Zentrales Anliegen des Referentenentwurfs ist es, das Stiftungszivilrecht abschließend bundeseinheitlich zu regeln. Bisher finden sich stiftungszivilrechtliche Regelungen sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch in den Landesstiftungsgesetzen. Die landesrechtlichen Regelungen zur Vermögensbewirtschaftung, zur Rechtsstellung der Organe, zu Anzeige-, Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalten der Behörde oder zu Grundlagenänderungen (insbesondere Satzungsänderungen) unterscheiden sich teilweise erheblich. Insofern stellt die Vereinheitlichung der Regelungsbereiche die große Chance dar, das Stiftungsrecht verlässlicher und klarer zu fassen. Da das neue Stiftungsrecht grundsätzlich (mit einer Ausnahme) auf alle existierenden Stiftungen anwendbar sein soll, stellt es die Organe bestehender Stiftungen aber auch vor große Herausforderungen, weshalb diese sich frühzeitig mit dem Vorhaben auseinander setzen sollten. Dabei lohnt es sich, das Augenmerk vor allem auf drei Schwerpunkte zu richten, nämlich die Neuregelungen zur Vermögensbewirtschaftung, zu Grundlagenänderungen und zur Rechtsstellung der Organe. Das geplante Stiftungsregister dürfte – auch wenn kein akuter Handlungsbedarf besteht – ebenfalls für alle Stiftungen interessant sein.
Vermögen
Bezüglich des Stiftungsvermögens soll künftig gesetzlich klargestellt werden, dass dieses aus zu erhaltendem Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen (wie Erträgen, Spenden und zulässig gebildeten freien Rücklagen) besteht. Praktisch wichtigste Neuerung soll sein, dass Umschichtungsgewinne künftig zum zu erhaltenden Grundstockvermögen gehören sollen. Das Gemeinnützigkeitsrecht lässt die Verwendung von Umschichtungsgewinnen zur Zweckverwirklichung oder zur Vermögensbildung zu. Zivilrechtlich haben viele Stiftungen die Bildung von entsprechenden, flexibel verwendbaren sog. Umschichtungsrücklagen in der Satzung abgesichert. Teilweise haben Stiftungen Umschichtungsrücklagen aber mit Billigung der Aufsichtsbehörden bislang auch ohne Satzungsgrundlage gebildet. Da die Abgrenzung von Veräußerungsgewinn und laufendem Ertrag insbesondere bei Kapitalvermögen in der Praxis zu großen Schwierigkeiten führen kann, sollten alle Stiftungen, die in ihrer Satzung bislang noch keine Umschichtungsrücklagen vorsehen, prüfen ob eine entsprechende Satzungsänderung notwendig und möglich ist.
Grundlagenänderungen
Bei dieser Gelegenheit ist zu erwägen, die Satzung auf anderweitigen Änderungsbedarf zu prüfen. Satzungsänderungen sollen nach dem Referentenentwurf künftig unter abgestuften Voraussetzungen möglich sein. Die „schlichte“, d.h. nicht einschränkende, Zweckänderung soll ebenso wie die Änderung sog. prägender Bestimmungen nur bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse möglich sein. Im Einzelfall kann sich daraus eine Verschärfung der Rechtslage ergeben, denn es ist derzeit noch unklar, inwieweit durch eine nach Errichtung der Stiftung eingefügte Satzungsbestimmung von diesem Maßstab abgewichen werden kann. Insofern kann es ratsam sein, Satzungsänderungen noch vor Inkrafttreten der Reform vorzubereiten und umzusetzen. Allerdings kann es durch die Neuregelung auch zu einer Erleichterung von Satzungsänderungen kommen. Dies gilt vor allem im Bereich der „nicht prägenden“ Satzungsbestimmungen. Hier soll künftig eine Änderung möglich sein, wenn die Erfüllung des Zwecks dadurch „erleichtert“ wird. Zu denken wäre etwa an die Erleichterung von Beschlussfassungen in Videokonferenzen – ein aktuelles und gesetzlich unzureichend geregeltes Thema.
Rechtsstellung der Organe
Schließlich sind die geplanten Regelungen über die Rechtsstellung der Organe mit dem Stifterwillen abzugleichen. Erfreulicherweise will der Entwurf klarstellen, dass auch Mitglieder von Stiftungsorganen einen haftungsfreien Ermessensspielraum genießen. Eine Pflichtverletzung soll nicht vorliegen, wenn das Organmitglied bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Stiftung zu handeln. Diese sog. Business Judgment Rule ist im Aktiengesetz bereits geregelt und für Stiftungsvorstände auch bisher überwiegend anerkannt. Nach der Begründung des Referentenentwurfs soll dieses Ermessen insbesondere auch für die Anlage des Stiftungsvermögens gelten. Weniger überzeugend ist allerdings, dass der Entwurf von einer veränderten Beweislastverteilung bis zur Herabsetzung des Verschuldensmaßstabs weitere Haftungserleichterungen vorsieht, welche sehr hohe Hürden für die Inanspruchnahme des Vorstands schaffen. Organe bestehender Stiftungen sollten daher prüfen, ob derartige Erleichterungen mit dem Stifterwillen vereinbar sind. Sie sollten hierbei versuchen, einen objektiven Standpunkt einzunehmen – auch wenn die Haftungserleichterungen sie selbst (potentiell) betreffen.
Stiftungsregister
Neben den geschilderten materiellen Änderungen macht der Referentenentwurf nunmehr erstmals einen konkreten Vorschlag für ein Stiftungsregister. Ähnlich wie beim Handelsregister sollen die Eintragungen schutzwürdiges Vertrauen begründen und für jedermann zugänglich sein. Bisher weisen sich Stiftungen durch sog. Vertretungsbescheinigungen im Rechtsverkehr aus, welche von den Stiftungsbehörden ausgestellt werden, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich aussehen, in der Praxis teils unvollständig und im Ausland kaum einsetzbar sind. Ein Register wird den Stiftungen demgegenüber das rechtsgeschäftliche Handeln erheblich erleichtern. Für Vertragspartner, Begünstigte und sonstigen Gläubiger wird es die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Stiftung vereinfachen. Das Stiftungsregister wird allerdings frühestens 2025 verfügbar sein. Damit ist es übrigens vom sog. Zuwendungsempfängerregister, in welchem zukünftig alle gemeinnützigen Körperschaften (neben Stiftungen also auch etwa Vereine und gGmbHs) registriert werden sollen, „überholt“ worden: Das Zuwendungsempfängerregister wurde kürzlich als Teil des Jahressteuergesetzes 2020 beschlossen und soll ab dem 1.1.2024 verfügbar sein.
Weiterer Reformprozess im Stiftungsrecht
Demgegenüber erscheint der weitere Zeitplan für die Stiftungsrechtsreform weniger vorhersehbar: Wissenschaft und Praxis sind sich einig, dass Reformbedarf im Stiftungsrecht besteht. Allerdings ist die Ernüchterung über die Qualität des vorgelegten Entwurfs groß, und entsprechend weitreiche Änderungen werden durch Wissenschaft und Verbände gefordert. Die Ansiedlung des Stiftungsregisters beim Bundesamt für Justiz wird teilweise gar für verfassungswidrig gehalten. Nichtsdestotrotz: Die Bundesregierung hat die Stiftungsrechtsreform im Koalitionsvertrag angekündigt und die Vorschläge wurden weitgehend in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe abgestimmt. Insofern dürfte auf Bundes- wie auch auf Landesebene ein politischer Wille bestehen, die Stiftungsrechtsreform noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Daher sollten alle Stiftungsverantwortlichen den weiteren Fortgang beobachten und sich rechtzeitig für mögliche Änderungen wappnen.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Berenberg Aspekte, Stiftungen, Dezember 2020