Die im Jahr 1972 mit dem Inkrafttreten des AStG (BGBl. I 1972 S. 1713) eingeführte und zuletzt mit Wirkung ab dem 01.01.2022 durch das sog. ATAD-Umsetzungsgesetz (BGBl. I 2021 S. 2035) geänderte Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 bis 14 AStG fristet in der steuerlichen Praxis schon längst kein Schattendasein mehr, sondern ist ob ihres weiten Anwendungsbereichs von der seltenen Ausnahme zur stets im Blick zu behaltenden Regel avanciert.
Im Zusammenhang mit dem InvStG ist zu konstatieren, dass die Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 5 und § 13 Abs. 5 AStG von einer grundsätzlich vorrangigen Anwendung des InvStG ausgeht; mit anderen Worten: Die Vorschriften des InvStG sperren die Anwendbarkeit der §§ 7 bis 14 AStG. Dieser Grundsatz wird jedoch durch verschiedene Regelungen durchbrochen. Dies ist deswegen virulent, weil mit der Anwendbarkeit des AStG unter Umständen eine tatsächliche steuerliche Mehrbelastung z.B. wegen § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG oder aufgrund der fehlenden Anrechenbarkeit ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer nach § 12 AStG einhergeht. Des Weiteren löst die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung durch die Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung nach § 18 Abs. 3 Satz 1 AStG erhöhten Tax-Compliance-Aufwand aus.
Sperrwirkung des InvStG
Im Kontext des InvStG stellt sich die Frage, ob zum einen ausländische Investmentfonds und zum anderen ihnen nachgeschaltete Gesellschaften als Zwischengesellschaften qualifizieren können, was zur Anwendung der (einfachen) Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG in Beherrschungskonstellationen oder der (erweiterten) Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 AStG in Konstellationen ohne Beherrschung der Zwischengesellschaft führt.
Dazu trifft § 7 Abs. 5 Satz 1 AStG die grundsätzliche Aussage, dass die einfache Hinzurechnungsbesteuerung ausscheidet, sofern auf die Zwischengesellschaft die Vorschriften des InvStG anzuwenden sind. Gleiches gilt für die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 Abs. 5 Satz 1 AStG. Im Unterschied zur erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung, die keine Ausnahme von dieser Regel kennt, ermöglicht aber die sog. Drittelregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG die Durchbrechung der Sperrwirkung des InvStG.
Bezüglich etwaiger dem ausländischen Investmentfonds nachgeschalteter Gesellschaften trifft § 7 Abs. 5 Satz 1 AStG keine Aussage. Demgegenüber sperrt § 13 Abs. 5 Satz 2 AStG explizit die Anwendung der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung auch auf mittelbare Beteiligungen, die über einen (Spezial-)Investmentfonds gehalten werden.
Unklarheiten bestehen ob dieser Regelungen in mannigfaltiger Form, sei es z.B. zum Verhältnis der einfachen zur erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung im Hinblick auf mittelbare Beteiligungen, zum Beherrschungskonzept in Gestalt der Reichweite der gesetzlichen Vermutung in § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG oder der richtigen Anwendung der Beherrschungsgrundsätze auf Teilfonds und zur Auslegung der Drittelregelung.
MinBestRL-UmsG, Wachstumschancengesetz und AStG-Anwendungsschreiben
MinBestRL-UmsG
Das BMF hat am 10.07.2023 nach vorherigem Diskussionsentwurf vom 17.03.2023 einen Referentenentwurf für ein Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union und die Umsetzung weiterer Begleitmaßnahmen (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) veröffentlicht. Während sich im Referentenentwurf als Begleitmaßnahmen des MinBestRL-UmsG – zwecks Gleichlauf von Hinzurechnungsbesteuerung und globaler effektiver Mindestbesteuerung mit Blick auf die Besteuerung ausländischer Tätigkeiten – bedeutende Punkte wie die Absenkung der Niedrigsteuergrenze in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 3 AStG auf 15% und die Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrags durch Aufhebung der § 7 Satz 7 bis 9 GewStG finden, welche dem Steuerpflichtigen einiges an Erleichterung bringen und die Folgen der Durchbrechung der Sperrwirkung des InvStG abmildern, sucht man vergeblich nach Aussagen zum Verhältnis zwischen InvStG und AStG.
Wachstumschancengesetz
Der jüngste Referentenentwurf des BMF vom 17.07.2023 zum Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) soll die steuerlichen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum, Investition und Innovation verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken. Zum AStG und insbesondere zum Verhältnis des InvStG zum AStG trifft er allerdings keine relevanten Aussagen.
AStG-Anwendungsschreiben
Der lang erwartete Anwendungserlass zum AStG wurde vom BMF am 19.07.2023 an die Verbände zur Stellungnahme gesendet und enthält im Wesentlichen u.a. die nachfolgenden Äußerungen mit Bezug zum Verhältnis zwischen InvStG und AStG:
- Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für (i) die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung in § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG sowie (ii) – wofür die Vorlage der Statusbescheinigung ausreicht – für die Anwendbarkeit des InvStG gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 AStG und § 13 Abs. 5 Satz 1 AStG und (iii) für das Halten einer mittelbaren Beteiligung über einen (Spezial-)Investmentfonds i.S.d. InvStG gem. § 13 Abs. 5 Satz 2 AStG.
- Unbeschränkt bzw. beschränkt Steuerpflichtige i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG und § 7 Abs. 1 Satz 4 AStG sind auch haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines inländischen bzw. ausländischen (Spezial-)Investmentfonds nach § 1 Abs. 4 InvStG. Solche „Teilfonds“ können ebenso ausländische Gesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG oder nahstehende Personen i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG sein.
- Die gesetzliche Vermutung in § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG kann dann widerlegt werden, wenn die Förderung eines gemeinsamen Zwecks unter Fortbestand der Gesellschaft vorübergehend oder dauernd unmöglich geworden ist. Gleiches gilt, wenn sich der gemeinsame Zweck in einer Vermögensanlage erschöpft, bei der das Anlageobjekt zunächst nicht konkret bestimmt ist und solange die Anleger sich nicht kennen und diesen ausschließlich Informationsrechte zustehen. Darüber hinaus kann eine Widerlegung der Unterstellung eines Zusammenwirkens durch abgestimmtes Verhalten in Betracht kommen, soweit der Steuerpflichtige das Bestehen ernstlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und anderen Gesellschaftern oder Mitunternehmern nachweist.
- Der Vorrang der Investmentbesteuerung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 AStG bezieht sich nur auf die allgemeine und verschärfte (vgl. § 9 StAbwG) Hinzurechnungsbesteuerung, während § 13 Abs. 5 AStG ausschließlich im Anwendungsbereich der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung gilt. § 13 Abs. 5 AStG ist daher in Beherrschungssituationen nicht anwendbar.
- Die Drittel-Grenze des § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG ist überschritten, wenn die Summe der Zwischeneinkünfte aus Geschäften mit dem Steuerpflichtigen und ihm nahestehenden Personen mehr als ein Drittel der gesamten Zwischeneinkünfte des ausländischen (Spezial-)Investmentfonds beträgt.
- Geschäfte i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG sind jedwede synallagmatischen Rechtsgeschäfte, insbesondere Finanzierungsbeziehungen.
- Jeder Steuerpflichtige, der die Voraussetzungen der allgemeinen (einschließlich der verschärften) oder der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, ist gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 AStG erklärungspflichtig; dem steht grundsätzlich nicht entgegen, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung im Ergebnis unterbleibt.
Fazit
Die genannten Entwürfe des BMF treffen in der Praxis auf hohe Erwartungen, die nur teilweise erfüllt werden. Insbesondere die Ausführungen zur gesetzlichen Vermutung in § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG sind sehr vage und wenig hilfreich im Kontext von Fondsstrukturen in der Rechtsform von Personengesellschaften. Etwas punktgenauer sind demgegenüber die Aussagen zur Drittelregelung. Während das Wachstumschancengesetz keinerlei Aussage zum Verhältnis des InvStG zum AStG trifft, sind die durch das MinBestRL-UmsG perspektivisch einzuführenden Begleitmaßnahmen (Absenkung der Niedrigsteuergrenze und Gewerbesteuerfreiheit des Hinzurechnungsbetrags) äußerst begrüßenswert und wirken sich insgesamt positiv auf die Steuerpflichtigen aus. Aus den expliziten Aussagen im Entwurf des AStG-Anwendungsschreibens lassen sich insbesondere folgende darüber hinausgehende Rückschlüsse auf die Finanzverwaltungsauffassung hinsichtlich des Verhältnisses des InvStG zum AStG ableiten:
- Unter dem neuen Beherrschungskonzept nach dem ATAD-Umsetzungsgesetz findet die Zweckvermögensfiktion des § 1 Abs. 4 InvStG generelle Anwendung im AStG, sodass bei Teilfonds immer auf die jeweilige Beherrschung oder das Nahestehen des Teilfonds und nicht auf die Beherrschung oder das Nahestehen des den Teilfonds umfassenden (Spezial-)Investmentfonds abgestellt wird.
- Maßnahmen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, z.B. Dividendenzahlungen, sind nicht vom Begriff des „Geschäfts“ i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG erfasst, da Gesellschaftsverträge keine synallagmatischen Austauschverhältnisse sind.
- Die Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung nach § 18 Abs. 3 Satz 1 AStG sollte mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht greifen, wenn das InvStG die Anwendbarkeit des AStG sperrt.
Die weitere Entwicklung der Entwürfe bleibt in der Hoffnung nach weiterer Konkretisierung, insbesondere hinsichtlich des Beherrschungskonzepts nach § 7 AStG, welches maßgeblich für die Durchbrechung der Sperrwirkung des InvStG ist, abzuwarten.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 15. August 2023