Die Digitalisierung begleitet uns bereits seit einigen Jahren. Insbesondere die künstliche Intelligenz (KI) erlebt eine Renaissance. Der Grundgedanke ist nicht neu. Bereits vor mehr als 50 Jahren wurde massiv in die Idee der KI investiert. Aufgrund mangelnder IT und bedingt vorhandenen digitalen Datenmengen war der Weg zwar geebnet, aber nicht von Erfolg gekrönt. Das hat sich massiv geändert. Big Data, Internet of Things – die Datenmengen sind schier unbegrenzt, durch deren Vernetzung allgegenwärtig, in Echtzeit verfügbar und durch die fortgeschrittene Rechenleistung der heutigen IT auch verwertbar. Zum Jahrtausendwechsel war zu lesen, dass sich unser Wissen wohl alle 10 Jahre verdoppelt, um 2010 waren es noch gut 5 bis 7 Jahre, und heute? 24 Stunden sind den Medien bereits zu entnehmen. Diese gewaltigen Datenmengen eignen sich hervorragend für Deep-Learning, dem maschinellen Lernen mithilfe künstlicher neuronaler Netze. Auf Basis von Trainingsdaten soll das System in die Lage versetzt werden, Muster zu erkennen und das gewonnene Wissen auf unbekannte Szenarien anzuwenden. Die Herausforderung, die es zu bewältigen gilt, ist, Licht in die Blackbox, in das System zu bringen, d.h. Entscheidungen des Systems transparent und steuerbar zu gestalten.
Neben KI und Big Data beschreiben auch Virtual Reality, Augmented Reality, Blockchain, Robotik, Nanotechnologie und Biotechnologie den aktuellen Trend in der Digitalisierung. Es gibt sicherlich kein Unternehmen, in dem nicht bereits die Digitalisierung Einzug gehalten hat. Die Frage ist nur, mit welchen Grad und mit welcher strategischen Ausrichtung. Dies gilt ebenso für die Steuerberatung, vor allem in Bereichen, in denen primär mit „Zahlen“, mit einer Vielzahl von Zahlen und Datenmengen, umzugehen ist. Nun stellt sich die Frage, ob sich nicht auch eine Private Equity Steuererklärung vollautomatisch und digital realisieren lässt.
Aus Sicht der Steuerberatung sind zwei Aspekte im Rahmen der Digitalisierung entscheidend. Zum einem die technische, automatische Aufbereitung der Steuererklärung (Tool) und zum anderen die digitale Datenverwertung und Datenbereitstellung innerhalb des Erstellungsprozesses einer Steuererklärung (Bilderkennungssysteme, digitale Schnittstellen).
Bei beiden Punkten kann festgehalten werden, dass es an einem einheitlichen Ansatz (Tool, Schnittstellen) am Markt mangelt bzw. gänzlich fehlt. Vielmehr sind die derzeitigen Systeme Individuallösungen, die in unterschiedlicher Komplexität und mit unterschiedlichem Automatisierungsgrad die Erstellung einer Steuererklärung für einen Private Equity Fonds unterstützen. Eine voll digitale Verwertung und Weitergabe von Daten über Schnittstellen sind eher der Ausnahmefall. Der analoge Anteil, d.h. die konkrete individuelle Arbeit des Steuerberaters, ist vergleichsweise hoch. Das zeigt sich beispielsweise in der Einkünftequalifikation (Gewebebetrieb vs. Vermögensverwaltung), in der Aufbereitung der Struktur, in der Klassifikation der Rechtsformen und der Finanzinstrumente. Nichtdestotrotz gibt es eine Vielzahl von repetitiven Arbeitsschritten, die bereits heute (voll-)automatisch vorgenommen werden können. Beispiele hierfür sind die Gewinnermittlung nach Klärung der vorgenannten Aspekte, die Gewinnverteilung, die Kapitalkontenerstellung und die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Investoren.
Die eingangs gestellte Frage lässt sich daher per heute nicht eindeutig mit ja oder nein beantworten. Eine Vielzahl von Arbeitsschritten in der Steuerberatung sind bereits vollautomatisch, zumindest teilautomatisch, realisierbar. Soweit jedoch die Beurteilung von Verträgen geboten ist, ist die digitale Aufbereitung, wenn überhaupt, nur bedingt möglich. Gleiches gilt für die Etablierung von standardisierten, mandatsunabhängigen Schnittstellen.
Wir dürfen gespannt sein, wie rasant die Entwicklung in diesem Bereich voranschreiten wird.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen der MUPET 2019 und basiert auf den Ergebnissen eines Workshops zum Thema „Digitalisierung und Tax Compliance“ mit den Referenten Michael Grupp (BRYTER) und Katharina Poeter (Palico) unter Moderation von P+P-Counsel André Fest.
Weitere Beiträge und Videos zur MUPET 2019 finden Sie in unserem MUPET-Archiv.
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Digitalisierung und Tax Compliance – Interview mit Michael Grupp