Das Hessische Finanzgericht hat vor einiger Zeit einem Steuerpflichtigen erstmals den Abzug ausländischer Quellensteuern von der deutschen Gewerbesteuer ermöglicht (Urteil vom 26.08.2020 – 8 K 1860/16, Rev. eingelegt). Damit könnte sich endlich auch in der Praxis durchsetzen, worüber man sich im Schrifttum schon länger weitgehend einig war (vgl. zur Diskussion der vergangenen Jahrzehnte Töben, Ubg 2021 S. 357). Um welche Fälle geht es? Inländische Steuerpflichtige, die ausländische quellensteuerbelastete Einkünfte – z.B. Zinsen oder Dividenden – erzielen, können die ausländische Quellensteuer regelmäßig auf die in Deutschland anfallende Einkommen- oder Körperschaftsteuer anrechnen. Das schreiben die jeweiligen DBA (Art. 23B OECD-MA) i.V.m. § 34c EStG vor. Hierdurch wird eine Doppelbesteuerung oft bereits vollständig vermieden, weil die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuerlast ausreichend hoch ist, um die Quellensteuer voll anzurechnen.
Körperschaftsteuer teilweise für Kompensation nicht ausreichend
In bestimmten Fällen ist es jedoch wirtschaftlich entscheidend, ob auch die Gewerbesteuer anrechnungsfähig ist. Bei Einkommensteuerpflichtigen ist das in der Regel irrelevant, weil die Gewerbesteuer weitgehend auf die Einkommensteuer angerechnet wird (§ 35 EStG) und der Einkommensteuersatz regelmäßig den ausländischen Quellensteuersatz übersteigt. Anders bei Körperschaften: Durch den niedrigen Körperschaftsteuersatz von 25,825 % (einschließlich Solidaritätszuschlag) kann es auf die Anrechenbarkeit der Quellensteuer auf die Gewerbesteuer ankommen. Das kann insbesondere bei ausländischen Dividenden der Fall sein, weil auf diese (bei einer Beteiligung von mindestens 10 %) keine Körperschaftsteuer anfällt (§ 8b Abs. 1, Abs. 4 KStG). Die Gewerbesteuerfreiheit von Dividenden tritt hingegen erst bei einer Beteiligung von mindestens 15 % ein (§ 8 Nr. 5, § 9 Nr. 7 GewStG); bei Beteiligungen zwischen 10 und 15 % fällt somit regelmäßig nur Gewerbesteuer an. Weitere Fallgruppen nennt Töben (Ubg 2021 S. 357 [358]).
Wer entscheidet – Gemeinde oder Finanzamt?
Im vom Hessischen Finanzgericht entschiedenen Fall ging es um eine deutsche GmbH, die Anteile an zwei kanadischen Inc. hielt und die auf deren Dividenden angefallene Quellensteuer auf die Gewerbesteuer anrechnen wollte. Dabei stellte sich für die GmbH bereits in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Frage, gegen welche Behörde, sprich gegen welchen Bescheid sie überhaupt vorgehen sollte: gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde, der die Gewerbesteuer letztlich festsetzt, oder gegen den Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts, der die Besteuerungsgrundlage verbindlich festsetzt?
Zunächst ging die Vertretung der GmbH ohne Erfolg gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde vor und rief die insoweit zuständigen Verwaltungsgerichte an – ohne Erfolg. Sowohl das VG Wiesbaden als auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof wiesen die Klagen ab, weil die Gemeinde an den Gewerbesteuermessbescheid gebunden sei. Eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht gab der finanzgerichtlichen Klage der GmbH hingegen statt: Zwar sei eine Anrechnung letztlich durch die Gemeinden durchzuführen. Allerdings müssten die anrechenbaren Beträge vom Finanzamt zuvor im Gewerbesteuermessbescheid festgesetzt werden, weil die Gemeinden diese nicht losgelöst von den Besteuerungsgrundlagen ermitteln könnten. Das zeigt sich insbesondere, wenn es um die Ermittlung der sogenannten Anrechnungshöchstbeträge oder um die Frage der Verteilung der Anrechnungsbeträge zwischen der Gewerbesteuer und einer ggf. auf die ausländischen Einkünfte ebenfalls entfallenden Körperschaftsteuer geht (hierzu sogleich). Zuständig ist also nach dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts dem Grunde nach das Finanzamt.
Auf das DBA kommt es an
In Bezug auf die materiell-rechtliche Frage, ob eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer notwendig sei, stützt sich das Finanzgericht mit ausführlicher Argumentation unmittelbar auf Art. 23 Abs. 2 lit. b aa) DBA Kanada. Demnach sei die kanadische Quellensteuer „auf die deutsche Steuer vom Einkommen unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts“ anzurechnen. Ausführlich und überzeugend begründet das Gericht, warum die Gewerbesteuer eine „Steuer vom Einkommen“ in diesem Sinne ist.
Dabei ist in der Praxis jedoch Vorsicht geboten: Es gibt eine Reihe von – wichtigen – DBA, die insoweit eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer ausdrücklich ausschließen (so etwa Art. 24 Abs. 3 lit. b DBA Italien und Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA Schweiz). Die überwiegende Anzahl der deutschen DBA entspricht aber der Formulierung im DBA Kanada, sodass die Grundsätze des Hessischen Finanzgerichts auf die meisten Fälle übertragbar sein dürften.
Fehlende Regelung im nationalen Gewerbesteuerrecht führt zu Unsicherheiten
Anders als teilweise in der verwaltungsnahen Literatur vertreten (vgl. Eglmaier, IStR 2011 S. 951), führt nach Auffassung des Gerichts die fehlende Regelung über die Anrechnung ausländischer Steuern im GewStG nicht zu einer Versagung ebendieser. Das DBA allein ordne die Anrechnung an; den nationalen Vorschriften sei nur das „Wie“ der Anrechnung vorbehalten. In einem Fehlen derartiger Vorschriften liege, wie das Gericht überzeugend ausführt, auch kein „passiver“ Treaty Override.
Insoweit bestehe eine Gesetzeslücke, weil im GewStG Regelungen fehlen, die mit § 34c EStG und § 26 KStG vergleichbar sind. Die letztgenannten Vorschriften seien daher analog heranzuziehen.
Der vorliegende Fall war auf dieser Grundlage problemlos zu lösen, weil die Klägerin außer den kanadischen Dividenden keine Einkünfte erzielt hatte und aufgrund des (in den Streitjahren 2008-2010 noch ohne Streubesitzgrenze von 10 %) geltenden Schachtelprivilegs keinerlei Körperschaftsteuer angefallen war.
Bei komplexeren Fällen ergeben sich weitere Untersicherheiten, die sich durch die analoge Anwendung von § 34c EStG, § 26 KStG nicht unmittelbar lösen lassen:
- Wie sind die Anrechnungsbeträge zu verteilen, wenn auch Körperschaftsteuer angefallen ist? Hierzu wird vertreten, dass insoweit aus Praktikabilitätsgründen zunächst auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden sollte (vgl. Spek/Schumacher, Ubg 2021 S. 340 [344]). Das Hessische Finanzgericht ließ die Frage ausdrücklich offen.
- Wie sind die Anrechnungshöchstbeträge genau zu ermitteln?
- Nach welchen Grundsätzen ist die Zerlegung vorzunehmen, wenn der Gewerbesteuerpflichtige Betriebsstätten in mehreren Gemeinden hat?
Ausblick und Empfehlungen
Das Urteil ist zu begrüßen, weil es (endlich) eine Doppelbesteuerung auch verhindert, soweit sie sich aus einer zusätzlichen Belastung mit deutscher Gewerbesteuer ergibt. Deutsche DBA erstrecken sich auch auf die Gewerbesteuer. Daher muss die Verwaltung konsequenterweise auch die Anrechnung ausländischer Steuern auf diese zulassen, wenn ein DBA es vorsieht.
Zunächst aber läuft das Revisionsverfahren, weil die Finanzverwaltung das Urteil angefochten hat (Az. I R 8/21). Man darf also gespannt sein, wie sich der Bundesfinanzhof (BFH) positioniert. Dies umso mehr, als zugleich ein zweites ähnliches Revisionsverfahren beim gleichen Senat anhängig ist: Das Niedersächsische Finanzgericht hatte den Abzug ausländischer Quellensteuer von der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer versagt (Urteil vom 18.03.2020 – 6 K 20/18, Az. beim BFH I R 16/20). Es ist allerdings in dem hier besprochenen Fall nicht ausgeschlossen, dass der BFH sich zur Sache letztlich gar nicht einlässt, weil es zudem eine verfahrensrechtliche Problematik im Streitfall gab, auf die das Gericht sich stützen könnte (näher zu den möglichen Verfahrensergebnissen Rönnebeck/Kremer, DStR 2021 S. 851).
Für die oben genannten, rechtlichen Unsicherheiten lassen sich praktische Lösungen finden (vgl. mit Vorschlägen Spek/Schumacher, Ubg 2021 S. 340). Zugleich bleiben sie für die Praxis vorerst bestehen. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, Klarheit zu schaffen, wobei auch eine Anrechnung in Nicht-DBA-Fällen ermöglicht werden sollte. Zumindest eine Äußerung des BMF bzw. der Finanzbehörden der Länder zur Abwicklung wäre sehr wünschenswert.
Insgesamt zeigt die Streitfrage in ihrer praktischen Problematik und rechtlichen Komplexität – einschließlich zweier verschiedener Fachgerichtsbarkeiten – einmal mehr die Stellung der Gewerbesteuer als systematischem Fremdkörper im deutschen Ertragsteuerrecht. So wünschenswert eine „große“ Reform daher ist und bleibt – so unwahrscheinlich ist sie doch auch mit Blick auf die steuerpolitischen Realitäten.
Steuerpflichtigen ist vorerst zu empfehlen, sowohl betroffene Gewerbesteuermess- als auch Gewerbesteuerbescheide mit Verweis auf die laufenden Verfahren offenzuhalten.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Handelsblatt online, Steuerboard, 30. Juni 2021