Die Insolvenz eines Unternehmens ist oftmals auch eine gute Investmentgelegenheit. Die Chancen für den Zuschlag und auch der Einstiegspreis werden entscheidend davon beeinflusst, wie man sich zuvor strategisch positioniert. Ohne strategische Sonderposition steht der Investor im Wettbewerb mit anderen Interessenten.
Sonderposition durch Forderungskauf
Durch den Erwerb einer Forderung von einem Gläubiger gegen die insolvente Gesellschaft kann Einfluss auf das Insolvenzverfahren genommen werden. Die Forderung stellt eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO dar und ist durch die prognostizierte Quotenerwartung entwertet. Der Investor übernimmt mit der Forderung die Gläubigerposition im Verfahren und ist somit berechtigt, an allen Gläubigerversammlungen (GV) gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO und den GV-Abstimmungen teilzunehmen. Da Beschlüsse der GV nach § 76 Abs. 2 InsO mit der Summenmehrheit der Forderungen der abstimmenden Gläubiger gefasst werden, ist je nach Höhe der erworbenen Forderung u. U. ein entscheidender Einfluss auf die Abstimmungsergebnisse möglich. Zudem ist bei entsprechender Struktur und Höhe der Forderung auch ein Sitz im Gläubigerausschuss (GA) denkbar, der mit weiteren Informations- und Mitwirkungsrechten verbunden ist.
Gleichwohl sind der Verfolgung eigener Interessen Grenzen gesetzt. Beschlüsse der GV können gemäß § 78 InsO aufgehoben werden, wenn sie dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger – der Gläubigerbefriedigung – widersprechen. Außerdem ist man bei persönlicher Betroffenheit von der Abstimmung in den GV und im GA ausgeschlossen, beispielsweise beim Verkauf des Unternehmens an sich oder an ein verbundenes Unternehmen.
Sonderposition durch Bindung von Schlüsselpartnern
Die Bindung von zentralen Vertragspartnern der Insolvenzschuldnerin, wie dem Vermieter einer betriebsnotwendigen Immobilie oder einem zentralen Leasinggeber, kann eine weitere Möglichkeit sein, sich eine Sonderposition zu verschaffen. Denn bei einem Asset Deal ist der Insolvenzverwalter auf die Zustimmung des Vertragspartners angewiesen, um das zur Betriebsfortführung notwendige Vertragsverhältnis auf den Erwerber überzuleiten. Die Durchsetzung der Sonderinteressen kann alle Lösungsansätze blockieren. Spätestens dann, wenn die Blockade zu wirtschaftlichen Schäden bei dem Vertragspartner führt oder solche drohen, sind derartige Allianzen jedoch nicht sehr belastbar.
Sonderposition durch Sicherungsrechte
Schließlich bietet die Übernahme von Sicherungsrechten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Darlehen oder anderen Forderungen im Vorfeld einer Insolvenz die Möglichkeit, sich eine Sonderposition zu verschaffen. Sicherungsrechte gewähren in der Insolvenz Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) oder Absonderungsrechte (§§ 49 ff. InsO). Ein Aussonderungsrecht führt zu einem Herausgabeanspruch, während ein Absonderungsrecht zu einem Befriedigungsrecht an dem Sicherungsgut führt, wobei das Verwertungsrecht in den meisten Fällen beim Insolvenzverwalter liegt. Zudem sind bei der Absonderung die Kostenbeiträge gemäß § 171 InsO (i. d. R. 9 %) zugunsten der Insolvenzmasse zu berücksichtigen.
Besonders interessant wird der Forderungserwerb mit Sicherungsrechten in einer Konzernstruktur, bei der Tochtergesellschaften für das Darlehen der Konzernmutter Sicherungsrechte gewähren. Eine Sonderstellung wird insbesondere durch Sicherungsrechte wie Globalzession und Sicherungsübereignung von Warenlagern oder Anlagegütern begründet. Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 165 f. InsO gilt nur für die Insolvenzschuldnerin selbst, sodass er auf die Sicherungsrechte in den Töchtern keinen Zugriff hat. Er ist somit nicht in der Lage, diese Töchter lastenfrei zugunsten der Insolvenzmasse zu verwerten, und der Investor kann die vollständige Übertragung der Geschäftsanteile auf sich gegen eine Massebeteiligung mit dem Insolvenzverwalter vereinbaren, ohne dass ein M&A-Prozess stattgefunden haben muss.
Nachteilig ist hierbei, dass die Übernahme ohne vertiefte Due- Diligence-Prüfung erfolgt. Für einen Investor ist der Forderungserwerb mit Sicherungsrechten daher nur sinnvoll, wenn er sich durch besondere Kenntnisse in der Lage sieht, im Worst Case die Sicherungsrechte selbst besser zu verwerten, und diese daher höher bewertet als der ursprüngliche Darlehensgeber. Sollten nach Forderungserwerb und vor einem Vollerwerb der Anteile unbekannte Risiken auftreten, z. B. wegen einer steuerlichen Organschaft, so kann sich der Investor immer noch dafür entscheiden, die Verwertung dem Insolvenzverwalter zu überlassen und daraus Befriedigung zu erhalten.
Des Weiteren ist zu beachten, dass die Kredit- und Sicherungsverträge typischerweise eine Limitation-Language-Klausel enthalten. Diese beschränkt die Verwertbarkeit der Sicherheiten bei den Tochtergesellschaften dadurch, dass die Tochtergesellschaften gemäß § 30 GmbHG im Rahmen der Kapitalerhaltung nichts an die Muttergesellschaft herausgeben dürfen, was das Stammkapital angreifen würde.
Häufig sind auch die Geschäftsanteile an den Töchtern verpfändet, was dem Pfandrechtsgläubiger ein Absonderungsrecht gewährt. Die herrschende Meinung lehnt für dieses besitzlose Pfandrecht ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters ab, der Gläubiger muss die Geschäftsanteile also selbst verwerten. Die Verwertung ist zeitaufwendig und in Deutschland bisher nur selten gelungen, denn sie muss durch öffentliche Versteigerung gemäß § 1235 BGB erfolgen. Ein freihändiger Verkauf ist nach § 1221 BGB nur bei einem Markt- oder Börsenwert möglich.