Das Wichtigste in Kürze
§ 7 Abs. 8 ErbStG fingiert seit dem Jahr 2011 eine Schenkung des an die Kapitalgesellschaft Leistenden an die an der Kapitalgesellschaft unmittelbar und mittelbar beteiligte natürliche Person bzw. Personen, deren Anteile an der Gesellschaft durch die Leistung im Wert steigen.
Das Finanzgericht Münster hat nun entschieden, dass der Steuertatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG als Korrektiv seines überschießenden Gesetzeswortlauts ein subjektives Merkmal i.S. eines Bewusstseins der (Teil )Unentgeltlichkeit der Leistung an die Kapitalgesellschaft erfordert.
Praktische Bedeutung
Mangels Eingrenzung des Wortlauts von § 7 Abs. 8 ErbStG kommt grds. jede Form einer Leistung an eine Kapitalgesellschaft als schenkungsteuerbare Zuwendung an die Mitgesellschafter in Betracht. Die Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG gilt unterschiedslos für sämtliche Kapitalgesellschaften und alle gesellschaftsrechtlichen Einlagevorgänge auch unter fremden Dritten. Es gibt daher eine Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen (z.B. Start-up-Gründungen, Joint-Ventures, M&A-Transaktionen mit Rückbeteiligung, Managementbeteiligungen usw.), die dem Steuertatbestand von § 7 Abs. 8 ErbStG unterliegen können. Die Besteuerungsergebnisse sind häufig abenteuerlich.
Beispiel
Investor A ist Steuerausländer und leistet eine disquotale Einlage in die deutsche X- GmbH, an der er beteiligt ist. Weitere Investoren der X-GmbH sind zwei weitere Steuerausländer sowie fünf Steuerinländer, die keine Einlage leisten. Ergebnis nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 8 ErbStG: Die fünf in Deutschland ansässigen Investoren müssen die aus der disquotalen Einlage von A resultierende „Werterhöhung“ in ihren Anteilen als Schenkung von A versteuern. Für die zwei im Ausland ansässigen weiteren Investoren ergeben sich keine schenkungsteuerlichen Folgen. Darüber hinaus haftet der im Ausland ansässige A als „Zuwendender“ ebenfalls für die Schenkungsteuer der fünf in Deutschland ansässigen Investoren.
Investments in deutsche Kapitalgesellschaften sind daher insbesondere für ausländische Geldgeber durch die Schaffung von § 7 Abs. 8 ErbStG unattraktiver geworden. Seit Jahren herrscht in der Praxis große Unsicherheit, ob eine geplante Transaktion zusätzlich zu den jeweiligen ertragsteuerlichen Folgen möglicherweise auch noch Schenkungsteuer bei einzelnen Beteiligten auslösen könnte.
Der deutliche Richterspruch des Finanzgericht Münster ist vor dem Hintergrund der bislang herrschenden Rechtsunsicherheit bei vielen gesellschaftsrechtlichen Alltagsvorgängen sehr erfreulich. Das Urteil lässt an Klarheit weder in seiner Begründung noch im Ergebnis zu wünschen übrig.
Sachverhalt des Urteils des FG Münster (vereinfacht)
Der Kläger und sein Bruder waren Gesellschafter der A-GmbH. Aufgrund von schwerwiegenden Differenzen zwischen den Brüdern wollte der Bruder des Klägers aus der A-GmbH ausscheiden und schloss im eigenen Namen sowie als vertretungsberechtigter Geschäftsführer der A-GmbH einen Kauf- und Abtretungsvertrag mit der A-GmbH, demzufolge er seine Anteile an der A-GmbH an die A-GmbH verkaufte. Der Kaufpreis für die Anteile der A-GmbH wurde in dem Kauf- und Abtretungsvertrag festgelegt. Erst fünf Jahre nach dem Vertragsschluss erfolgte die dingliche Abtretung der Anteile des Bruders des Klägers an die A-GmbH als Erwerberin.
Das zuständige Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest, die auf Grundlage der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem vereinfachten Ertragswert der übertragenen Anteile gem. §§ 199 ff. BewG ermittelt wurde. Der vom Finanzamt angesetzte vereinfachte Ertragswert der übertragenen Anteile betrug ca. 7,5 Mio. Euro mehr als der im Kauf- und Abtretungsvertrag festgelegte Kaufpreis, weshalb der Vorgang nach Ansicht des Finanzamts als gemischte Schenkung gem. § 7 Abs. 8 ErbStG zu besteuern war.
Der Kläger legte gegen die Festsetzung der Schenkungsteuer Einspruch mit der Begründung ein, dass zwischen zerstrittenen Geschwistern kein Schenkungswille vorliege. Ein solcher subjektiver Bereicherungswille des Schenkers sei aber für eine Besteuerung notwendig. Das zuständige Finanzamt half dem Einspruch nicht ab, da es bei § 7 Abs. 8 ErbStG nicht auf einen Schenkungswillen des Zuwendenden ankomme. I.Ü. verwies das Finanzamt darauf, dass schon allein aufgrund der großen Wertdifferenz zwischen Kaufpreis und vereinfachtem Ertragswert der Anteile von einem Willen zur (Teil-)Unentgeltlichkeit auszugehen sei.
Daraufhin erhob der Kläger Klage auf Aufhebung der Festsetzung der Schenkungsteuer.
Entscheidung des FG Münster
Das FG Münster gab der Klage statt. Die Anteilsübertragung des Bruders des Klägers an die GmbH verwirkliche keinen Schenkungsteuertatbestand. Insbesondere seien die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 ErbStG nicht erfüllt.
Die Auslegung des Gesetzes ergebe, dass ein subjektives Merkmal i. S. eines Bewusstseins der Unentgeltlichkeit der Leistung erforderlich ist. Hierfür sprechen nach Ansicht des FG neben der Verwendung der Begriffe „Zuwendender“ und „Bedachter“ auch die Gesetzessystematik sowie der Zweck der Vorschrift. Der Zuwendende könne ohne ein tatbestandseinschränkendes subjektives Element jederzeit für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden, was bei extensiver Auslegung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG einer schenkungsteuerlichen „Gefährdungshaftung“ für jede Transaktion mit einer Kapitalgesellschaft gleichkäme. Auch der gesetzlichen Anzeigepflicht einer Schenkung könne nur derjenige überhaupt nachkommen, der zumindest ein Bewusstsein dafür besitzt, dass Leistung und Gegenleistung unausgeglichen sind. Durch die Formulierung „als Schenkung gilt“ bringe der Gesetzgeber zwar zum Ausdruck, dass es sich bei dem Steuertatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG um eine gesetzliche Schenkungsfiktion handelt. Die Vorschrift des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert nach Ansicht des FG Münster allerdings ausschließlich die unmittelbare Leistung an den Bedachten. Damit trete jedoch keine vollständige Fiktion aller Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein, sodass die „Leistung“ aufseiten des Zuwendenden in dem Bewusstsein erbracht werden muss, dadurch den Wert des Geschäftsanteils des mittelbar Begünstigten zu erhöhen, ohne dafür von diesem einen äquivalenten Ausgleich zu erhalten.
Im Übrigen wollte der Gesetzgeber im Jahr 2011 mit der Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine Missbrauchsvermeidungsnorm schaffen, die nur Fälle erfasst, in denen der Zuwendende mit seiner Leistung an die Kapitalgesellschaft auf die Bereicherung des Gesellschafters hinter der Kapitalgesellschaft abzielt. Dies setze zwangsläufig die Kenntnis des einlegenden Gesellschafters von der (Teil )Unentgeltlichkeit seiner Einlage voraus.
Das Finanzgericht Münster stellte darüber hinaus fest, dass allein das Vorliegen einer (ggf. großen) Diskrepanz zwischen den Leistungen beider Seiten für das subjektive Merkmal gerade nicht ausreicht. Der notwendige Wille zur Unentgeltlichkeit liege erst dann vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit seiner Leistung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung erbringt.
Auswirkungen
Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster Revision eingelegt. Trotz der ausstehenden höchstrichterlichen Klärung ist das Urteil aber für die Praxis sehr bedeutsam. Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster gibt als Fortsetzung der Rechtsprechung des Finanzgerichts Sachsen (Urteil vom 06.05.2021) einen weiteren, bemerkenswert klaren Anhaltspunkt dafür, dass der Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG als Korrektiv unabhängig von einer etwaigen objektiven Diskrepanz zwischen den Leistungen ein subjektives Tatbestandselement verlangt.
Es ist daher ratsam, alle gesellschaftsrechtlichen Einlagevorgänge genaustens zu dokumentieren. Sämtliche auf Grundlage von § 7 Abs. 8 ErbStG ergangenen Festsetzungen von Schenkungsteuer sollten bis zur höchstrichterlichen Klärung offengehalten werden.
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