Durch die derzeit starke Position von Verkäufern von Unternehmen am Markt wird der Haftungshöchstbetrag (CAP) im Rahmen der Garantien und Freistellungen immer häufiger deutlich reduziert. Oftmals muss der Käufer sogar einen CAP von lediglich 1 Euro hinnehmen. Dies führt für diesen in der Praxis zu einem hohen Risiko, was vermehrt durch den Abschluss sogenannter Warranty & Indemnity Versicherungen (W&I-Versicherungen) kompensiert wird.
Im Rahmen des Munich Private Equity Trainings 2019 (MUPET 2019) in München hatte Gerald Hermann von P+P Pöllath und Partners die Möglichkeit, mit dem Broker Dr. Philipp Giessen von der Marsh GmbH und Gunnar Harlacher vom Versicherungsunternehmen AIG über diese Entwicklungen und die Vor- und Nachteile der W&I-Versicherungen zu diskutieren.
W&I-Versicherungen sind seit etwa 2011 auf dem deutschen Markt zu finden. In den vergangenen Jahren habe der Abschluss solcher Versicherungspolicen dabei stark zugenommen, so Giessen. Die Vorteile sind dabei für beide Parteien erheblich. Der Käufer kann in allen Fällen, in denen eine Garantie oder Freistellung aus dem Unternehmenskaufvertrag greift, direkt die Versicherung in Anspruch nehmen, ohne dabei auf einen mit dem Verkäufer vereinbarten Haftungshöchstbetrag begrenzt zu sein. Zudem trägt er nicht mehr das Insolvenzrisiko des Verkäufers, sondern weiß eine finanzstarke Versicherung hinter sich. Der Verkäufer muss dagegen nicht befürchten, noch Jahre später vom Käufer in Anspruch genommen zu werden und so einem Liquiditätsnachteil ausgesetzt zu sein.
Dennoch sehen sich Versicherer auch erheblicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere die hohe Zahl an nicht versicherbaren Steuerrisiken führt zu einem geringen Anwendungsbereich und Haftungslücken. So sind beispielsweise nur solche Risiken umfasst, die nach einer umfassenden Tax Due Diligence nicht bekannt sind, d.h. alle in der Due Diligence entdeckten Risiken sind nicht geschützt. Zusätzlich werden häufig weitere Ausschlüsse, etwa im Bereich der Umsatzsteuer oder Verrechnungspreise, vorgenommen. Harlacher betont, dass sich der Versicherungsumfang in der Zukunft durchaus erweitern könne. Das liege an vielen neuen Versicherern auf dem deutschen Markt und der damit einhergehenden Konkurrenzsituation. Sollten Verkäufer zukünftig wieder mit einem substantiellen Wert haften, könne das ebenfalls zu weniger Ausschlüssen führen.
Die derzeit bestehenden Haftungslücken können teilweise mit Spezialversicherungen abgedeckt werden. Solche Versicherungen erfassen jeweils ein spezifisches Risiko und können auch für bereits bekannte Risiken abgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass es sich um ein rechtliches Risiko handelt und die Versicherung die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht als hoch einstuft. Die Höhe der Versicherungsprämie beläuft sich je nach Einzelfall auf in der Regel 2-7 Prozent der Deckungssumme.
Es ist daher stets für jede Transaktion einzeln zu prüfen, ob eine W&I-Versicherung und/oder eine Spezialversicherung geeignet und notwendig ist. Zudem lohnt ein Vergleich der unterschiedlichen Versicherungsunternehmen mit den jeweiligen Prämien und Versicherungsumfängen.
Ob sich der Abschluss von W&I-Versicherungen auch in den kommenden Jahren positiv entwickeln wird, lässt sich laut Giessen nicht vorhersagen. Sollte sich die Position der Käufer stärken und die Haftungshöchstgrenzen wieder spürbar angehoben werden, wären Versicherungen aus Käufersicht wohl nicht mehr in dem Maße gefragt wie derzeit. Gleichzeitig kämen dann wieder Policen für Verkäufer mehr in Betracht. In Großbritannien, wo diese Versicherungsform bereits seit Ende der 1990er Jahre bekannt ist, sind W&I-Versicherungen trotz verschiedener wirtschaftlicher Gegebenheiten bis heute auf dem Markt etabliert. Es bleibt abzuwarten, ob in Deutschland eine ähnliche Entwicklung genommen wird.
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