Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovationen sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness verabschiedet, das sich nun im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat befindet. Das mit Wachstumschancengesetz abgekürzte Gesetz enthält eine Vielzahl von großen und kleinen Gesetzesänderungen. Eine dieser geplanten Gesetzesänderungen betrifft ausländische gemeinnützige Organisationen. Diese sollen zukünftig auf Antrag die auf Kapitalerträge in Deutschland einbehaltende und abgeführte Kapitalertragsteuer erstattet bekommen. Damit soll es zu einer Gleichstellung von ausländischen und inländischen gemeinnützigen Organisationen kommen, die bereits die Möglichkeit der Steuererstattung haben.
Das Wichtigste in Kürze
Der Deutsche Bundestag hat eine Gesetzesänderung verabschiedet, die es ausländischen gemeinnützigen Organisationen ermöglichen soll, in Deutschland gezahlte Kapitalertragsteuer erstattet zu bekommen. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings streng und werden voraussichtlich fast nur von gemeinnützigen Organisationen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. dem EWR erfüllt werden können.
Derzeitige Rechtslage
Die Kapitalertragsteuer ist in Deutschland als Quellensteuer ausgestaltet. Der Schuldner der Kapitalerträge ist grundsätzlich verpflichtet, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Handelt es sich beim Gläubiger der Kapitalerträge aber um eine in Deutschland wegen der Verfolgung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken steuerbefreite Organisation, so ist ausnahmsweise kein Steuerabzug vorzunehmen. Wird die Kapitalertragsteuer doch einbehalten, so kann die steuerbefreite Organisation diese erstattet bekommen.
Für ausländische gemeinnützige Organisationen gelten diese Regelungen nicht. Aus diesem Grund muss vom deutschen Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer einbehalten werden. Der Steuerabzug hat für die ausländische gemeinnützige Organisation Abgeltungswirkung und führt daher zu einer definitiven Steuerbelastung.
Die Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen gemeinnützigen Organisationen stellt einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Um diesen Verstoß gegen das Europarecht zu beseitigen, soll zukünftig auch für ausländische gemeinnützige Organisationen die Befreiung von der Kapitalertragsteuer möglich sein.
Vorgesehene Änderung durch das Wachstumschancengesetz
Das Wachstumschancengesetz sieht nicht vor, die bestehenden Regelungen für inländische gemeinnützige Organisationen auch auf ausländische Organisationen anzuwenden. Insbesondere soll auch zukünftig stets die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitalerträge einbehalten werden. Allerdings sollen ausländische gemeinnützige Organisationen auf Antrag die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer verlangen können und zwar auch rückwirkend in allen noch offenen Fällen.
Die Erstattung der der Kapitalertragsteuer soll allerdings nur dann erfolgen, wenn eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt ist. Im Einzelnen sind dies die Folgenden:
- Der Gläubiger der Kapitalerträge muss eine Organisation sein, die in Deutschland der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Dafür muss sie ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland haben, im Inland aber steuerpflichtige Einkünfte erzielen.
- Die Organisation muss zudem in Deutschland aufgrund der Förderung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken von der Körperschaftsteuer befreit sein.
- Sitz und Geschäftsleitung der Organisation müssen sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befinden
oder in einem Staat, mit dem Deutschland ein Amtshilfeabkommen und ein Beitreibungsabkommen abgeschlossen hat. - Die Organisation muss in dem Staat, in dem sich ihr Ort der Geschäftsleitung befindet, einer der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht ohne Wahlmöglichkeit unterliegen.
- Im Fall von Dividenden und ähnlichen Gewinnanteilen muss der Gläubiger der Kapitalerträge unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der Schuldnerin beteiligt sein.
- Ist der Gläubiger der Kapitalerträge außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig, dürfen die Kapitalerträge nicht im Zusammenhang mit Direktinvestitionen stehen. Direktinvestitionen liegen insbesondere vor, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge am Schuldner unmittelbar oder mittelbar in Höhe von mindestens 10 Prozent beteiligt ist.
- Es darf nicht bereits ein anderer Anspruch auf Erstattung oder Anrechnung der Kapitalertragsteuer in Deutschland oder Ausland bestehen.
Ausblick und Gesetzgebungsgang
Der Bundesrat hat dem Wachstumschancengesetz nicht zugestimmt, so dass es sich jetzt im Vermittlungsausschuss befindet. Auch
wenn die hier vorgestellte Gesetzesänderung vom Bundesrat nicht kritisiert wird bleibt abzuwarten, ob das Wachstumschancengesetz als Ganzes noch in diesem Jahr verabschiedet werden und zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten wird.
Zumindest für ausländische gemeinnützige Organisationen mit Sitz und Geschäftsleitung in der Europäischen Union scheint die neu geschaffene Möglichkeit der Erstattung der gezahlten Kapitalertragsteuer Investitionen in Deutschland attraktiver machen. Die Bundesregierung rechnet mit Steuermindereinnahmen in Höhe von EUR 850 Mio. nur in 2024 aufgrund der Erstattungsmöglichkeit.
Dagegen werden die derzeit geplanten strengen Voraussetzungen für ausländische gemeinnützige Organisationen mit Sitz und Geschäftsleitung außerhalb der Europäischen Union wohl in den meisten Fällen zu hoch sein. Insbesondere ein notwendiges Amtshilfe- und Beitreibungsabkommen haben nur sehr wenige Staaten außerhalb der Europäischen Union mit Deutschland. Existiert ein solches Abkommen, muss es in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt werden.