath + Partners), der das Forum zum ersten Mal verantwortete, eröffnete Alexander Graf Lambsdorff (FDP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments) das Vortragsprogramm als Keynote Speaker mit seinen Ausführungen zum Thema »Der Brexit – Chancen und Risiken der Restrukturierung Europas«. Er führte an, dass die öffentliche Wahrnehmung der EU als Übel und ein mangelndes Verständnis ihrer Vorteile vor allem in Großbritannien zur Gründung von antieuropäischen Parteien der Couleur UKIP führten und nun bei Vollzug des Brexits der Verlust des Warenzugangs zu 38 Freihandelszonen drohe sowie aufgrund der Ursprungsregel im Export von EU-Handelsware ca. 30 % der britischen Exporte bedroht seien. Wenn Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt erhalten möchte, hätten im Umkehrschluss jedoch alle Handelspartner präferierten Zugang zu Großbritannien ohne zusätzliche Zölle. Ziel der Brexit-Verhandlung aus Sicht des UK könne es damit nur sein, einen wirtschaftlichen Schaden zu minimieren. Die EU habe in den Verhandlungen hingegen das Schicksal der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien sowie der eine Million Briten in den übrigen EU-Staaten als oberste Priorität. Im Finanzsektor seien schon heute als Konsequenz des drohenden Brexits 8000 Jobs von London nach Frankfurt verlagert worden. Hier rechnet Graf Lambsdorff mit einem Multiplikatoreffekt von zwei bis neun auf andere Branchen wie z. B. Dienstleistungen.
Der folgende Block aus Vortrag und Podiumsdiskussion fokussierte das Schwerpunktthema und begann mit einer Ausführung von RA Dr. Christian Gerloff (Gerloff Liebler Rechtsanwälte) zum Thema »Der Mode entkommt man nicht – Besonderheiten bei der Restrukturierung im Fashion- und Retailbereich«, in der er die Herausforderungen der deutschen Modeindustrie illustrierte. Fehlende Flexibilität, Wachstum außerhalb der Kernkompetenzen und in Untermarken, eine zu geringe Digitalisierung vor allem im Hinblick auf die Nutzung der Kundendaten und das Fehlen einer kritischen Größe von ca. 60 Mio. Euro Umsatz ließen die heimischen Unternehmen vor allem im Wettbewerb mit vertikalen Anbietern, die Herstellung und Handel kombinieren, als auch mit Onlineshops ins Hintertreffen geraten. Weiterhin führte er an, dass diese Krise durch die Herausgabe von Mittelstandsanleihen durch etablierte Unternehmen der Modebranche seit 2007 nur verzögert wahrgenommen wurde.
Am Beispiel der in den Einzelhandel drängenden Online-Retailer erläuterte Gerloff den Druck auf die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells des klassischen Einzelhandels. Einen Aufbau eines Onlineshops für einen Multilabel-Store empfahl er ausdrücklich nicht, da so die Vorteile eines physischen Stores im Hinblick auf Regionalität, Standort und Beratung aufgegeben würden und ein reiner Fokus auf den Preis stattfinde. An diese Einleitung schloss sich die erste Paneldiskussion unter der Moderation von Gerloff und Jäger zum Thema »Die Fashion- und Retailbranche – viel Stoff für die Restrukturierung und Insolvenz« an, in der sich Vertreter von M&A-Beratern (Frank Günther, One Square Advisors GmbH, und Joern Herseth, Falkensteg GmbH) und eines Unternehmers (Andreas E. Mach, Rudolf Wöhrl SE) über die aktuellen Entwicklungen austauschten. In der lebhaften Diskussion bestand Einigkeit, dass erfolgreiche Marken meist bedingt durch die vorhandene Kreativität in ersten Generation oder durch ein Fremdmanagement geführt würden, hohe Kapitalkosten für bestehende Finanzierungen zu weiteren Unternehmenskrisen führten und eine reine Markenhülle ohne entsprechende Umsätze wahrscheinlich keine Zukunft haben werde.
Steuerliche Verantwortung im Antragsverfahren
Der zweite Vortrag widmete sich dem Thema »Fortführungsfinanzierung und steuerliche Folgen: Case Study zur Modebranche – one size fits all?« durch RA Dr. Hubert Ampferl (Dr. Beck & Partner). Banken als Sicherungsnehmer von Warenbeständen rät Ampferl dringend, sich der eigenen steuerlichen Verantwortung im Antragsverfahren klar zu werden und durch entsprechende Absprache mit dem eigenen Finanzamt die Behandlung der Sachverhalte abzuklären. Der Berater hingegen müsse sich einzelfallbezogen Klarheit darüber verschaffen, wie sich die Insolvenzantragstellung auf den Finanzierungskreislauf des Unternehmens auswirke. Die entsprechenden steuerlichen Folgen seien in der Unternehmensplanung für das vorläufige Verfahren abzubilden. Ampferl empfahl, bereits im Vorfeld der Insolvenzantragstellung entsprechende Vereinbarungen mit den Banken oder verbindliche Auskünfte beim Finanzamt vorzubereiten, um unmittelbar nach Antragstellung handlungsfähig zu sein.
Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der regulatorischen Rahmenbedingungen zu Sanierungen sowie eines Marktüberblicks über das Distressed-M&A-Geschehen und wurde eingeleitet durch einen Vortrag von Dr. Sebastian Käpplinger (P+P Pöllath + Partners) mit dem Titel »Leicht übersehen – regulatorische Beschränkungen bei der Sanierungsfinanzierung«. Käpplinger machte darauf aufmerksam, dass bei der Sanierungsfinanzierung zahlreiche regulatorische Aspekte und Beschränkungen zu beachten seien, vor allem im Bereich von Darlehensfinanzierungen für Unternehmen. Darlehensfinanzierungen können unter Umständen als Kreditgeschäfte unter dem KWG zu qualifizieren sein, was in Folge eine erlaubnispflichtige Tätigkeit begründen würde. Neben Darlehensfinanzierungen gelte Entsprechendes auch für andere Instrumente, die Verbindlichkeiten des Portfoliounternehmens sichern sollen (z. B. Lieferantenverbindlichkeiten, Mietverbindlichkeiten etc.). Bei diesen müsse darauf geactet werden, dass sie nicht als Garantiegeschäft unter dem KWG zu qualifizieren sind.
Darauf folgte das Kurzreferat »Distressed M&A Monitor« von Dr. Andreas Fröhlich (perspektiv GmbH), in welchem er über die aktuellen Trends und Kennzahlen der vergangenen Jahre berichtete. Die Datenbank »InO Results« fasst sämtliche seit März 2012 veröffentlichten Verfahren mit über 20 Mio. Euro Umsatz und über 100 Mitarbeitern zusammen. Fröhlich führte an, dass, während die Gesamtanzahl der Insolvenzen stark rückläufig sei, die Anzahl der Verfahren mit einem Umsatz > 100 Mio. Euro seit 2016 ansteige. Seine Auswertungen belegen, dass die Quote der Anschlussinsolvenzen bei Eigenverwaltungen oder Planverfahren höher ist als bei Fremdverwaltungen oder übertragender Sanierung. Es zeigt sich außerdem, dass externe Investoren, die mehrheitlich aus dem Inland stammen und eine strategische Motivation haben, Übertragungslösungen bevorzugen.
Anschließend hielt Prof. Dr. Marc Desens (Universität Leipzig) einen Vortrag zum Thema »Der kodifizierte Sanierungserlass – wie geht es weiter in Deutschland und Europa?«, in dem er den Sanierungserlass und seine Auswirkungen umfänglich diskutierte. In der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen Prof. Dr. Desens, Dr. Hardy Fischer (P+P Pöllath + Partners) und Dr. Thomas Schäfer (Hessischer Minister der Finanzen) vertrat dieser die These, dass keine Subvention im eigentlichen Subventionssinne vorliege, wenn der Staat auf Steuereinnahmen verzichtet, sofern der Markt ein Unternehmen für sanierungsfähig hält. Zum Abschluss führten Joern Trierweiler (VTR Service GmbH) und Dr. Alexander Veith (Allen & Overy LLP) sehr anschaulich durch ihre Erfahrungen im Rahmen einer Transaktion von Betonwerken in Libyen mit multinationalen Stakeholdern, nüchtern zusammengefasst als »Case Study: Verwertung von Assets in Krisengebieten«. Beide Referenten berichten von ihrer Zusammenarbeit in einem österreichischen Familienunternehmen, das in eine Krise geraten war und zur Vermeidung einer Insolvenz aufgespalten und teilweise in eine außerinsolvenzliche Verwertungsstruktur überführt wurde. Wesentliche Assets lagen im Bürgerkriegsland Libyen, sodass die Basis für die Vertragsunterzeichnung letztendlich ein aktuelles Foto der Assets war. Eine Absicherung in Form einer Garantie und eine treuhänderische Wahrnehmung der österreichischen Interessen durch Trierweiler führten, so die Referenten, zu einer bis heute erfolgreichen Zusammenarbeit aller Parteien.
Bilder vom 5. Frankfurter Insolvenz- und M&A-Forum finden Sie hier.