Mit der Einführung der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) ist der Gesetzgeber der Forderung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil v. 17.12.14, 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50) nachgekommen, eine unverhältnismäßige erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung von übertragenen Großunternehmen zu vermeiden. Großerwerbe dürften nur steuerlich begünstigt werden, soweit dies zum Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze erforderlich sei. Die Verschonungsbedarfsprüfung beabsichtigt somit, einerseits unternehmerisches Vermögen zu schonen und andererseits Großerwerbe zu besteuern, soweit dies angesichts des einzusetzenden Vermögens zumutbar ist. Ab einem Erwerb von 90 Mio. Euro ist die Verschonungsbedarfsprüfung nunmehr die einzige verbleibende Möglichkeit, eine Steuerbegünstigung für Unternehmensvermögen zu erhalten. Da mitunter extrem hohe Steuerbelastungen drohen, sollten für die Übertragung von Unternehmensvermögen vorsorglich umfassende steuerliche und rechtliche Vorbereitungen getroffen werden.
Die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG
Die Verschonung nach § 28a ErbStG kann für begünstigtes Vermögen i.S. des § 13b Abs. 2 ErbStG ab einem Wert von mehr als 26 Mio. Euro ohne Obergrenze genutzt werden. Der Erwerber kann dann den Erlass für die auf das begünstigte Vermögen anfallende Steuer beantragen, soweit er nachweisen kann, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen (§ 28a Abs. 1 ErbStG). Auf Verwaltungsvermögen oder Privatvermögen als Teil eines Nachlasses oder einer Schenkung findet § 28a ErbStG hingegen keine Anwendung.
Als verfügbares Vermögen gelten 50% des mit der Vermögensübertragung erworbenen sowie des zum Zeitpunkt der Steuerentstehung bereits dem Erwerber gehörenden nicht begünstigten Vermögens (§ 28a Abs. 2 ErbStG). Zusätzlich sind weitere Erwerbe durch Schenkung oder von Todes wegen (auch von anderen Personen als dem ursprünglichen Schenker oder Erblasser) innerhalb von zehn Jahren zu berücksichtigen, soweit es sich hierbei um verfügbares Vermögen handelt (sog. schädliche Nacherwerbe, § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ErbStG).
Drei Ebenen der Nachfolgeplanung
Daher stellt sich die Frage, wie die Pflicht des Erwerbers zur Einsetzung von verfügbarem Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG vermieden oder jedenfalls minimiert werden kann. Stellschrauben können die getrennte Übertragung von begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen auf verschiedene Erwerber sein sowie die zeitliche Planung weiterer Übertragungen unter Berücksichtigung des Zehnjahreszeitraums für schädliche Nacherwerbe. Hiervon ausgehend muss der Berater in seine Planung drei verschiedene Ebenen einbeziehen und auf jeder möglichst frühzeitig entsprechende vorausschauende Maßnahmen ergreifen.
Die Unternehmensebene
Da zugleich mit dem Erbfall oder der Schenkung übergehendes nicht begünstigtes Vermögen als verfügbares Vermögen zur Begleichung der anfallenden Steuer herangezogen wird, sollte nicht begünstigtes Vermögen auf Ebene des zu übertragenden Unternehmens vor der Übertragung möglichst vollumfänglich reduziert werden. Dies gilt für das sog. Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 ErbStG), also nicht produktives Vermögen wie etwa vermietete Wohnungen (Ausnahme: Wohnungsunternehmen), Anteile an Kapitalgesellschaften von bis zu 25%, Wertpapiere, Kunstgegenstande und andere dem privaten Lebensbereich zuzurechnende Gegenstande. Aber auch junge Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG) und junges Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG) sind durch Umstrukturierungen möglichst zu reduzieren, wobei hier zu berücksichtigen ist, dass nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung selbst durch konzerninterne Einlagen junge Finanzmittel entstehen.
Die Erwerberebene
Ziel des Beraters muss es sein, den Erwerber möglichst „arm“ zu machen bzw. zu halten, d.h. der Erwerber sollte so wenig verfügbares Vermögen wie möglich haben. Einfach ist dies oftmals bei Übertragung auf sehr junge Familienmitglieder, die noch kein (relevantes) Vermögen erhalten haben (gleichzeitig steigen in diesen Fällen die Anforderungen an die rechtlichen Mechanismen zur Kontrolle des Vermögens durch den Schenker). Für das beim älteren Erwerber bereits vorhandene nicht begünstigte Vermögen kann es sich aufgrund der geltenden Stichtagsbetrachtung beispielsweise anbieten, das verfügbare Vermögen des Beschenkten vor dem Erwerb auf nachfolgende Generationen oder auf den Ehepartner, z.B. im Rahmen einer Güterstandsschaukel, zu übertragen.
Als von vornherein armer Erwerber kommt auch eine neu zu gründende Familienstiftung in Betracht, die kein sonstiges Vermögen hat und daher ein erbschaftsteueroptimierter Erwerber ist. Zudem gilt für die Ausstattung der Stiftung bei deren Errichtung unter Lebenden oder von Todes wegen das Steuerklassenprivileg (§ 15 Abs. 2 ErbStG), durch welches die Stiftungsausstattung im Idealfall in der günstigen Steuerklasse I zu besteuern ist (anders als spätere Zustiftungen, für welche die ungünstige Steuerklasse III gilt). Auf der Ebene des Erwerbers ist zudem zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung innerhalb einer siebenjährigen Behaltensfrist Verfügungs- und Entnahmebeschränkungen (§ 28a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG) wie bei der Optionsverschonung zu beachten sind.
Die Erblasser-/Schenker-Ebene
Auf der Ebene des Schenkers sollte der Berater für spätere Erbfalle in der Familie möglichst so planen, dass die ursprünglich Beschenkten innerhalb der Zehnjahresfrist kein verfügbares Vermögen erhalten. Dies kann durch entsprechende Testamentsgestaltung gesteuert werden. Denkbar ist z.B., das verfügbare Privatvermögen im Todesfall des Schenkers auf dessen Ehepartner übergehen zu lassen, wenn diesem ein besonderer Freibetrag in Hohe der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG zusteht.
Auch zur Verhinderung schädlicher Nacherwerbe kann die schon erwähnte Familienstiftung eine zentrale Rolle spielen. In Betracht kommt insbesondere die Anordnung einer Familienstiftung von Todes wegen und Übertragung nicht begünstigten Vermögens auf diese im Wege des Vorvermächtnisses. Gleichzeitig kann der Erblasser anordnen, dass die Stiftung später im Rahmen eines Nachvermächtnisses das nicht begünstigte Vermögen an die ursprünglich Beschenkten übertragen muss, wenn bei diesen die Zehnjahresfrist für schädliche Nacherwerbe verstrichen ist.
Fazit
Die Verschonungsbedarfsprüfung ermöglicht bei vorausschauender Planung der Vermögensnachfolge auch für Großerwerbe eine Steuerverschonung. Vor dem Hintergrund der bisherigen Historie des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes ist davon auszugehen, dass für diese Verschonungsmöglichkeit derzeit ein Zeitfenster besteht, dessen dauerhafter Fortbestand nicht gesichert ist.
Angesichts des mit der letzten Reform noch komplexer gewordenen Begünstigungsregimes des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes und der notwendigen Einbeziehung aller Familienmitglieder in die langfristige Planung, ist ein gewisser zeitlicher Vorlauf zur Strukturierung der Vermögensübertragung unabdingbar. Ohnehin ist aus Beratersicht die Übertragung von Unternehmensvermögen unter Lebenden wegen der besseren Planbarkeit der Übertragung von Todes wegen vorzuziehen.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2019/2020, 2019, S. 710-711
Mehr zum Thema:
Vermächtniserwerb inländischer Grundstücke – FG München entscheidet zur Erbschaftsteuerpflicht
BFH klärt offene Fragen bei Ausschüttungen einer ausländischen Familienstiftung