Der BFH bestätigt mit seiner neuen Entscheidung (Urteil vom 22.02.2023 – I R 27/20) die bisher von ihm aufgestellten Grundsätze zur Fremdüblichkeit von privaten Gesellschafterdarlehen, konkretisiert diese und schafft somit diesbezüglich wieder mehr Rechtssicherheit. Steigende Rechtsunsicherheit bestand hier unter anderem durch die anhaltende Kritik in der Literatur an dem sog. „Margenteilungsgrundsatz“ sowie durch eine Entscheidung des BFH zur Bestimmung von konzerninternen Verrechnungspreisen (Urteil vom 18.05.2021 – I R 4/17).
Gesellschafterverrechnungskonten müssen „fremdüblich“ verzinst sein
Grundsätzlich ist zu beachten, dass jede Gewährung von finanziellen Mitteln von einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter auf ihre Fremdüblichkeit zu überprüfen ist. Daher sind nicht nur die „klassischen Gesellschafterdarlehen“, sondern z.B. auch Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit Gesellschafterverrechnungskonten, auf ihre Fremdüblichkeit zu überprüfen. Wichtig hierbei ist, dass nicht die Gesamtheit der Geschäftsvorfälle mit dem Gesellschafter zu prüfen ist, sondern jeder Geschäftsvorfall für sich allein.
Fremdüblichkeit – eine Marktfrage
Wie bei jeder Form der Kapitalüberlassung bestimmt sich der maßgebliche „fremdübliche“ Zinssatz für die Kapitalüberlassung an Gesellschafter anhand des Marktes. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die zur Verfügung gestellten Sicherheiten und die Risikoprofile von Schuldner, Gläubiger sowie der konkreten Kapitalüberlassung.
Es gibt häufig nicht „den“ fremdüblichen Zinssatz
Es gibt häufig nicht „den“ fremdüblichen Zinssatz. Vielmehr wird es in der Regel eine ganze Bandbreite von Zinssätzen geben, die als fremdüblich anzusehen sind. Innerhalb des durch diese Zinssätze gesteckten Rahmens kann grundsätzlich der für den Gesellschafter günstigste Zinssatz gewählt werden.
Bankübliche Habenzinsen allein nicht maßgeblich – selbst bei Strafzinsen
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens der Gesellschaft auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Vor diesem Hintergrund könnte man sich fragen, ob bei einer unentgeltlichen oder niedrig verzinsten Darlehensvergabe in Zeiten von „Strafzinsen“ oder bei Habenzinssätzen nahe Null tatsächlich eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung vorliegt. Zu beachten ist aber, dass der Gesellschaft durch den Kapitalentzug grundsätzlich die Möglichkeit genommen wird, für dieses Kapital mit der Geschäftstätigkeit eine Eigenkapitalverzinsung zu erzielen. Eine gewählte Verzinsung muss daher zumindest diese Verwendung ausgleichen bzw. die ggf. (übersteigenden) banküblichen Habenzinsen kompensieren.
Vorrangig „Preisvergleichsmethode“
Der „fremdübliche“ Zinssatz ist vorrangig mit der sogenannten „Preisvergleichsmethode“ zu ermitteln. Hierfür ist der Zins zu ermitteln, für welchen fremde Dritte unter vergleichbaren Bedingungen am Geld- oder Kapitalmarkt das Darlehen gewährt hätten.
In der Praxis bietet es sich regelmäßig an, für eine erste Indikation ein Vergleichsangebot bei einer Bank einzuholen. Zu beachten ist allerdings, dass der „fremdübliche“ Sollzinssatz in der Regel niedriger als das Zinsangebot der Bank sein sollte, da die Gesellschaft in der Regel nicht die gleichen „banküblichen“ Aufwendungen hat, welche regelmäßig im Zinsangebot der Bank enthalten sind.
Subsidiär: Erfahrungssätze
Führt die Preisvergleichsmethode zu keinem überzeugenden Ergebnis, kann sich anerkannter Erfahrungssätze bedient werden, wenn eine Gesellschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt – was der Regelfall sein dürfte –, das Darlehen an den Gesellschafter vergibt.
Gesellschaft hat Darlehen für Darlehensvergabe aufgenommen – Sollzinssatz
Hat die Gesellschaft für die Darlehensvergabe selbst ein Darlehen aufgenommen, so kann als „fremdüblicher“ Zins grundsätzlich, der der Gesellschaft in Rechnung gestellten Sollzins angesetzt werden.
Gesellschaft hat kein Darlehen für Darlehensvergabe aufgenommen – „Margenteilungsgrundsatz“
Hat die Gesellschaft für die Darlehensvergabe selbst kein Darlehen aufgenommen, so bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze („Marge“). Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn davon ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge teilen.
Zur Bestimmung der Haben- und Sollzinssätze können die Statistiken der Deutschen Bundesbank herangezogen werden; für unbesicherte Darlehen z.B. die Statistiken für revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte.
Nicht alles dient als Sicherheit
Fremdübliche Sicherheiten sind nur solche Sicherheiten, die der Gesellschaft einen besonderen Zugriff auf bestimmte werthaltige Vermögensgegenstände des Gesellschafters gewähren und ihr hierdurch einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen. Außerdem müssen sie gegenüber anderweiten Verfügungen des Gesellschafters geschützt sein. Zu nennen sind beispielhaft die gängigen Sicherungen wie Grundpfandrechte, Bürgschaften, Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Eigentumsvorbehalte u.Ä..
Fazit: Es besteht weiterhin Rechtsunsicherheit
Da die neue Entscheidung des BFH grundlegender Natur ist und somit auch auf andere Fälle anwendbar sein dürfte, hat sie zumindest etwas mehr Rechtssicherheit in Bezug auf Kapitalüberlassungen an Gesellschafter geschaffen. Allerdings dürfte die Frage der „fremdüblichen“ Verzinsung von Gesellschafterdarlehen weiterhin ein Dauerbrenner im Rahmen von Betriebsprüfungen bleiben. Dabei dürften in nächster Zeit insbesondere die Sollzinssätze in den Fokus geraten und vermehrt ein Versuch stattfinden, den Margenteilungsgrundsatz anzuwenden, vor allem bei unbesicherten Kapitalüberlassungen.
Es bleibt gleichwohl bei dem Grundsatz, dass der „fremdübliche“ Zins eine Frage des Einzelfalls ist und unter Abwägung aller in Frage kommenden Gesichtspunkte bestimmt werden muss. Es ist daher weiterhin anzuraten, die Kapitalüberlassung an Gesellschafter ordnungsgemäß zu dokumentieren. Konkret bedeutet das, den zugrundeliegenden Vertrag schriftlich aufzusetzen, klare Vereinbarungen zu treffen, Sicherheiten zu bestellen, eine Risikobewertung vorzunehmen sowie letztlich, die getroffenen Vereinbarungen auch wie vereinbart durchzuführen.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 12. Juli 2023