
Der Nießbrauch ist ein bewährtes Mittel in der Beratung von Nachfolgekonstellationen. Gerade im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge an Familiengesellschaften handelt es sich um ein insbesondere aus steuerlicher Sicht vielseitiges Instrument. Die Reduzierung der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung sowie die Möglichkeit der weiteren Versorgung der übertragenden Generation sind nur zwei der häufigen Anwendungsgründe. Während sich die steuerliche Behandlung des Nießbrauchs an Beteiligungen an gewerblich tätigen Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) in der Literatur einer regen Diskussion erfreut, ist es um den Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen vermögensverwaltender Personengesellschaften eher still. Deshalb soll vorliegend das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.11.2022 (IX R 4/20) zum Anlass genommen werden, einen kurzen Überblick über Nießbrauchsrechte in Bezug auf vermögensverwaltende Personengesellschaften zu geben. Dabei sollen insbesondere ausgewählte Aspekte der ertragsteuerlichen und erbschaftsteuerlichen Implikationen dargestellt werden.
Zivilrechtliche Grundlagen
Der Nießbrauch vermittelt dem Nießbrauchsberechtigten das dingliche Recht, umfassende Nutzungen aus dem belasteten Vermögensgegenstand zu ziehen (§§ 1030, 1036 BGB). Gegenstand des Nießbrauchs können neben beweglichen und unbeweglichen Sachen auch Rechte (§§ 1068 ff. BGB), Forderungen (§§ 1074 ff. BGB) oder ein Vermögen insgesamt (§ 1085 BGB) sein. Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil einer (vermögensverwaltenden) Personengesellschaft stellt den Fall eines Nießbrauchs an einem Recht (§ 1068 BGB) dar. Die Bestellung richtet sich in diesem Fall nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§ 1069 Abs. 1 BGB). War zeitweise in der Literatur umstritten, ob die Bestellung eines Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil einer Personengesellschaft überhaupt möglich ist oder dies vielmehr einen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (§§ 717, 719 BGB) darstellt, ist die Zulässigkeit heute allgemein anerkannt. Ein Verbot gegen das Abspaltungsverbot liegt insbesondere deswegen nicht vor, weil der Nießbrauch auf dem Anteil als Ganzem lastet.
Der Nießbrauch wird im Regelfall entweder auf die Lebenszeit des Nießbrauchers oder einen bestimmten Zeitraum bestellt und erlischt folglich mit dem Tod des Nießbrauchers bzw. mit Zeitablauf. Vorab kann der Nießbrauch auch durch einseitige Erklärung des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer oder dem Nießbrauchbesteller beendet werden (§§ 1072, 1064 BGB).
Zurechnung der Einkünfte beim Nießbrauch am Gesellschaftsanteil vermögensverwaltender Personengesellschaften
Die Bestellung eines Nießbrauchs an der Gesellschaftsbeteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft kann die einkommensteuerliche Zurechnung der betreffenden Einkünfte beeinflussen. Zurechnungssubjekt kann zum einen der Gesellschafter oder zum anderen der Nießbraucher sein. Dem Grundsatz nach werden bei der vermögensverwaltenden Personengesellschaft die durch die Gesellschaft erzielten Überschusseinkünfte denjenigen Beteiligten zugerechnet, die im Rahmen der Gesamthand den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklichen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Im Normalfall handelt es sich dabei um die Gesellschafter. Eine Zurechnung der Einkünfte beim Nießbraucher kommt nur dann in Betracht, wenn ihm kraft seines Nießbrauchs eine Stellung eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht. Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass dem Nießbraucher umfassende Stimm- und Verwaltungsrechte, z.B. durch die individualvertragliche Abrede mit dem Besteller, übertragen werden und der Nießbraucher grundsätzlich in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken.
Zuletzt musste sich der BFH der bis dahin ungeklärten Frage widmen, inwieweit dieser Grundsatz auch für den Quotennießbrauch an Gesellschaftsanteilen vermögensverwaltender Personengesellschaften gilt. Mit Urteil vom 15.11.2022 (IX R 4/20) hat der IX. Senat entschieden, dass der Quotennießbrauch entsprechend dem Vollnießbrauch zu behandeln sei. Auch beim Quotennießbrauch komme eine Zurechnung der Einkünfte beim Nießbraucher nur dann in Betracht, wenn dessen Stellung im Wesentlichen der eines Gesellschafters entspreche. Das sei dann der Fall, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter Entscheidungen, inklusive solcher Entscheidungen, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen könne. Dafür reiche schon aus, wenn der Quotennießbraucher den Gesellschafter im Innenverhältnis zur Nichtabgabe der Stimme bzw. zur Enthaltung zwingen könne.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei einem regulären (Ertrags-)Nießbrauch die Einkünfte ertragsteuerlich nach wie vor dem Gesellschafter zuzurechnen sind und nur in eher unüblichen Sonderkonstellationen eine Zurechnung beim Nießbraucher erfolgt. Gleichwohl ist die Behandlung durch die Finanzverwaltung uneinheitlich, so dass eine Zurechnung beim Nießbraucher teilweise auch dann vorgenommen wird, wenn keine besondere Rechtsstellung des Nießbrauchers gegeben ist. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich stets die Verwendung einer individualvertraglichen Steuerklausel, um einer unerwarteten Zurechnung bei der „falschen“ Person geregelt begegnen zu können.
Nießbrauch an vermögensverwaltenden Personengesellschaften im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer
Im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist der Nießbrauch als Abzugsposten vom Wert der zugewendeten Gesellschaftsbeteiligung zu berücksichtigen, wodurch der steuerpflichtige Wert des Erwerbs mitunter erheblich reduziert werden kann. Dabei spielt insbesondere der Vorbehaltsnießbrauch eine entscheidende Rolle, der vom Schenker als ursprünglicher Inhaber des Stammrechts bei der Schenkung an einen Dritten vorbehalten bzw. zurückbehalten wird.
Dabei steht im Mittelpunkt stets die Frage der Bewertung des abzugsfähigen Kapitalwerts des Nießbrauchs. Der maßgebliche Kapitalwert des Nießbrauchs errechnet sich aus der Multiplikation des Jahreswerts mit dem jeweils anzuwendenden Vervielfältiger (§§ 13 ff. BewG). Bei Nießbrauchsrechten, die für eine bestimmte Zeit vereinbart werden, ergibt sich der Vervielfältiger aus Anlage 9a zum BewG. Bei dem häufigeren Fall der Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchs ist auf die jährlich vom BMF veröffentlichten Sterbetafeln zurückzugreifen. Für die Bestimmung des Jahreswerts ist beim Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft eine auf die Vergangenheit gerichtete Zukunftsprognose vorzunehmen (§ 15 Abs. 3 BewG), wobei stets eine Deckelung des Jahreswerts bei einem Bruchteil von 1/18,6 des zugrundeliegenden Vermögenswerts erfolgt (§ 16 BewG).
Vor dem Hintergrund der Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), wonach die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft den Gesellschaftern anteilig zugerechnet werden, stellt sich bei einem Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen vermögensverwaltender Personengesellschaften die Frage, ob die Nießbrauchsbewertung individualisiert in Bezug auf jedes einzelne Wirtschaftsgut oder eine Gesamtbetrachtung der Beteiligung erfolgen muss. Bisher ist diese Frage noch nicht abschließend geklärt. An einer einschlägigen Rechtsprechung oder Verlautbarungen der Finanzverwaltung fehlt es jedenfalls.
Im Zusammenhang mit dem Nießbrauch an Mitunternehmerschaften wird der Gesellschaftsanteil dagegen unstreitig als Ganzes begriffen und bewertet. Ähnlich verhält es sich beim Nießbrauch an Sachgesamtheiten, wie insbesondere einer Erbschaft. Auch hier ist in der Regel von einer Gesamtbetrachtung der zugehörigen Wirtschaftsgüter auszugehen. Dabei sind zur Feststellung des Jahreswerts des Nießbrauchs von den Einnahmen der ertragsbringenden Vermögensgegenstände grundsätzlich die Aufwendungen auf die ertragslosen Vermögensgegenstände abzuziehen, soweit diese Aufwendungen bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung aus den Erträgen der ertragsbringenden Vermögensgegenstände zu tragen sind.
Diese Grundsätze sind zwar nicht direkt auf den Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft übertragbar, jedoch handelt es sich in beiden Fällen um Gesamthandsgemeinschaften i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO und es bestehen keine durchgreifenden Argumente, die gegen eine Gleichbehandlung sprechen würden. Im Ergebnis ist deshalb m.E. von einem Gleichlauf ausgehen, so dass der Jahreswert des Nießbrauchs in Bezug auf die Gesellschaftsbeteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als Ganzen zu ermitteln ist. Für die Deckelung des Jahreswert nach § 16 BewG sind entsprechend alle Assets der vermögensverwaltenden Personengesellschaft zusammenzurechnen.
Ausblick: Auswirkungen auf die Praxis
Wenngleich weder Rechtsprechung noch Literatur umfangreiche Hinweise zur Handhabung des Nießbrauchs in Bezug auf vermögensverwaltende Personengesellschaften geben, lassen sich Fragen in der Praxis vielfach mit Rückgriff auf allgemeine Grundsätze lösen. Dabei verbleibt bei manchen Detailfragen zwangsläufig ein Restrisiko einer abweichenden Auffassung der Finanzverwaltung oder der Gerichte, so dass für rechtssichere Nachfolgeplanungen mehr höchstrichterliche Entscheidungen in diesem Zusammenhang wünschenswert wären. Unabhängig davon wird der Nießbrauch aufgrund seiner klaren Vorteile ein vielgenutztes Instrument der Nachfolgeplanung bleiben.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Der Betrieb, Steuerboard, 19. April 2023