Der BFH München beschäftigte sich am 10. April 2019 in seiner mündlichen Verhandlung mit folgendem Thema: „Sind Kapitalrückzahlungen einer US-amerikanischen Tochtergesellschaft bei der Klägerin als Dividenden oder als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren und ist im Falle einer Einlagenrückgewähr diese gewinnneutral zu erfassen?“ [BFH – I R 15/16 (Vorinstanz FG Münster 9 K 1900/12 K)].
Die Klägerin hielt seit dem Jahr 1975 100 % der Anteile an der A Inc., einer nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Delaware gegründeten Kapitalgesellschaft, die ihren Sitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung im Drittland hat. Die Klägerin leistete in den Jahren 1975 bis 2004 Einlagen in die A Inc. i.H.v. insgesamt 7.885.998 US-$ (nach Verrechnung mit Leistungen der A Inc. im Wirtschaftsjahr 1985/1986 und ohne die für die Aufstockung des Nennkapitals benötigten Einlagen). Die Gewinne und Verluste der A Inc. Waren im Zeitverlauf schwankend. Im Streitjahr 2008 erhielt die Klägerin von der A Inc. Leistungen i.H.v. 1.000.000 US-$, deren Qualifikation zwischen den Beteiligten streitig ist.
Einleitend stellte die Klägerin ausdrücklich klar, dass es sich im fraglichen Fall lediglich um die Rückzahlung von Eigenkapital handelt. Gewinne habe es schlichtweg nicht gegeben, deshalb scheide auch die Qualifizierung als Dividende aus. Vorausgegangen sei eine Einlage von Eigenkapital in eine amerikanische und damit im Drittstaat ansässige Tochtergesellschaft. Nehme man an, eine Einlagenrückgewähr sei nicht steuerneutral möglich, unterläge die Rückzahlung von Eigenkapital der Schachtelstrafe des § 8b KStG. Handle es sich bei den beteiligten Rechtsträgern nicht um eine Kapitalgesellschaft sondern um eine Personengesellschaft würde es durch das Teileinkünfteverfahren zu einer erheblichen Steuerbelastung des Steuerpflichtigen kommen. Daher erfordern eine verfassungskonforme und EU-konforme Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) die Möglichkeit der steuerneutralen Einlagenrückgewähr.
Die Vertreterin des Bundesfinanzministeriums (BMF) führte an, dass die Einlagenrückgewähr grundsätzlich als steuerbarer Tatbestand anzusehen ist. Die Stand-Still-Klausel des Artikel 57 EG (heute Art. 64 AEUV) greift, wonach den Mitgliedsländern unter bestimmten Voraussetzungen die Beibehaltung von Beschränkungen des Kapitalverkehrs gegenüber Drittländern ermöglicht werden. So bildet die sog. „Stillhalteklausel“ eine Rückausnahme zur Kapitalverkehrsfreiheit. Die Stand-Still-Klausel ist nur dann anwendbar, wenn die Beschränkung einer der vier Kategorien des Art. 64 I AEUV unterfällt (materielles Kriterium) und seit dem 31.12.1993 durchgehend Teil der Rechtsordnung ist (zeitliches Kriterium). Bezüglich des zeitlichen Kriteriums der Stand-Still-Klausel ist nicht auf den Wortlaut der Norm, sondern auf eine inhaltliche Kontinuität i.S.d. Fortgeltung des Grundgedankens der Beschränkung abzustellen. Die beschränkende Wirkung von § 11 InvStG bei Ausschüttung inländischer Dividenden an einen Drittstaatenfonds erfüllt die Voraussetzungen der Stand-Still-Klausel.
Schlussendlich stellte der Senat fest, dass ein Ausschluss der Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) in Einklang zu bringen ist. Vom BMF angeführte Altfälle aus 1991 und 1993 handeln von zurückgezahlten Anzahlungen. Als solche betreffen sie Nennkapitalrückzahlungen und nicht die Einlagenrückgewähr, daher unterliegen diese Fälle einer andern Systematik. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit von Einlagenrückgewähr aus Drittstaaten ausdrücklich nicht ausgeschlossen, weshalb sie auch nicht zu versagen ist. Ein Ausschluss ihrer steuerneutralen Behandlung würde gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. Für Drittstaaten-KapG kommt weder eine Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 7 KStG noch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG in Betracht.
Daher ist zu erwarten, dass die Einlagenrückgewähr aus Drittstaaten auf Antrag steuerneutral möglich ist. Dennoch verwies das Gericht auch auf die hohe Praxisrelevanz des Urteils, insbesondere der Möglichkeiten steuerlicher Gestaltung, wenn so wie vorgesehen die Einlagenrückgewähr aus Drittstaaten ausdrücklich steuerfrei möglich sein soll. Das abschließende Urteil wird in ca. zwei Wochen erwartet.