Bemerkenswert ist, dass dieser Ausruf nicht (nur) aus einer Talkshow stammt, sondern der Titel eines Gastbeitrags in „Der Spiegel“ von Ende April ist. Mitautorin ist die deutsche Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze. Zusammen mit Ministern aus Spanien, Brasilien und Südafrika fordert sie eine globale Mindestvermögensteuer von 2% auf das Vermögen der Superreichen, basierend auf einem Vorstoß Brasiliens im Rahmen der G20. Der nachfolgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über den aktuellen Stand der Überlegungen zur globalen Mindestvermögensteuer für Privatpersonen und beleuchtet diese aus deutscher Perspektive.
Stand der Diskussion
Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad hat kürzlich eine weltweite Mindeststeuer von 2% für Milliardäre vorgeschlagen. Haddad argumentiert, dass die Superreichen der Welt einen gerechteren und proportionalen Beitrag leisten sollten. Er forderte internationale Zusammenarbeit, um diese globale Besteuerung umzusetzen. Diese Forderungen äußerte er am 29.02.2024 während des G20-Finanzministertreffens in São Paulo. Haddad beruft sich auf Daten des EU Tax Observatory und den Ökonomen Gabriel Zucman, die zeigen, dass Milliardäre weltweit einen effektiven Steuersatz von nur 0 bis 0,5% ihres Vermögens zahlen.
Frankreich unterstützt diesen Vorschlag Brasiliens als derzeitigem G20-Vorsitzendem, wie der französische Finanzminister Bruno Le Maire deutlich machte: „Wir wollen, dass Europa diese Idee der Mindestbesteuerung von Einzelpersonen so schnell wie möglich vorantreibt, und Frankreich wird dabei eine Vorreiterrolle einnehmen.“
Die USA, vertreten durch Finanzministerin Janet Yellen, lehnen das Projekt ab, während Senator Bernie Sanders und andere Demokraten dafür sind. Auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner zeigt wenig Begeisterung. Dennoch fordern Svenja Schulze und ihre Mitautoren in ihrem Gastbeitrag in „Der Spiegel“ eine Steuer von 2% auf das Vermögen der Superreichen, um soziale Gerechtigkeit zu fördern, Staatseinnahmen zu sichern und das Vertrauen in die Steuerpolitik zu stärken. Auch diese Argumentation basiert weitgehend auf den Analysen des EU Tax Observatory und den Aussagen von Gabriel Zucman.
EU Tax Observatory
Das EU Tax Observatory ist ein Forschungsinstitut an der Paris School of Economics, finanziert von der EU-Kommission, aber als privater Thinktank organisiert. Der nationale Kooperationspartner ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Ziel ist es, innovative Steuerforschung zu betreiben und zu einer demokratischen Debatte über die Zukunft der Besteuerung beizutragen. Die Basis für die Forderung nach einer weltweiten Mindeststeuer für Milliardäre bildet der „Global Tax Evasion Report 2024“ des EU Tax Observatory, veröffentlicht im Oktober 2023. Diese jährliche Mindeststeuer soll jährlich fast 250 Milliarden US-Dollar einbringen können.
Erste Einordnung
Der Vorschlag basiert auf der Annahme, dass vermögende Personen tendenziell einen niedrigen effektiven Steuersatz haben. Das EU Tax Observatory sieht diese Situation kritisch und schlägt eine globale Mindestvermögensteuer vor. Die den Annahmen zugrunde liegenden Rahmenbedingungen sind hierzu aber im Detail zu betrachten. Dabei ist bereits initial festzuhalten, dass der Bericht von einer negativen Grundstimmung geprägt ist. Es besteht heute Einigkeit darin, dass Steuerhinterziehung illegal ist, die Gesellschaft als Ganzes schädigt und verfolgt werden muss. Etwas ganz anderes ist es aber, legale Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Es kann vom ehrlichen Steuerbürger nicht erwartet werden, ein dysfunktionales Steuersystem durch passives Verhalten zu fördern. Vor diesem Hintergrund ist eine der Kernaussagen des Berichts zur Herangehensweise kritisch zu hinterfragen. Die Autoren führen nämlich aus, dass Steuergestaltung im „Graubereich“ im Mittelpunkt der Strategien von vermögenden Personen steht. Dieses Bild der „sich im Graubereich bewegenden vermögenden Person“ zieht sich durch den gesamten Bericht und ignoriert, dass eine weit überwiegende Zahl der tendenziell Betroffenen die Steuern wohl in Übereinstimmung mit Recht und Gesetz zahlt.
Das EU Tax Observatory geht davon aus, dass Milliardäre weltweit einen effektiven Steuersatz von nur 0 bis 0,5% ihres Vermögens zahlen. Als Grund für die niedrigen effektiven Steuersätze werden vermögensverwaltende Gesellschaften genannt, welche genutzt werden, um die Einkommensteuer zu „umgehen“. Aufbauend auf dieser Erkenntnis führt der Bericht weiter aus: „Diese Holdinggesellschaften befinden sich in einer Grauzone zwischen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. In dem Maße, in dem sie mit dem Ziel gegründet werden, die Einkommenssteuer zu umgehen, konnten sie legitimerweise als näher an der Steuerhinterziehung angesehen werden.“
Erläuternd ergänzt der Bericht, dass das sog. Schachtelprivileg (in der EU die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie) entwickelt wurde, um eine Doppelbesteuerung von Dividenden zu vermeiden und zwar zunächst innerhalb des Konzerns (wenn die Dividende von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft gezahlt wird) und dann auf der Ebene der einzelnen Eigentümer (wenn die Muttergesellschaft die Dividenden an die einzelnen Aktionäre auszahlt). Das vom EU Tax Observatory identifizierte Schlupfloch besteht nunmehr darin, dass die die Dividende empfangende Gesellschaft diese nicht an die natürliche Person als (endgültigen) Anteilseigner weiterleitet (und es damit zu einer Besteuerung mit Einkommensteuer auf Ebene der natürlichen Person kommt), sondern diese auf Ebene der vermögensverwaltenden Gesellschaft thesauriert wird. Diese Thesaurierung von bisher nicht mit Einkommensteuer belasteten Gewinnen dient dem EU Tax Observatory nunmehr als Rechtfertigung für die Forderung nach einer globalen Mindestvermögensteuer für natürliche Personen.
Auf die vielfältigen Argumente für oder gegen eine Vermögensteuer soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Nicht unkommentiert bleiben soll aber das Kernargument des EU Tax Observatory, wonach das körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg praktisch die „Mutter allen Übels“ und Auslöser der niedrigen Steuerquote von vermögenden Privatpersonen sei. Richtig ist, dass das Schachtelprivileg die doppelte Besteuerung von Unternehmensgewinnen verhindert. Ohne diese Regelung würden Gewinne, die ein Tochterunternehmen erzielt und an die Muttergesellschaft als Dividende ausschüttet, sowohl auf Ebene der Tochtergesellschaft als auch auf Ebene der Muttergesellschaft besteuert werden. Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen käme es ohne § 8b KStG auf jeder Stufe zu einer entsprechenden steuerlichen Belastung (Kaskadeneffekt). Damit würden Erträge vollständig abgeschöpft, sodass die Gefahr eines Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsgebot bestünde. Eine solche Mehrfachbelastung ist auch aus wirtschaftspolitischer und wettbewerbspolitischer Sicht nicht akzeptabel, da inländische Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Neben einer Vielzahl von weiteren Gründen trägt die Regelung damit zur steuerlichen Neutralität bei, indem sie sicherstellt, dass Entscheidungen zur Dividendenausschüttung nicht primär aus steuerlichen Gründen getroffen werden. Unternehmen können sich auf betriebswirtschaftliche Überlegungen konzentrieren, ohne durch steuerliche Nachteile beeinflusst zu werden. Zur Vollständigkeit sei an dieser Stelle auch auf die in Auslandskonstellationen eingreifende Hinzurechnungsbesteuerung für passive Erträge verwiesen.
Neben den Argumenten für das körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass eine weitere wesentliche Annahme des EU Tax Observatory in einer Vielzahl der Fälle nicht einschlägig sein dürfte. Es wird nämlich davon ausgegangen, dass vermögende Privatpersonen im Alternativszenario eine unmittelbare Ausschüttung erhalten, welche der Besteuerung mit Einkommensteuer unterliegen würde. Diese Annahme ignoriert jedoch, dass thesaurierte Dividenden auf Ebene einer vermögensverwaltenden Gesellschaft typischerweise nicht auf einem Bankkonto geparkt, sondern reinvestiert werden, mithin in den Wirtschaftskreislauf in Form von Investitionen zurückfließen. Ein solcher Bestand an Barmitteln wäre im Übrigen aus deutscher Sicht typischerweise auch erbschaftsteuerlich nicht privilegiert und würde im Erbfall der Besteuerung unterliegen.
Fazit
Ein jeder mag eigene Vorstellungen zur Wiedereinführung einer Vermögensteuer haben. Unbestritten ist, dass diese im politischen Spektrum viele Anhänger hat und in mannigfaltiger Ausgestaltung immer wieder auf der Tagesordnung landet. Eine offene Diskussion über das Für und Wider kann daher auch aus steuerlicher Sicht nur positiv sein. Diese Diskussion sollte jedoch auf Basis von fundierten Argumenten erfolgen und nicht aus politischen Erwägungen oder Überzeugungen. Der vorgeschlagene Weg führt nicht zum gewünschten Ergebnis. Eine rechtsformneutrale Besteuerung und Maßnahmen zur Vermeidung langfristiger Thesaurierungen, wenn dies denn politisch gewollt ist, wären zielführender.
Die globale Mindestvermögensteuer für natürliche Personen steht auch weiterhin auf der Agenda der G20. Auch wenn die Entwicklungen noch am Anfang stehen, ist die weitere Entwicklung mit Spannung zu verfolgen.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 25. Juni 2024