Am 10. Mai 2022 fand das 24. Münchner M&A-Forum an bekannter Adresse, im Münchner Literaturhaus, statt. Zum Thema „Einfluss von Hedgefonds auf öffentliche Übernahmen“ diskutierten Dr. Cai Berg, Prof. Dr. Christian Aders (beide ParkView Partners, Frankfurt), Dr. Michael Brellochs (Noerr, München) und Florian Schuhbauer (Active Ownership Capital, Luxemburg), die Moderation übernahm Dr. Matthias Bruse (POELLATH, München). Die gleich zu Beginn zitierten Pressestimmen zeigten das Spannungsfeld, in dem M&A-Deals unter Beteiligung von Hedgefonds augenscheinlich stattfinden: „Torpedierung“, „Angriff“ und „Öffentliche Übernahmen unter Druck“. Um diese Darstellung zu hinterfragen, waren die Referenten angetreten. Den Einstieg in die Thematik ermöglichten die Vorträge von Dr. Brellochs und Dr. Berg, die die rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen skizzierten.
Hindernis Nr. 1: Veraltete Rechtslage
Laut Dr. Brellochs sei der Aktionär-Aktivismus ungebrochen hoch und werde nur durch eine stetig zunehmende Zahl passiver Indexfonds (ETFs) gebremst. Marktteilnehmer, die für ein erfolgreiches Übernahmeangebot nach §§ 29 ff. WpÜG auf eine bestimmte Mindestannahmeschwelle angewiesen seien, würden sowohl durch aktive, als auch durch passive Investoren vor Herausforderungen gestellt.
Die aktuelle Rechtslage erhöhe die Komplexität dieses Prozesses weiter: Ein Bieter muss sich spätestens einen Tag vor Ende der Angebotsfrist entscheiden, ob er an einem Angebot festhalten möchte (vgl. § 21 Abs. 1 WpÜG). Zu diesem Zeitpunkt ist aber oftmals noch nicht erkennbar, ob die Mindestannahmeschwelle erreicht wird. Das vor ca. 20 Jahren eingeführte Wertpapier- und Übernahmegesetz (WpÜG) trage laut Dr. Brellochs dabei insbesondere der gewachsenen Bedeutung passiver Indexfonds nur unzureichend Rechnung. Es fehle eine Lösung für, auch technisch bedingte, Verzögerungen im Prozess der Angebotsannahme.
Hindernis Nr. 2: Spekulationen
Hier hakte Dr. Berg mit einem Bericht zu den Erfahrungen der Vonovia/Deutsche Wohnen-Übernahme ein. Warum scheiterte bei der größten öffentlichen Übernahme seit Inkrafttreten des WpÜG der erste Anlauf? Für Dr. Berg ist der Fall klar: Die Rolle von Hedgefonds sei im Übernahmeprozess unterschätzt worden. Denn diese hätten einen guten Grund, auf das Übernahmeangebot nicht einzugehen, sondern den Angebotspreis im Rahmen eines Spruchverfahrens in Zusammenhang mit verschiedenen nachgelagerten Strukturmaßnahmen überprüfen zu lassen. Zu derartigen Strukturmaßnahmen zählen unter anderem Verträge, durch die eine Gesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt (§ 291 Abs. 1 AktG), Auf- oder Abspaltungen oder das Herausdrängen von Minderheitsaktionären (sog. Squeeze-Out). Für den in Folge derartiger Strukturmaßnahmen eintretenden Wertverlust oder den Untergang des Anteils sieht das Gesetz eine Kompensation vor. Ob diese Kompensation jeweils angemessen ist, kann in einem Spruchverfahren überprüft werden. In diesem setzt ein Gericht die Abfindung regelmäßig höher an, als im ursprünglichen Übernahmeangebot vorgeschlagen. Dieser Komplex wird auch Back-End genannt.
Hedgefonds befinden sich daher in einem spieltheoretischen Dilemma: Je geringer die Annahmequote des Übernahmeangebots, desto größer der mögliche Gewinn im Back-End. Aber gleichzeitig riskiert jede der zurückgehaltenen Aktien, die erfolgreiche Übernahme zu vereiteln. Wie kann die Praxis darauf reagieren? Laut Dr. Berg mit Kommunikation. Es gelte, die eigenen Aktionäre zu identifizieren, Kontakt aufzunehmen und die eigene Position zu vermitteln. Beispielsweise dadurch, bestimmte Strukturmaßnahmen im Anwendungsbereich der Spruchverfahren für einen bestimmten Zeitraum auszuschließen und deutlich zu machen: Dies ist das letzte und beste Angebot. Dabei verböten sich aber schematische Lösungen. Jeder Hedgefonds verfolge andere Strategien, aber alle seien sie wertvolle Marktteilnehmer und an ihnen führe für ein erfolgreiches Übernahmeangebot kein Weg vorbei.
Kontroversen und lebhafte Diskussionen
Um die Praxis von beiden Hindernissen zu entlasten, formulierte Dr. Brellochs daraufhin zwei Vorschläge: Erstens zeige der Blick in andere Rechtsordnungen, wie sinnvoll die Möglichkeit sein kann, wenn auch ein späteres Zurückziehen des Übernahmeangebotes möglich ist. Zweitens sollte der Gesetzgeber über eine verbindlichere Regelung zur Preisgestaltung im Rahmen eines Spruchverfahrens nachdenken. Damit leitete er in die Paneldiskussion, geführt und mit Zahlen versorgt von Prof. Aders, über.
Nun ging es auch um die Rahmenbedingungen und die aufgeheizte politische Diskussion der Vonovia/Deutsche Wohnen-Übernahme (Bundestags- und Senatswahlen, Mietpreisbremse und Aktionsbündnisse). Dabei brach Florian Schuhbauer eine Lanze für Hedgefonds, da diese zuweilen die Einzigen seien, die noch im Interesse des gesamten Aktionariats handelten und das Unternehmen weiterentwickeln wollten. Uneinig war man sich in der Frage, ob bereits die Anbahnung einer Übernahme das Interesse des Marktes an dessen Erfolg signalisiert und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Übernahmeangebote daher so einfach wie möglich gehalten werden sollten. Gestritten wurde auch über Auswirkungen der Neuregelung für die digitale Hauptversammlung auf die Dynamik der Versammlung und die Rechte der Aktionäre. Einigkeit herrschte hingegen in der Einschätzung, dass auch Minderheitsaktionäre von aktiv investierenden Hedgefonds profitieren.
Münchner M&A-Forum
Das 25. Münchner M&A-Forum ist für den 08. November 2022 geplant. Weitere Informationen finden Sie hier.