
Üblicherweise werden W&I-Versicherungen heute als Käufer-Policen ausgestaltet, d.h. der Versicherer verpflichtet sich gegenüber dem Käufer, für die Garantien und Freistellungen des Verkäufers aus dem Unternehmenskaufvertrag (Sale and Puchase Agreement, SPA) einzustehen. Somit obliegt es dem Erwerber, die W&I-Versicherung abzuschließen. Allerdings wird im Rahmen von Bieterverfahren die W&I-Versicherungslösung in aller Regel bereits vom Verkäufer vorbereitet. Ein vom Verkäufer beauftragter (aber bei Zustandekommen der Versicherung im Regelfall vom Käufer zu bezahlender) Versicherungsmakler holt hierzu bereits auf Basis des verkäuferseitigen Muster-SPA unverbindliche Angebote von Versicherern ein und fasst diese in einem Non-Binding Indications (NBI) Report zusammen, der den Bietern im Datenraum zugänglich gemacht wird.
Ziel: Ausschluss der Eigenhaftung des Verkäufers
Die gewünschte Haftungsabschottung des Verkäufers wird dabei wie folgt erreicht: Im SPA gibt der Verkäufer, wie im unversicherten Unternehmenskauf, Garantien und Freistellungen gegenüber dem Käufer ab, die Haftung des Verkäufers wird dabei jedoch im Regelfall, d.h. für die Garantien zum operativen Geschäftsbetrieb und meist auch für die Steuerfreistellung (nicht aber für Rechtsmängel und ähnliche sogenannte Fundamental Warranties) auf einen minimalen Betrag (Cap) beschränkt.
Mit zunehmender Zahl von Anbietern auf dem W&I-Versicherungsmarkt sind die Anforderungen an die Eigenhaftung der Verkäufer in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen. Zwar enthalten die W&I-Versicherungspolicen im Verhältnis zwischen Versicherer und Käufer Bagatellregelungen (de-minimis; in der Regel aktuell bei etwa 0,1 % des Transaktionswertes) und Freibeträge (in der Regel zwischen 0,25 % und 0,5 % des Transaktionswertes), aber eine Eigenhaftung des Verkäufers wird von den Versicherern (und im aktuellen Marktumfeld auch von den Käufern) nicht mehr gefordert, sodass der im SPA vereinbarte Cap im Regelfall bei EUR 1,00 liegt. Ansprüche, die den Cap übersteigen, kann der Käufer dann nur gegen die Versicherung, nicht gegen den Verkäufer selbst, geltend machen, so dass die Differenz zwischen Cap gemäß SPA und Freibetrag gemäß W&I-Police somit vom Käufer selbst getragen wird.
Zahlt eine Versicherung an den Geschädigten aufgrund eines von einem Dritten verursachten Schadens, steht dem Versicherer grundsätzlich ein gesetzlicher Regressanspruch (sog. Subrogation) gegen den Schädiger zu. Um die gewünschte Haftungsabschottung für den Verkäufer zu erreichen, muss daher sichergestellt werden, dass der Käufer mit dem Versicherer den Ausschluss der Subrogation vereinbart. Eine entsprechende Verpflichtung des Käufers gegenüber dem Verkäufer ist Bestandteil des SPA; in der Praxis ist der Ausschluss der Subrogation unproblematisch, weil bereits in den Standardbedingungen der W&I-Versicherer enthalten.
Aus Käufersicht ist der vollständige Ausschluss der Eigenhaftung des Verkäufers nicht unproblematisch, denn der Wegfall des Haftungsrisikos mag sich bei manchem Verkäufer nachteilig auf die Sorgfalt bei der Abgabe der Garantien und Zusammenstellung der Vertragsanlagen (Disclosure Exhibits) auswirken. Immerhin hat die Versicherungslösung für den Käufer den Vorteil, dass er einen (im Regelfall) solventen Schuldner für seine Garantie- und Freistellungsansprüche hat und streitige Verhandlungen über Kaufpreiseinbehalte, Bürgschaften und Escrows im Regelfall überflüssig werden. Im aktuellen Marktumfeld, das nach wie vor als „Verkäufermarkt“ beschrieben werden kann, ist es jedenfalls in Bieterverfahren zum Standard geworden, dass die Verkäufer von vornherein auf einer vollständigen Absicherung der Transaktion durch eine W&I-Versicherung unter Ausschluss der Eigenhaftung bestehen.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus: Financial YearBook (FYB) 2022, Private Equity & Corporate Finance Germany/Europe, S. 125-132
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FYB 2022_Markttrends im W&I-Versicherungsmarkt und ihre Auswirkungen auf die M&A-Vertragspraxis