Mittelständler tun sich in ihren traditionellen Strukturen schwer damit, die digitale Transformation nur mit ihren eigenen Ressourcen zu gestalten. Corporate Venture Capital ist hier eine Möglichkeit, um sich durch Eigenkapitalbeteiligungen an Start-ups früh und gezielt Zugang zu relevanten Ideen, Technologien und Köpfen zu verschaffen, um seine eigene strategische Neuausrichtung zu forcieren. Die Bedrohung des bisherigen Geschäfts kann sich so zu einer Chance wandeln, weiterhin zu den Branchenbesten zu zählen und seine Märkte international zu sichern.
Investitionen mit Venture Capital waren in Deutschland nach der Jahrtausendwende zunächst ein Thema für einschlägige Fonds und Private Equity-Gesellschaften, oft angelsächsischer Prägung. Seit geraumer Zeit aber nehmen nicht nur Konzerne, sondern auch große Familienunternehmen bewusst Geld in die Hand und stellen heute rund 20% des Volumens an verfügbarem Venture Capital dar, so dass mittlerweile von einer tragenden Finanzierungssäule, und zwar nicht nur für deutsche Start-ups, zu sprechen ist.
Die Motive von Unternehmen, Kapital in Start-ups zu stecken, sind vielfältig, wobei monetäre Interessen, also die Aussicht auf einen lukrativen Exit durch Weiterverkauf der Beteiligungen, kaum im Vordergrund stehen. Die gestandenen Unternehmen suchen Zugang zu innovativen Konzepten und Technologien, zu neuen Märkten und neuen Kanälen im Vertrieb. Insofern dienen die Investments dazu, eigene Entwicklungskosten zu sparen.
Zudem wertet die Beteiligung an einem vielversprechenden Start-up das Image auf, indem man in modernen Gründergeist sowie in Ideen von morgen investiert. Ein weiterer oft angestrebter Effekt ist, dass solche Engagements vitalisierend auf die eigenen internen Entscheidungsstrukturen wirken können und sollen. Nicht selten findet auch ein (zeitlich begrenzter) Austausch von Mitarbeitern statt, von dem man sich neue Impulse für die Firmenkultur sowie auf die Innovationsbereitschaft seiner Belegschaften erhofft. In der Praxis sind sich die beiden Welten jedoch fremd.
Rechtliche Konstruktionen
Klassisches Corporate Venture Capital zielt immer auf eine Eigenkapitalbeteiligung an einem Start-up ab. Mit anderen Worten: Reife Unternehmen finanzieren die Entwicklung junger Unternehmen und erhalten dafür Geschäftsanteile oder Aktien, so dass sie je nach Rechtsform Gesellschafter oder Aktionäre sind. Prinzipiell könnten Unternehmen solche Beteiligungen selbst eingehen, doch die Direktinvestition ist aus Haftungs- und steuerlichen Gründen selten. In der Regel wird eine Tochtergesellschaft errichtet, die das Investment hält. Hier haben sich im deutschen Markt mehrere Gestaltungen etabliert, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Daher hängt die individuelle Entscheidung vom Einzelfall ab.
Im Fokus der Strukturierung sollten stets die Ziele stehen, die Unternehmen langfristig mit ihren Investitionen verfolgen. Die Struktur sollte daher vor allem zukunftsfähig sein, da jede spätere Umstellung schwierig bzw. teilweise auch nicht ohne (steuerliche) Nachteile machbar ist und hohen Aufwand bedeutet.
Das körperschaftliche Grundmodell
Die Grundstruktur eines körperschaftlich verfassten Corporate VC-Modells besteht aus dem operativ tätigen Mutterunternehmen („Industrie AG“), das Eigentümerin einer Tochter-GmbH („Corporate VC GmbH“) ist, die in die Portfoliounternehmen investiert. Letztere leiten dann die Veräußerungsgewinne, Dividenden und/oder Zinsen an die Corporate VC GmbH und durch diese an die Industrie AG weiter. Der Vorteil dieser Struktur besteht in der Haftungsabschirmung. Zudem bleibt das Portfoliounternehmen eine Ebene weiter von der Industrie AG entfernt, sollte es doch einmal unerwartete negative Schlagzeilen geben. Der Nachteil besteht darin, dass mit der Corporate VC GmbH eine zweite Besteuerungsebene geschaffen wird.
Organschaftsmodell
In der Praxis mindestens ebenso häufig ist das Organschaftsmodell, in dem die Industrie AG und die Corporate VC GmbH eine Ergebnisabführung vereinbaren, so dass sie ertragsteuerlich eine Organschaft bilden, was den zweiten Besteuerungstatbestand vermeidet. Nachteil des Modells ist, dass die Industrie AG und die Corporate VC GmbH durch den Ergebnisabführungsvertrag haftungsrechtlich eine Einheit bilden, so dass keine Haftungsabschirmung besteht. Dieses Haftungsrisiko mag allerdings zu vernachlässigen sein, so lange sich die Corporate VC GmbH auf Eigenkapitalfinanzierungen in Start-ups beschränkt.
Einfache Personengesellschaft
Um den Vorteil der Haftungsabschirmung zu erhalten und den Nachteil der zweiten Besteuerungsebene zu vermeiden, lässt sich eine von der Industrie AG voll kontrollierte Corporate VC GmbH & Co. KG errichten, die sich an den Portfoliounternehmen beteiligt. Sie ist als Personengesellschaft für Körperschaftsteuerzwecke transparent, so dass auf ihrer Ebene keine Besteuerung erfolgt. Nachteil dieser Lösung ist nur die etwas höhere Komplexität durch die zusätzliche Komplementär-GmbH.
Die Quasi-Fonds-Struktur
Eine Quasi-Fonds-Struktur kann errichtet werden, wenn man das Management zur Incentivierung an der Corporate VC GmbH & Co. KG beteiligen will. Die Beteiligung des Managements erfolgt dann typischerweise sowohl durch die Einbringung eigenen Kapitals (Team Commitment) als auch durch eine Erfolgsbeteiligung (Carried Interest). Zu diesen Zwecken ist es empfehlenswert, mindestens noch eine weitere Personengesellschaft in Form einer Team Pool GmbH & Co. KG und/oder einer Carry GmbH & Co. KG einzurichten.
Vorteil dieser Konstruktion ist, dass eine starke Incentivierung des Managements erreicht werden kann und im Zuge des Team Commitments auch eine gewisse Risikokontrolle eingeführt wird. Zudem kann ein echter Carried Interest mit privilegierter Besteuerung ausgezahlt werden. Nachteil ist vor allem die höhere Komplexität, die unter Umständen bis hin zu einer aufsichtsrechtlichen Regulierung als alternativer Investmentfonds gemäß dem Kapitalanlagegesetzbuch reicht.
Ausblick
Corporate Venture Capital ist heute eine vollkommen etablierte Möglichkeit für Traditionsunternehmen, um sich durch die gezielte Investition von Kapital außerhalb der eigenen Ressourcen und Strukturen Zugriff auf zukunftsträchtige Ideen, Technologien und Personen zu sichern und/oder, um gewinnträchtig zu investieren. Dabei geht es oft um die Weiterentwicklung führender Branchenpositionen.
Indessen ist der Wettbewerb um die „heißesten“ Start-ups längst entbrannt und wird eben nicht nur von den internationalen Großkonzernen geführt. Mittlerweile finden sich regelmäßig auch mittelständische Unternehmen im Gesellschafterkreis namhaft gewordener Start-ups, in die sie in der Regel in der Expansionsphase investiert haben, also schon nach dem ersten Proof of Concept.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: UnternehmerMagazin 1/2-2020, S. 34/35