
Am 5. Oktober 2015 hat die OECD die Ergebnisse des sogenannten BEPS-Projekts veröffentlicht. Bei diesem Projekt handelt es sich um ein international abgestimmtes Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen. Auf der Grundlage eines Aktionsplans mit 15 Maßnahmen hat die OECD konkrete und umsetzbare Empfehlungen erarbeitet.
Für Private-Equity-Strukturen ist dabei insbesondere die Maßnahme 7, die eine Anpassung des Betriebsstättenbegriffs vorsieht, von Bedeutung. Sowohl für ausländische Private-Equity-Fonds als auch für ausländische Akquisitionsgesellschaften ist darauf zu achten, dass keine inländische (gewerbliche) Betriebsstätte entsteht. Die von der OECD vorgeschlagenen Änderungen könnten hier zu einer Verschärfung der Rechtslage führen.
Ein Staat darf Erträge aus unternehmerischen Aktivitäten ausländischer Steuerpflichtiger nur besteuern, wenn sich das wirtschaftliche Engagement in diesem Staat so verfestigt hat, dass eine Betriebsstätte in diesem Staat besteht.
Üblicherweise unterstützen inländische Beraterteams die im Ausland ansässigen Fondsgesellschaften bei Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen. Hier stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen diese Unterstützung zu einer inländischen Betriebsstätte als Vertreter des ausländischen Fonds führen kann. Nach dem Vorschlag der OECD soll eine Vertreterbetriebsstätte schon dann begründet werden, wenn eine Person, die nicht unabhängiger Vertreter ist, Verträge abschließt oder essentielle Elemente der Verträge verhandelt hat, die das vertretene Unternehmen binden, sodass der Vertretene ohne wesentliche Änderungen sich auf die vom Vertreter ausgehandelten Bedingungen einlässt.
Abhängigkeit entsteht dabei bereits (schon) dann, wenn der im Inland Handelnde ausschließlich oder fast ausschließlich für ein Unternehmen tätig wird, mit dem er eng verbunden ist (dem er nahesteht). Verbundenheit soll bei beherrschendem Einfluss (auch eines gemeinsamen Dritten) oder bei unmittelbarer oder mittelbarer 50 %-Beteiligung vorliegen. Ausschließlich oder fast ausschließlich tätig sein soll, wer mehr als 90 % seiner Gesamtumsätze für das vertretene Unternehmen erbringt.
Das Zusammenspiel von „Aushandeln von Verträgen“ und „abhängiger Vertreter“ könnte das Risiko der Betriebsstättenbegründung erhöhen. Verhandelt beispielsweise ein deutsches Beraterteam Verträge „unterschriftsreif“ und wird dieses Team „ausschließlich“ gegenüber einem nahestehenden Fonds tätig, könnte der Berater als abhängiger Vertreter zu qualifizieren sein und insoweit eine Vertreterbetriebsstätte für das vertretene Unternehmen (den Fonds) begründen. Noch mehr als früher wird also darauf zu achten sein, dass der inländische Berater die Verhandlungen nur im Rahmen der Anweisungen des Fonds führt und dieser laufend in die Vertragsverhandlungen einbezogen wird.
Die von der OECD vorgeschlagenen Verschärfungen sind nur eine Handlungsempfehlung und haben keinen rechtsverbindlichen Charakter. Auch die Europäische Kommission hat in ihrer Anti-BEPS-Richtlinie keine konkreten Vorgaben zum Betriebsstättenbegriff aufgenommen.
Dementsprechend finden sich im ersten Entwurf des deutschen Gesetzgebers zur Übernahme von BEPS-Maßnahmen noch keine Änderungen zum Betriebsstättenbegriff. Zumindest mittelfristig muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es hier zu Änderungen kommen wird.
Gewinnzurechnung zur Betriebsstätte
Erhöht sich aufgrund der genannten Verschärfung des Betriebsstättenbegriffs das Risiko zur Begründung einer Betriebsstätte, ist eine zentrale Folgefrage die der Gewinnzurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.
Hierzu haben sich in den letzten Jahren erhebliche Änderungen ergeben. Ausgangspunkt war dabei der sogenannte Authorised OECD Approach (AOA) der OECD, ein Ergebnis der Betriebsstättenberichte aus den Jahren 2008 und 2010, wonach eine Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung als selbstständiges und rechtlich unabhängiges Unternehmen behandelt wird.
Die Umsetzung des AOA erfolgte auf Abkommensebene stufenweise durch Änderung der OECD-Musterkommentierung (2008 und 2010) sowie von Art. 7 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens (2010). National wurde der von der OECD postulierte AOA mit dem Amtshilferichtlinie- Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 in § 1 Abs. 5 AStG übernommen.
Erste Stufe der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist danach die Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse in Bezug auf die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte. Auf dieser Grundlage gilt es festzustellen, welche Personalfunktionen und – davon ausgehend – welche Vermögenswerte, Chancen und Risiken, welches Eigenkapital und welche Geschäftsbeziehungen der Betriebsstätte zuzuordnen sind. In einem zweiten Schritt sind die zum übrigen Unternehmen unterhaltenen anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zu identifizieren und Verrechnungspreise auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes für diese zu ermitteln.
Einzelheiten der Anwendung des AOA wurden durch die sogenannte Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) geregelt. Mit der Veröffentlichung des Entwurfs der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa-E) vom 18. März 2016 hat die Finanzverwaltung nunmehr ihre Auslegung der Grundsätze zur Gewinnabgrenzung veröffentlicht. Auf 152 Seiten und in 464 Textziffern nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Stellung zur Anwendung der gesetzlichen Neuregelung des § 1 AStG – insbesondere zu auslegungsbedürftigen Einzelfallregelungen der BsGaV.
Höchst problematisch erscheint dabei insbesondere die Interpretation der Finanzverwaltung hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches von § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG, d. h. hinsichtlich der Frage, wann bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Vorrang haben. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen die Regelungen des DBA stets zurücktreten, wenn es sich bei dem anderen Staat um einen OECD-Staat handelt, unabhängig davon, ob dort die Grundsätze des AOA umgesetzt worden sind. Nicht nur, dass dies dem Gesetzeswortlaut kaum zu entnehmen ist, dieses Vorgehen wird notgedrungen auch zu einer Vielzahl von Situationen mit Doppelbesteuerung führen, die dann nur noch im Wege von (aussichtslosen) Verständigungsverfahren gelöst werden könnten. Hier kann man nur an die Vernunft der Finanzverwaltung appellieren.
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die neu eingeführten Grundsätze zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten einen enormen administrativen Aufwand mit sich bringen. Bereits mittelständische Unternehmen werden hier überfordert sein, und mühsame kleinteilige Diskussionen mit den Finanzbehörden sind vorprogrammiert.
Zuordnung von Unternehmensbeteiligungen zu einer Betriebsstätte
Liegt eine inländische (gewerbliche Betriebsstätte) vor, so dürfte dies für Private-Equity-Strukturen erst dann kritisch sein, wenn dieser Betriebsstätte auch Unternehmensbeteiligungen zuordbar sind, deren Erträge (Dividenden und Veräußerungsgewinne) im Inland steuerpflichtig werden könnten.
Für diese Zuordnung von Beteiligungen stellt die finanzgerichtliche Rechtsprechung bislang auf die „tatsächliche Zugehörigkeit“ der Beteiligung zur Betriebsstätte ab. Begründet wird dieser Ansatz damit, dass nur Erträge aus Wirtschaftsgütern, die von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Ergebnis beigetragen haben, die Zuweisung des Besteuerungsrechts rechtfertigen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt jene „tatsächliche Zugehörigkeit“ dabei voraus, dass die Beteiligung und die Betriebsstätte in einem funktionalen Zusammenhang stehen bzw. die Beteiligung wirtschaftlich mit der Tätigkeit der Betriebsstätte verbunden ist. Ein derartiger funktionaler Zusammenhang zwischen Beteiligung und Betriebsstättentätigkeit sei insbesondere dann gegeben, wenn die Beteiligungserträge vom Unternehmen genutzt werden und zu dessen Ergebnis beigetragen haben. Zudem reichen bloße Hilfstätigkeiten einer Betriebsstätte nicht aus, um ihr Beteiligungen funktional zuzuordnen.
Die Finanzverwaltung vertrat vor Einführung des AOA die Auffassung, dass Beteiligungen grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen sind. Die Zuordnung zur Betriebsstätte sei nur möglich, wenn die Beteiligung einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit diene (sog. Zentralfunktion des Stammhauses).
Der Ansatz der OECD hinsichtlich der Zuordnung von Beteiligungen richtet sich dagegen grundsätzlich nach dem sogenannten „wirtschaftlichen Eigentum“ (Economic Ownership). Beteiligungen sollen demjenigen Unternehmensteil zugerechnet werden, der die Chancen und Risiken aus der Beteiligung trägt.
Nach Umsetzung des AOA in innerstaatliches Recht ist somit für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte nach § 1 Abs. 5 AStG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV zunächst die von der Betriebsstätte ausgeübte Personalfunktion (welche Tätigkeit wird durch Personal in der Betriebsstätte ausgeübt?) maßgebend. Im Speziellen richtet sich die Zuordnung von Beteiligungen dann nach § 7 BsGaV. Danach ist das entscheidende Zuordnungskriterium die Nutzung der Beteiligung durch die Betriebsstätte. Da die eigentliche Nutzung im Sinne eines unmittelbaren Gebrauchs einer Beteiligung in der Regel nicht feststeht, ergibt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV die Nutzung aus einem funktionalen Zusammenhang der Beteiligung zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte. Was dabei unter einem funktionalen Zusammenhang genau zu verstehen ist, definiert die BsGaV nicht. Allerdings wird mehrfach betont, dass eine reine Verwaltung einer Beteiligung kein hinreichendes Zuordnungskriterium ist.
In Private-Equity-Strukturen stehen nach dem Erwerb aber gerade das Halten und das Verwalten der Beteiligung im Vordergrund. Selbst wenn also eine inländische (gewerbliche) Betriebsstätte vorliegt, stellt sich die Frage, ob dieser die Beteiligung zugeordnet werden kann. Unseres Erachtens könnte man dies, wenn überhaupt, nur dann in Betracht ziehen, wenn man davon ausgeht, dass die Betriebsstätte einen aktiven Wertpapierhandel betreibt. Dies sollte in der Regel nicht der Fall sein.