
Die eine Besonderheit ist die faktische Untersagung durch die Verfahrenslänge. Die andere, dass der Erwerber hier aus dem sicherheitspolitisch unverdächtigen Taiwan stammt. Siltronic produziert Wafer aus Silicium, die ein Vorprodukt für Halbleiterchips sind.
Das Verfahren
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung für die milliardenschwere Transaktion wurde bereits im Dezember 2020 beantragt. Die Vereinbarung zwischen den Parteien sah vor, dass alle Freigaben bis zum 31. Januar 2022 vorliegen müssen (Long-Stop-Date). Bis auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung lagen alle Freigaben vor. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gab Ende Januar zu verstehen, dass es mehr Zeit brauche, um die kürzlich unter Auflagen erteilte chinesische Fusionskontrollfreigabe zu prüfen.
Die Parteien hatten dem BMWK bereits vertragliche Zugeständnisse angeboten und vor dem Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes erfolglos die Feststellung der Genehmigungsfiktion durch Fristablauf beantragt.
Faktische Untersagung durch Verfahrenslänge
Eigentlich gibt es klare Fristenregelungen. Die Frist beträgt zwei Monate für die Voruntersuchung und weitere vier Monate, wenn sich eine vertiefte Prüfung anschließt. Diese kann unter bestimmten Voraussetzungen um bis zu vier Monate verlängert werden. Mit Ablauf der Fristen gilt der Antrag als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Allerdings werden die Fristen gehemmt, wenn das BMWK weitere Informationen verlangt oder über vertragliche Regelungen verhandelt wird. Hier hatte das BMWK mehrfach zusätzliche Informationen verlangt. Zudem hatten die Parteien weitgehende vertragliche Zugeständnisse angeboten. Aufgrund dieser Fristenhemmung war aus Sicht der Gerichte die Genehmigungsfiktion nicht eingetreten.
Erwerber aus Taiwan
Die faktische Untersagung eines Erwerbs durch ein taiwanesisches Unternehmen bedeutet eine neue Dimension. Bisher wurden vor allem Erwerbe durch Käufer aus der Volksrepublik China problematisiert (Beispiele sind die Fälle Yantai Taihai/Leifeld, Addsino/IMST). Aspekte der Prüfung des BMWK waren u.a. mögliche Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit mit Wafern sowie ein möglicher Abfluss von Know-how. Vor Gericht hat das BMWK auch mit einem in Zukunft möglicherweise größeren Einfluss Chinas auf Taiwan argumentiert. Dies zeigt, dass hier auch von sehr hypothetischen Bedrohungsszenarien ausgegangen wird.
Auflagen aus China
Mit maßgeblich für die nicht erfolgte Freigabe des BMWK war das erst späte Vorliegen der Freigabe unter Auflagen der chinesische Wettbewerbsbehörde. Deren wesentlichen Auflagen beinhalteten die Veräußerung einer dänischen Tochtergesellschaft des Erwerbers und eine diskriminierungsfreie (Weiter-)Belieferung von Kunden in China. Die Auflagen können hier nicht vertieft beurteilt werden, scheinen aber auf den ersten Blick nicht sonderlich ungewöhnlich. Im Hinblick auf den in Sorge stehenden Abfluss von Know-how erscheinen sie eher unverdächtig.
Fazit und Empfehlungen
Der Fall Siltronic zeigt, dass die Bundesregierung den „Schutz technologischer Souveränität“ sehr ernst nimmt. Die Halbleiterbranche steht hier u.a. besonders im Fokus. Überraschend ist, dass nun auch Erwerber aus Ländern kritisch gesehen werden, mit denen traditionell eine enge wirtschaftliche Vernetzung besteht. Auch der Entwurf eines EU-Chips-Gesetzes sieht eine Partnerschaft mit Taiwan vor.
Aus Unternehmenssicht im besten Fall als ambivalent zu werten ist das Vorgehen, eine Transaktion an der schieren Verfahrenslänge scheitern zu lassen. Dabei sollte die im Jahr 2020 erfolgte Änderung der Fristenregelung im Außenwirtschaftsgesetz diese nach der Vorstellung des Gesetzgebers für die Unternehmen „kalkulierbarer“ machen.
M&A-Praktiker sollten bereits in einem frühen Stadium der Transaktion mögliche Risiken in den Blick nehmen. In den meisten Fällen wird eine Freigabe durch das BMWK zügig erteilt. Ist ein Zielunternehmen allerdings in einem „sensiblen Bereich“ tätig, kann mit einer vertieften Prüfung und sehr langen Prüfungsfristen zu rechnen sein. Ein entsprechender zeitlicher Spielraum sollte dann eingeplant werden. Vertraglich geregelt werden sollte dann auch, ob und inwieweit der Erwerber Zugeständnisse anbieten muss, um Bedenken der Bundesregierung auszuräumen. Schließlich zeigt der Fall GlobalWafers/Siltronic, dass es in solchen Fällen einer engen Abstimmung der verschiedenen investitions- und fusionskontrollrechtlichen Verfahren bedarf.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: M&A Review, 3/2022, S. VIII-IX