
In Deutschland belegene Immobilien können erbschaftsteuerfrei übertragen werden, wenn der Erblasser dem Begünstigten die Immobilie durch Vermächtnis zuwendet und weder Erblasser noch Begünstigter in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben sowie beide, im Falle deutscher Staatsangehörigkeit, bereits länger als fünf Jahre im Ausland leben. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 23. November 2022 (II R 37/19) entschieden. Zu entscheiden war die Frage, ob der durch Vermächtnis erworbene Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem in Deutschland belegenen Grundstück der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt.
Das Wichtigste in Kürze
Ein Vermächtnis an in Deutschland belegenem Grundvermögen kann erbschaftsteuerfrei sein. Voraussetzung dafür ist, dass (1) weder der Erblasser noch der Bedachte in Deutschland ansässig sind und (2) das Vermächtnis gemäß dem internationalen Privatrecht einer Rechtsordnung unterliegt, die dem Vermächtnis keine dingliche Wirkung zuordnet.
Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht
Sind der Erblasser und/oder der Erwerber in Deutschland ansässig, unterliegt der gesamte Erwerb von Todes wegen in Deutschland der Erbschaftsteuer (unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht). Haben dagegen weder Erblasser noch Erwerber in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und leben, wenn sie deutsche Staatsangehörige sind, seit mindestens fünf Jahren im Ausland, unterliegt der deutschen Erbschaftsteuer nur der Erwerb von im Gesetz abschließend aufgeführtem Inlandsvermögen (beschränkte Erbschaftsteuerpflicht). Hierzu gehört beispielsweise inländisches Grundvermögen.
Ein Vermächtnisanspruch unterliegt im Fall der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht grundsätzlich nicht der Erbschaftsteuer
Nicht höchstrichterlich entschieden war bisher, ob ein Vermächtnis an inländischem Grundvermögen unter den Begriff des Inlandsvermögens gefasst werden und somit der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegen kann.
Ein Vermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwendet. Im deutschen Recht hat dies zur Folge, dass mit dem Vermächtnis lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf die Übertragung der im Vermächtnis aufgeführten Vermögensgegenstände erworben wird. Die Vermögensübertragung erfolgt in einem davon unabhängigen Übertragungsakt.
Nach Auffassung des BFH lässt sich der aus dem Vermächtnis stammende Anspruch keiner der im Gesetz abschließend aufgezählten Tatbestände zuordnen. Dies wäre nur der Fall, wenn das inländische Vermögen selbst Gegenstand des Erwerbs ist. Ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung inländischen Grundvermögens als Erwerbsgegenstand genügt dafür nicht.
Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes sei nur möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen würde. Dies sei mangels Vergleichbarkeit des Anspruchs auf Übertragung mit der tatsächlichen Übertragung nicht gegeben, da es nicht sicher sei, ob es tatsächlich später auch zu einer Übertragung des Vermögensgegenstands kommt.
Die erbschaftsteuerliche Beurteilung des Vermächtnisses im Fall der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht gilt allgemein und damit nicht nur für Grundvermögen, sondern auch für Vermächtnisse an anderem inländischem Vermögen, beispielsweise an Anteilen an Kapitalgesellschaften.
Achtung, wenn das Erbrecht eines anderen Staates Anwendung findet
Die Qualifikation des Vermächtnisses im Erbschaftsteuerrecht richtet sich nach dem Zivilrecht. Wenn auf den Erbfall nicht deutsches Erbrecht, sondern das Erbrecht eines anderen Staates anzuwenden ist, ist die Qualifikation nach dem ausländischen Recht vorzunehmen. Da der Vermögensgegenstand nach dem Recht anderer Staaten möglicherweise durch das Vermächtnis direkt erworben werden kann, ist das anwendbare Recht und seine Auswirkung stets zu prüfen.