
Inhalt des BaFin-Merkblatt-Entwurfs
Der Entwurf des Merkblatts zielt darauf ab, klare Grenzen zwischen der gesetzlich normierten Verantwortung der KVG für die Portfolioverwaltung und einer aufsichtsrechtlich als unzulässig erachteten Eigenverwaltung der Fonds durch Anleger zu setzen. Die BaFin konkretisiert in diesem Zusammenhang die regulatorischen Grenzen für die Einflussnahme von Anlegern. Im Wesentlichen trifft das Merkblatt die folgenden Aussagen:
- Verbot von Weisungsrechten: Anleger dürfen keine unmittelbaren Weisungen zu einzelnen Anlageentscheidungen erteilen, da hierdurch die Letztentscheidungskompetenz von der KVG auf die Anleger übertragen werde.
- Einschränkung von Vetorechten und Zustimmungsvorbehalten: Anleger können in bestimmten Grenzen übergeordnete Vorgaben zu Anlagestrategien machen, dürfen aber nicht bestimmend in einzelne Transaktionen eingreifen. Die BaFin hält Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Bezug auf einzelne (Des-)Investitionsentscheidungen für unzulässig.
- Erweiterte Dokumentationspflichten: KVGen müssen Einflussnahmen der Anleger genau dokumentieren und begründen.
- Klare Trennung der Verantwortlichkeiten: Die alleinige Verantwortung für das Portfoliomanagement muss bei der KVG verbleiben, während Anleger nur auf strategischer Ebene Einfluss nehmen dürfen.
Kritik am Entwurf und Stellungnahme
Unsere Kritik an dem Entwurf des Merkblatts bezieht sich im Wesentlichen auf die folgenden Punkte:
Fehlende gesetzliche Grundlage und fehlende Regelungsbedürftigkeit
Wir halten eine weitergehende regulatorische Begrenzung der Mitwirkungsrechte von Anlegern für nicht erforderlich. Eine Einschränkung von Vetorechten und Zustimmungsvorbehalten könnte erhebliche Marktverzerrungen nach sich ziehen und Deutschland als Fondsstandort im internationalen Wettbewerb schwächen. Entsprechend sollte das Merkblatt unseres Erachtens insgesamt zurückgezogen werden. Die bestehende Verwaltungspraxis hat sich bewährt, und es gibt keine Hinweise darauf, dass eine regulatorische Anpassung notwendig ist. Insbesondere besteht keine gesetzliche Grundlage im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), die eine derart umfassende Begrenzung der Mitwirkungsrechte rechtfertigen würde.
Keine Unterscheidung zwischen registrierten und voll regulierten Kapitalverwaltungsgesellschaften
Der Entwurf lässt offen, ob die neuen Regelungen auch auf registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften Anwendung finden sollen, wobei im Merkblatt Vorschriften des KAGB zitiert werden, von deren Anwendungsbereich registrierte KVGs gesetzlich explizit ausgenommen sind. Diese Unklarheit führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Registrierte KVGen unterliegen einem reduzierten Aufsichtsregime, und eine Erweiterung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf diese Gruppe wäre nicht gerechtfertigt. Wir halten daher eine explizite Klarstellung für erforderlich, dass registrierte KVGen nicht unter die neuen Dokumentations- und Nachweispflichten fallen, für den Fall dass das Merkblatt nicht gänzlich zurückgezogen wird.
Bestands- und Vertrauensschutz für bestehende Fondsstrukturen
Eine der wesentlichen Fragen betrifft die Anwendung des Merkblatts auf bestehende Fondsstrukturen. Es ist unklar, ob die neuen Vorgaben auch auf bereits verhandelte und laufende Investmentstrukturen angewendet werden sollen. Viele Investoren haben in Fonds investiert, bei denen Zustimmungsvorbehalte und Vetorechte vertraglich festgelegt wurden. Eine nachträgliche Einschränkung dieser Rechte würde erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheiten verursachen. Für den Fall, dass das Merkblatt nicht gänzlich zurückgezogen wird, erwarten wir, dass Bestandsfonds von der neuen Verwaltungspraxis ausgenommen werden und Vertrauensschutz genießen.
Klärung der Anwendung in Konfliktsituationen
Viele Zustimmungsvorbehalte der Anleger beziehen sich auf Investments, die Interessenkonflikte betreffen. Beispielsweise werden Anlegerrechte häufig genutzt, um Transaktionen mit verbundenen Unternehmen oder Investments in stark regulierte Sektoren zu überprüfen. Eine generelle Einschränkung dieser Rechte würde zu einer ungewollten Schwächung des Anlegerschutzes führen. Wir erwarten daher hilfsweise auch, dass das Merkblatt explizit klarstellt, dass Zustimmungsvorbehalte in solchen Situationen weiterhin zulässig sind.
Fazit und Ausblick
Die geplanten Änderungen der Verwaltungspraxis der BaFin könnten erhebliche Auswirkungen auf die am Markt etablierten Standards der Fondsverwaltung und der Einflussnahmerechte von Anlegern haben. Die BaFin hat die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 31. März 2025 Stellungnahmen zu dem Merkblatt-Entwurf einzureichen, von der wir zusammen mit einigen Kollegen Gebrauch gemacht haben. Es bleibt abzuwarten, ob die Aufsicht auf Basis der eingegangenen Rückmeldungen eine Überarbeitung des Entwurfs vornehmen wird. Sollte die BaFin die geplanten Einschränkungen umsetzen, könnte dies tiefgreifende Auswirkungen auf die Strukturierung von Investmentvermögen in Deutschland haben. Marktteilnehmer sollten sich bereits jetzt mit diesen neuen Entwicklungen auseinandersetzen. KVGen sind gut beraten, den Bedarf für vertragliche Umgestaltungen frühzeitig zu identifizieren.