
Dr. Andreas Rodin, Rechtsanwalt und Gründungspartner bei Pöllath + Partners, war Anfang Mai 2019 in der Video-Reihe „30 Jahre BVK – Mitglieder berichten“ des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (BVK) zu Gast. Er spricht unter anderem über eine seiner ersten spannenden Erfahrung mit einem deutsch-israelischen Manager, und darüber, was ihn im Laufe der Jahre in der Branche überrascht hat.
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„Erfahrungen, die auch heute noch brandaktuell sind“
Anlass für die Gründung des BVK vor 30 Jahren war der Beginn des Private Equity-Geschäfts in Deutschland. Janine Heidenfelder vom BVK-Kurier hat mit Dr. Andreas Rodin, Partner und Rechtsanwalt bei P+P Pöllath + Partners, über 30 Jahre BVK und Beteiligungskapitalbranche gesprochen.
Was sind die aus Ihrer Sicht wesentlichen Erfahrungen, die Sie aus Ihrer 30-jährigen Tätigkeit weitergeben können?
In die Anfangsphase des Private Equity-Geschäfts in Deutschland fiel auch der Beginn meiner eigenen beruflichen Tätigkeit als Anwalt und ich habe während meines ganzen Berufslebens nichts anderes gemacht, als Private Equity- und Venture Capital-Fonds strukturiert. Die Entwicklung verlief rasant und wir waren immer vor enorme Herausforderungen gestellt. Dabei erlangte ich zwei Erkenntnisse: Wir mussten erstens deutlich machen, dass wir für die Branche legitime Interessen vertreten und keine Sondervorteile. Und zum zweiten müssen wir dann bei der Berücksichtigung unserer Interessen in Gesetzen und Verwaltungsanweisungen in dem jeweiligen Verfahren „liefern“. Nur Forderungen zu stellen, die Bundestag und Finanzministerium dann bitte umsetzen mögen, reicht nicht.
Das klingt einleuchtend, aber doch ein wenig „abstrakt“. Können Sie an Beispielen erzählen, wie diese Erkenntnisse gereift sind?
In den Jahren 1989/90 hatte ich einen deutsch-israelischen Manager beraten, der damals einen Fonds zu einem Thema auflegte, dessen Bedeutung auch heute nach 30 Jahren brandaktuell ist: die Eigenkapitalfinanzierung des Technologietransfers. Ziel war es, Unternehmen mit israelischer High-Tech durch Eigenkapitalfinanzierung den Geschäftsausbau in Deutschland zu ermöglichen. Der Fonds sollte primär Family Offices zur Zeichnung angeboten werden. Nach der damaligen Rechtslage waren Veräußerungsgewinne bei Privatanlegern entweder vollständig steuerfrei, wenn die Tätigkeit des Fonds als Vermögensverwaltung qualifiziert war, oder mit ca. 50 % Steuer belastet, wenn die Anlagestrategie einen steuerlichen Gewerbebetrieb begründete.
Bei der Erstellung des Kapitels „Steuerhinweise“ im Platzierungsdokument war klar, dass kein Investor die alternative Darstellung – 0 % oder 50 % Steuer – akzeptieren würde mit dem Hinweis, dass leider nicht abzuschätzen sei, wie das Finanzamt die Fondstätigkeit beurteilen wird. Deshalb war notwendig, eine verbindliche Auskunft zu beantragen. 1989/90 hatte es so etwas noch nie gegeben und unser Fall war wirklich der Erste.
Der Mandant hatte mit seiner Botschaft gesprochen, die ihm „Unterstützung“ zusagte. Mir war zwar nicht ganz klar, worin sie bestehen sollte, und ich hatte leise Zweifel, ob das wirklich eine so gute Idee ist, aber ließ den Dingen insoweit seinen Lauf. Unseren Auskunftsantrag bearbeitete die damals noch bestehende OFD Berlin, und da wir zum Abschlussgespräch auch den Botschafter ankündigten, nahm der Oberfinanzpräsident höchstpersönlich teil.
Wir führten zwei Stunden eine fachliche Diskussion, an der sich der Botschafter nicht beteiligte. Am Ende wandte sich der Oberfinanzpräsident an den Botschafter: „Exzellenz, bitte gestatten Sie mir die Frage, warum der Botschafter des Staates Israel sich für ein kommerzielles Projekt engagiert?“ Daraus ergab sich ein kleiner Dialog: „Herr Oberfinanzpräsident, wann waren Sie denn das letzte Mal in Israel?“ „Während meines Studiums war ich 1959/60 – also vor 30 Jahren – als Volontär in einer Orangenplantage auf dem Negev und habe dort die Wirtschaftsform eines Kibuz kennen gelernt und war sehr beeindruckt. Leider war ich danach nie mehr in Israel.“ Der Botschafter lachte und meinte: „Sie sollten uns mal wieder besuchen. Es hat sich seither vieles verändert, insbesondere in jüngster Zeit. Sie wissen ja, dass die Sowjetunion nach langen Verhandlungen (Anm.: Es war das Jahr 1990) einer großen Anzahl hoch qualifizierter Wissenschaftler die Ausreise nach Israel gestattet hat. Die stehen bei uns momentan mit dem Piacava- Besen in der Hand und fegen die Bürgersteige. Wir können sie derzeit nicht beschäftigen. Meine Regierung unterstützt jede Initiative, die uns hilft, dieses Problem zu lösen. Dieser Fonds schafft Arbeitsplätze und deswegen engagieren wir uns für ihn!“
Das hört sich heute wie eine Anekdote aus der Anfangsgeschichte an. Aber das ist sie nicht und der positive Aspekt der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen durch Unternehmen, die mit Private Equity finanziert werden, legitimiert die Verfolgung des Ziels, klare und attraktive steuerliche Rahmenbedingungen für unser Segment zu schaffen. Das gilt auch und insbesondere heute.
Nun haben Sie gar nicht berichtet, wie Ihr Auskunftsantrag weiterging?
Ja, wir haben die verbindliche Auskunft bekommen. Das war der Beginn der Praxis der Finanzverwaltung im gesamten Bundesgebiet, verbindliche Auskünfte zu erteilen. Sie waren alle rechtlich „sauber“ begründet und wir haben nie etwas „geschenkt“ bekommen, aber erst das Verdeutlichen des Kontextes, in dem ein Private Equity-Fonds tätig wird, hat das positive Vorverständnis geschaffen, dass wir legitime Interessen verfolgen.
Als zweiten Punkt nannten Sie das „Arbeiten“. Können Sie uns dazu auch ein anschauliches Beispiel geben?
Unsere Belange finden Berücksichtigung in den Texten von Gesetzen und Verwaltungsanweisungen. Dazu müssen wir konkrete Formulierungsvorschläge liefern. Auch hierfür zur Verdeutlichung ein nettes Beispiel: 2012/13 stand die Umsetzung der AIFMD in unser deutsches Recht an. Der erste Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums für das KAGB enthielt eine ganze Reihe von Regelungen, die unsere Branche benachteiligten. Ich begab mich in Klausur und erstellte eine dreispaltige Tabelle: linke Spalte der Gesetzesentwurf, mittlere Spalte unsere Kritik und rechte Spalte unser Vorschlag für eine geänderte Gesetzesfassung.
Für die Gespräche mit den Abgeordneten hatten wir aus der Tabelle die wirklich wesentlichen Punkte in einem Hand-Out auf ein paar Slides zusammengefasst. Damit traten wir auch beim Berichterstatter der Regierungsfraktionen im Bundestag an. Das war damals Herr Brinkhaus – heute der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er war sichtlich schlecht gelaunt, als wir bei ihm vorsprachen, und bevor wir überhaupt anfingen, wurden wir ziemlich „abgekanzelt“. So viele Interessenvertreter seien in den letzten Tagen gekommen und alle hätten nur Beschwerden vorgetragen. So ginge das aber nicht und er erwarte von uns, dass wir bitte konkrete Vorschläge machten, mit denen sich das Parlament im weiteren Verfahren auseinandersetzen kann. Da lagen wir mit unserer Vorbereitung absolut richtig und während wir mit ihm unser Hand-Out durchgingen, entwickelte sich ein sehr gutes und konstruktives Gespräch. Da hatte uns die Tabelle mit der Erläuterung unserer Punkte und den konkreten Formulierungsvorschlägen viel geholfen. Es war klar, dass wir nicht alles bekommen haben, aber ohne diese Vorarbeit wäre sicher nur ein Bruchteil unserer Kritik berücksichtigt worden.
Was ist Ihr Fazit daraus?
Nach 30 Jahren ist das Resümee natürlich „reflektiert“. Das sind aber in der Tat „Schlüsselszenen“, aus denen die anfangs genannten Erkenntnisse gereift sind. Sie waren für einen selber persönlich und für die Arbeit prägend. Sie sind „zeitlos“ und bringen etwas Positives zum Ausdruck, das eben nicht auf den Moment oder einzelne Personen begrenzt ist.
Dieses Interview ist erstmals erschienen in: BVK-Kurier 2019, S. 3, 04. Juni 2019
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