Seit dem Veranlagungszeitraum 2018 gilt das Investmentsteuergesetz in seiner aktuellen Fassung (InvStG). Die Regelungen haben Vorrang gegenüber den allgemeinen steuerlichen Regelungen. Die Besteuerung auf Anlegerebene regeln die §§ 16 ff. InvStG. Als Grundsatz gilt, dass sämtliche Investmenterträge, die ein Anleger eines Investmentfonds bezieht, steuerpflichtig sind. Hierunter fallen Ausschüttungen jeglicher Art, Vorabpauschalen und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen. Qualifiziert der Investmentfonds als Aktien-, Misch-, Immobilien- oder Auslands-Immobilienfonds, greift die begünstigende Teilfreistellung. Sie gilt für alle Investmenterträge. Die Höhe der jeweiligen Teilfreistellungsquote bemisst sich nach dem zuvor bestimmten Fondstyp und der konkreten Anlegerklasse (§ 20 InvStG).
Zur Gewährleistung der begünstigten Aktienteilfreistellung müssen bei einem Aktienfonds gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50% des Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen angelegt sein (§ 20 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG). Qualifiziert der Investmentfonds formal nicht als Aktienfonds, da die Anlagebedingungen keine hinreichenden Aussagen zum Erreichen der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote enthalten oder per-se gar keine Anlagebedingungen existieren, hat der Anleger nach § 20 Abs. 4 InvStG die Möglichkeit, durch geeignete Nachweise aufzuzeigen, dass der Investmentfonds rein tatsächlich durchgehend die Anforderungen an die Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote erfüllt (vgl. ebenso BMF-Schreiben zum InvStG vom 21.05.2019, Tz. 20.11 und 20.12).
Mit Blick auf die Laufzeit und den damit einhergehenden Phasen eines Investmentfonds ergeben sich nachstehende Konstellationen:
Während des Zeitraums von sechs Monaten nach Neuauflage ist die tatsächliche Portfoliozusammensetzung vorerst ohne Bedeutung. Die für einen Aktienfonds vorgegebene Kapitalbeteiligungsquote muss in diesem Zeitraum noch nicht erfüllt sein (BMF-Schreiben zum InvStG vom 21.05.2019, Tz. 2.8). Nach Ablauf der „Anlaufphase“ muss die Kapitalbeteiligungsquote mehr als 50% des Aktivvermögens betragen, um direkt in den Genuss der Aktienteilfreistellung zu gelangen. Ist das nicht der Fall, greift im Einzelfall eine geringere oder gar keine Teilfreistellung.
Mit dem weiteren Aufbau des Portfolios kann sich die Teilfreistellungsquote entsprechend der Kapitalbeteiligungsquote ändern. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG regelt für diesen Fall, dass bei einer Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes der Investmentanteil als veräußert und am Folgetag als angeschafft gilt (sog. Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion). Für Fälle nach § 20 Abs. 4 InvStG (s.o.) greift § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG. Der Investmentanteil gilt dann mit Ablauf des Veranlagungszeitraums als veräußert, in dem der Anleger nach § 20 Abs. 4 InvStG die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung nachgewiesen hat, aber in dem folgenden Veranlagungszeitraum keinen Nachweis für die Teilfreistellung oder den Nachweis für einen anderen Teilfreistellungssatz erbringt. Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung wird eingefroren und gilt erst in dem Zeitpunkt als zugeflossen, in dem der Investmentanteil tatsächlich veräußert wird (§ 22 Abs. 3 InvStG). Als Veräußerung gilt gemäß § 2 Abs. 13 InvStG auch die Anteilsrückgabe. Neben dem Zufluss des fiktiven Veräußerungsgewinns erfolgt zudem die Besteuerung des Gewinns aus der tatsächlichen Veräußerung unter Berücksichtigung der fiktiven Anschaffungskosten.
Auch im Zeitraum des Abbaus des Portfolios müssen die relevanten Quoten eingehalten werden. Fällt nunmehr die Kapitalbeteiligungsquote auf 50% oder weniger, entfällt die Aktienteilfreistellung; im ungünstigsten Fall ebenso die für einen Mischfonds. Auch dieser Fall ist unter § 22 Abs. 1 InvStG zu fassen, mithin jeweils die Veräußerungs- und Anschaffungsfiktionen zu beachten. Zudem gilt es, das fiktive Veräußerungsergebnis zu ermitteln. Der Zufluss stellt wiederum auf die tatsächliche Veräußerung des Investmentanteils ab (s.o.).
Am Ende der Laufzeit hat zudem der Beginn der Liquidation Einfluss auf die Besteuerung. Als Beginn der Abwicklung eines ausländischen Investmentfonds gilt grundsätzlich der Zeitpunkt, zudem das Recht der Verwaltungsstelle zur Verwaltung des Investmentfonds erlischt. Typischerweise erfolgt dies durch Beschluss. Ausländische Investmentfonds haben jedoch die Möglichkeit, einen davon abweichenden Beginn der Abwicklung nachzuweisen, was im Einzelfall zu prüfen ist (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InvStG).
Für Ausschüttungen vor dem Beginn der Liquidation gilt oben genanntes. Ausschüttungen nach dem Beginn der Liquidation im Abwicklungszeitraum qualifizieren typischerweise auch steuerlich als solche. Die Einordnung der Liquidationserlöse als Veräußerung(-serlöse) ist nur dann gegeben, wenn die Liquidation beendet ist (sog. beendete Abwicklung oder Liquidation; § 2 Abs. 13 InvStG). Die Auskehrung während der Abwicklungsphase hat jedoch einen gravierenden Unterschied zur Auskehrung kurz vor Liquidationsbeginn. In der Abwicklungsphase kommt es korrespondierend zum Zeitraum nach Neuauflage nicht mehr darauf an, ob der Investmentfonds die vorausgesetzte Vermögenszusammenstellung tatsächlich erreicht (BMF-Schreiben zum InvStG vom 21.05.2019, Tz. 2.8). Mithin greift die begünstigte Teilfreistellung auch auf Ausschüttungen während der Abwicklung. Die Höhe des steuerpflichtigen Anteils bestimmt sich nach § 17 Abs. 1 InvStG.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die Teilfreistellung während der Laufzeit eines Investmentfonds (mehrfach) ändern kann. Die Portfoliozusammensetzung unter Berücksichtigung der Phase, in der sich der Investmentfonds befindet, hat wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Teilfreistellung und die steuerpflichtigen Investmenterträgen auf Ebene des Anlegers im jeweiligen Veranlagungszeitraum.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Handelsblatt online, Steuerboard, 21. Juli 2020