
Die wichtigsten To-Dos in Kürze
Wir schieben das Rechtsdeutsch ans Ende und starten mit den Punkten, die jeder (wirklich: jeder) Kryptoanleger jetzt und rückwirkend für alle noch offenen Steuerjahre im Blick haben sollte:
- Regelmäßige Dokumentation aller Transaktionen – idealerweise monatlich ein vollständiges Reporting erstellen und sichern. Wer mehrere Wallets nutzt, sollte eine vollständige Übersicht führen.
- Rechtzeitiger Datenabruf von Kryptobörsen – ein Verlust der Daten kann teuer werden.
- Nutzung einer Steuer-Software mit API-Anbindung für Echtzeit-Daten.
- Überprüfung vergangener Steuererklärungen auf nicht erklärte Einkünfte aus Staking, Lending oder Airdrops.
Vieles bleibt …
Die materiell-rechtlichen Basics haben sich kaum geändert. Privatanleger verkaufen grundsätzlich nach einem Jahr steuerfrei, die Abgrenzungskriterien von gewerblicher (d.h. gewerbesteuerpflichtiger) Tätigkeit mit Kryptowerten (Handel, Staking, Mining) zur privaten Vermögensverwaltung sind im Wesentlichen gleichgeblieben. Das BMF hat zwar seine Nomenklatur überarbeitet und an die aufsichtsrechtlichen Entwicklungen angepasst (angefangen bei der nun allgemeinen Bezeichnung „Kryptowerte“ anstatt „virtuelle Währungen und sonstige Token“). Ob sich hieraus Änderungen in der materiell-rechtlichen Einordnung ergeben, wird die Praxis aber erst zeigen.
… manches ist neu …
Eine wesentliche und praktisch gar nicht genug zu unterstreichende Ergänzung erfährt das Schreiben jedoch bei den Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten für Kryptoanleger. Wer seine Kryptotransaktionen nicht ordnungsgemäß dokumentiert, riskiert steuerliche Schätzungen und öffnet möglicherweise das Tor zu strafrechtlichen Sanktionen. Die Finanzverwaltung verschärft die Anforderungen an die steuerliche Compliance – höchste Zeit also, sich vorzubereiten (dazu sogleich im Detail).
… manches fehlt
Einige von der Community erwartete Punkte fehlen im neuen BMF-Schreiben. Drei wesentliche Themen werden dabei ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ausgenommen:
- Ausdrücklich spart das BMF Regelungen zu Non-Fungible Token (NFT) aus. Für NFTs, die steuerlich zwischen Kunstwerken und immateriellen Wirtschaftsgütern changieren, bleibt zunächst etwas Rechtsunsicherheit, mit der insbesondere professionelle Händler bilanzsteuerlich umgehen müssen.
- Weiterhin fehlen Ausführungen zum Liquidity Mining, was ob seiner relativ weiten Verbreitung verwundert. Die Rechtsunsicherheit besteht hier insbesondere in der Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Gewerblichkeit.
- Schließlich waren in der ursprünglichen Version des BMF-Schreibens Regelungen zu kryptobasierten Mitarbeiterbeteiligungen enthalten. Ein in der Praxis der Krypto-Startups sehr relevantes Thema. Die Ausführungen dazu wurden ersatzlos gestrichen. Es steht zu erwarten, dass der Themenbereich „Arbeitnehmer und Krypto“ in einem eigenen Erlass zusammengefasst wird.
Neben diesen ausdrücklich ausgenommenen Themen hatten sich Steuerpflichtige und Berater Hinweise zu einigen weiteren Themen gewünscht; zur Illustration sollen hier nur einige angerissen werden:
- Es fehlen Regelungen zur Nachweispflicht von dezentralen Wallets (Self-Hosted Wallets). Zwar fordert das BMF umfassende Nachweise für alle Kryptotransaktionen, erwähnt aber nicht, wie Selbstverwaltungs-Wallets (z. B. MetaMask, Ledger, BitBox) geprüft werden sollen. In der Praxis ist es schwer, aus einer dezentralen Wallet Transaktionsnachweise zu erbringen, da es keine Bank- oder Brokerberichte gibt.
- Daneben treten Fälle “verlorener” Kryptowerte (z.B. durch Hack oder Exchange-Insolvenz) in der Praxis immer wieder auf. Das BMF bietet zu diesen Fällen keine Regelungen, wie steuerlich mit Kryptoverlusten durch Exchange-Insolvenzen oder Hacks umzugehen ist. Zumindest ein Moratorium für die Nachweispflichten wäre wünschenswert, wenn die Assets nicht mehr zugänglich sind.
- Auch zu Multi-Sachverhalten schweigt das BMF: das gilt sowohl für die Zurechnung von Kryptowerten, wenn diese nur mit Multi-Signature-Verfahren transferiert werden können. Ebenso ist die Besteuerung von Multi-Chain-Transaktionen offen, die als steuerneutrale Verschiebungen oder als steuerpflichtige Veräußerungen gewertet werden könnten.
Erhöhte Mitwirkung, insbesondere bei Auslandsbezug
Alle Kryptotransaktionen müssen detailliert dokumentiert werden, inklusive Kauf- und Verkaufszeitpunkt, Menge, Art des Kryptowerts, Kurswert in Euro sowie Verwendungsreihenfolge (FIFO oder Einzelbetrachtung). Bei Nutzung ausländischer oder dezentraler Handelsplattformen gelten erweiterte Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO). Steuerreports von Softwareanbietern (z.B. CoinTracking, Blockpit) werden hierfür grundsätzlich anerkannt, sofern sie plausibel und widerspruchsfrei sind.
Doch Achtung: Negative Bestände oder ungeklärte Zu- und Abflüsse können zur Ablehnung der Reports führen. In diesem Fall muss der Steuerpflichtige „händisch“ seine Daten aufbereiten – praktisch gelingt das kaum vollständig. Fehlen Belege, kann das zu ungünstigen Schätzungen führen – und damit zu höheren Steuerlasten.
Verschärfte Dokumentationspflichten – auch für Privatanleger
Nicht nur gewerbliche Kryptoinvestoren, sondern auch Privatpersonen müssen lückenlose Nachweise führen. Konkret bedeutet das, dass jede Kauf- und Verkaufstransaktion nachvollziehbar gespeichert werden muss. Die Steuerpflichtigen müssen nicht befürchten, dass jeder einzelne dieser Nachweise vorgelegt werden muss. Wird er jedoch angefragt und kann nicht vorgelegt werden, drohen die erwähnten ungünstigen Schätzungen. Wer mehr als 500.000 Euro pro Jahr erzielt (ab 2027: 750.000 Euro), muss steuerlich relevante Unterlagen sechs Jahre lang aufbewahren. Nutzung von Steuersoftware wird empfohlen, aber die Daten müssen vollständig und manipulationssicher sein. Dabei ist zu beachten, dass die Softwareanbieter für Steuerreports wohl auch eine kurze Übergangszeit brauchen werden, um die Anforderungen des neuen BMF Schreibens in ihren Programmen umzusetzen. Hier sollte der Kryptoanleger konkret nachfragen, welcher Service erbracht wird und welcher nicht.
Sind die Anforderungen für Privatanleger erdrückend?
Das BMF weist mit den skizzierten Pflichten den Anlegern die Verantwortung für die vollständige und richtige Dokumentation ihrer Kryptotransaktionen zu. Dieser Punkt verdient Betonung in einem System, in dem der Grundsatz der Amtsermittlung gilt. Während eine derartig strenge Datenaufbereitung und Dokumentation im Betriebsvermögen zum Alltag gehört, geht sie bei Privatanlegern weit über das sonst übliche Maß hinaus. Das BMF muss die Balance finden zwischen seinem offenbaren Bedürfnis nach Mitwirkung bei diesen virtuellen, sich ständig fortentwickelnden Sachverhalten und einem noch verhältnismäßigen Eingriff in die verfahrenstechnischen und -rechtlichen Freiheiten privater Anleger. Man darf bezweifeln, ob dem BMF diese Balance gelungen ist.
Es ist zu erwarten, dass die Finanzgerichte bald Gelegenheit haben werden zu prüfen, ob das BMF die Eingriffsbefugnisse der Finanzverwaltung überdehnt. Die (verfassungs-)rechtliche Bewertung soll an anderer Stelle ausführlich Platz finden, wer jedoch mit dem Hinweis auf mangelhafte Erfüllung der Mitwirkungspflichten hohe Schätzungen erhält, sollte die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfsverfahrens prüfen lassen.
Konkretisierter Bewertungsansatz für Veräußerungsgewinne
Für die Bewertung von Kryptowerten (und damit die Bestimmung des steuerpflichtigen Gewinns) hat das BMF seine Anforderungen etwas konkretisiert. Als Marktkurs für die Anschaffungskosten und Veräußerungserlöse können nun auch ausdrücklich Handelsplattformen (z.B. Kraken, Bitpanda) oder aggregierte Kurslisten (z.B. CoinMarketCap, CoinGecko) herangezogen werden. Das entspricht ohnehin bereits der Praxis der meisten Finanzämter. Aus Vereinfachungsgründen akzeptiert das BMF, wenn für alle Transaktionen eines Tages ein einheitlicher Tageskurs angesetzt wird – das kann steuerlich vorteilhaft sein und es bleibt abzuwarten, wie die Anbieter von Reporting-Tools damit umgehen werden.
Claiming von Staking-Rewards – Steuerfalle oder Erleichterung?
Eine Frage, die für viele Staker relevant sein wird, betrifft das Claiming von Staking-Rewards. Das BMF scheint in seinem Schreiben zu fordern, dass nicht geclaimte, aber claimbare Stakingeinnahmen spätestens zum Jahresende steuerlich zu realisieren sind. Das würde dazu führen, dass Steuern auf Kryptowerte anfallen, die der Anleger noch gar nicht aktiv beansprucht hat. Gegen diese Lesart des BMF Schreibens spricht, dass hierdurch womöglich nur ein erleichterndes Wahlrecht geschaffen werden soll: Werden Staking-Rewards unterjährig realisiert, soll dem Anleger freigestellt sein, die Realisierung erst zum 31.12. zu erfassen. Rechtssicherheit besteht diesbezüglich jedoch nicht.
Steuerpflichtige sollten prüfen, ob in noch offenen Steuerjahren claimbare Staking-Rewards vorsorglich dem Finanzamt nacherklärt werden müssen. Für die Bewertung ist der konkrete Sachverhalt entscheidend, insbesondere welche Plattformen für Staking genutzt werden – denn die steuerliche Behandlung kann sich je nach Plattform und Protokoll unterscheiden.
Finanzverwaltung erhöht Druck auf Kryptosteuerhinterziehung
Die Ergänzungen und Klarstellungen haben vordergründig das Ziel vor Augen, Daten in komplementärer Zusammenarbeit zwischen Finanzämtern und Steuerpflichtigen effizient und möglichst treffsicher aufzubereiten und als Grundlage der Besteuerung heranzuziehen. Zugleich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das BMF auch die verfahrensrechtliche Grundlage schaffen möchte, um auch mit steuerstrafrechtlichen Mitteln den Druck zu erhöhen. Dabei können Steuererklärungen mit unvollständigen Kryptoangaben automatisch auffallen – Finanzämter nutzen inzwischen eigene Tools zur Überprüfung und es steht in Aussicht, dass die Finanzverwaltung künftig selbst Softwareanbieter beauftragen wird, um Steuerreports auf Basis gesammelter Daten zu erstellen und mit den Inhalten der Steuererklärungen abzugleichen. Die Finanzämter haben dafür erweiterte Prüfungsbefugnisse erhalten. Sie sind angehalten, Rohdatensätze von Steuersoftware anzufordern oder Blockchaintransaktionen nachzuverfolgen. Auf die parallel bestehende Pflicht europäischer Kryptobörsen, Kundendaten zu liefern (nach der sog. DAC-8 Richtlinie der EU), sei hier nur ergänzend hingewiesen.
Die praktische Umsetzung des Schreibens durch die einzelnen Finanzämter bleibt abzuwarten – zugleich bleibt keine Zeit mit Vorbereitungsmaßnahmen für die nächste Steuererklärung zu warten. Mit dem Thema befasste Steuerberater könnten gut daran tun, ihren Mandanten konkrete Hausaufgaben aufzugeben, um nicht kurz vor Abgabefrist mit einer großen Datenlücke konfrontiert zu werden.
➡️ Hintergrund:
BMF-Schreiben vom 06. März 2025: Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte
📌 Tipp zum Weiterlesen:
David Hötzel im Interview: „Ich empfehle die Nutzung einer Steuersoftware“ (JUVE [Paywall])