
Bußgeldentscheidung der Kommission
Mit Beschluss vom 2. April 2014 hatte die Europäische Kommission („Kommission“) Geldbußen von mehr als 300 Mio. Euro gegen mehrere Hersteller von Hochspannungserd- und -unterwasserkabeln wegen Beteiligung an einem Marktaufteilungskartell von 1999 bis 2009 verhängt.
Die höchste Geldbuße von rund 105 Mio. Euro erhielt das Unternehmen Prysmian. Hiervon wurde Goldman Sachs für einen Betrag von 37 Mio. Euro gesamtschuldnerisch in Mithaftung genommen, da Goldman Sachs nach Ansicht der Kommission Prysmian im Zeitraum von Juli 2005 bis Januar 2009 über den GS Capital Partners V Funds, LP und andere verbunden Unternehmen kontrollierte.
Die Argumente von Goldman Sachs, dass es Prysmian nicht kontrollierte und es sich hierbei nur um eine (passive) Finanzinvestition handelte, hat das EuG nun zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Monaten Revision beim Europäischen Gerichtshof eingelegt werden.
Entscheidung des EuG
In seinem Urteil (T-419/14) unterschied das EuG zwischen zwei Zeiträumen: (i) dem Zeitraum 2005 bis 2007, in dem Goldman Sachs ca. 84-91 % des Gesellschaftskapitals, aber 100 % der Stimmrechte an Prysmian hielt und (ii) dem Zeitraum 2007 bis 2009, in dem Goldman Sachs weder eine Kapital- noch eine Stimmrechtsmehrheit hielt.
Für den ersten Zeitraum entschied das EuG, dass für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Goldman Sachs über Prysmian bereits eine (widerlegbare) Vermutung spricht, da Goldman Sachs mittelbar sämtliche Stimm-rechte an Prysmian hielt (und auch eine Mehrheitsbeteiligung am Gesellschaftskapital). Das EuG weitet hiermit die mit dem Urteil Akzo (C-97/08 P) eingeführte Vermutungsregel aus, die bisher lediglich auf einen (nahezu) vollständigen Kapitalanteils- und nicht Stimmrechtsbesitz abstellte. Diese Vermutung konnte Goldman Sachs nach Ansicht des EuG nicht widerlegen.
Auch für den zweiten Zeitraum sah es das EuG als erwiesen an, dass Goldman Sachs Prysmian kontrollierte, auch wenn die Vermutungsregel hier nicht griff. Insbesondere stellt das EuG hierbei auf die folgenden Anhaltspunkte ab:
- die Befugnis zur Berufung von Mitgliedern in verschiedene Geschäftsführungsorgane von Prysmian;
- die Befugnis, die Anteilsinhaber zu Versammlungen einzuberufen und Geschäftsführer abzuberufen;
- die Rolle, die Mitglieder mit Verbindungen zu Goldman Sachs in Geschäftsführungsorganen und dem Strategischen Ausschuss von Prysmian spielten;
- den Umstand, dass Goldman Sachs regelmäßige Berichte über die Geschäftstätigkeit von Prysmian erhielt; und
- Geschäftsverbindungen zwischen Prysmian und anderen Portfolio-Unternehmen von Goldman Sachs.
Für den zweiten Zeitraum spielte hierbei eine wesentliche Rolle, dass sich die Besetzung der Geschäftsführungsorgane verglichen mit dem ersten Zeitraum nicht wesentlich änderte und Goldman Sachs sich für eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse Vetorechte ausbedungen hatte.
Situation in Deutschland und mögliche Auswirkungen
Seit 2017 gibt es im deutschen Recht für Muttergesellschaften ein mit dem Unionsrecht nahezu gleichlaufendes Haftungsregime (9. GWB-Novelle). Die Rechtsprechung des EuG hat daher auch Relevanz für Verfahren des Bundeskartellamts.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Kommission und das Bundeskartellamt diese Rechtsprechung des EuG in zukünftigen Verfahren berücksichtigen werden. Für Private Equity-Investoren kann dies ein höheres Kartellrechtsrisiko bedeuten. Dieses kann durch Berücksichtigung solcher Risiken in der Due Diligence und einer Compliance-Organisation auf Ebene der Portfolio-Unternehmen reduziert werden.
Kurz und kompakt
- Kartellrechtliche Haftungsrisiken von Private Equity-Investoren sind nun gerichtlich bestätigt
- Eine gesamtschuldnerische Haftung ist auch bei kontrollierenden Beteiligungen von unter 50% (der Stimm- und Kapitalrechte) möglich
- Nahezu gleichlaufendes Haftungsregime im deutschen Recht
- Mögliche Vorkehrungen durch spezifische Due Diligence und Compliance-Organisation