Gleichwohl verbleibt eine Vielzahl von Zweifelsfragen, die angesichts des Inkrafttretens des neuen Rechts am 1. Januar 2018 der Klärung bedürfen. Mit Herrn Dr. Alexander Mann, einem ausgewiesenen Kenner des Investmentsteuerrechts, haben wir im Rahmen der MUPET 2017 zu den Neuerungen gesprochen. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Investmentsteuerreform hat er die maßgeblichen Veröffentlichungen der Finanzverwaltung mitgestaltet. Die Diskussion drehte sich vor allem um Fragen, die aus Sicht der Private Equity Fondsbranche noch zu klären sind.
Stand der Umsetzung
Herr Dr. Mann erklärte, dass insbesondere der unerwartete Umfang an Eingaben der Verbände der Investmentwirtschaft den Zeitplan der Finanzverwaltung etwas zurückgeworfen hat. Schwerpunkt der noch nicht abgeschlossenen Arbeiten seien vor allem die für große Publikumsfonds relevanten Regelungen. Ggf. würden einzelne Zweifelsfragen durch punktuelle BMF-Schreiben vor dem 1. Januar 2018 geklärt werden.
Ein derzeit ebenfalls in Arbeit befindliches umfassendes Anwendungsschreiben sei aber wohl vor Ende dieses Jahres nicht mehr zu erwarten. Von den sich dadurch ergebenden Unsicherheiten und den folgenden Einzelproblemen ist insbesondere die Private Equity-Branche betroffen.
Einzelprobleme
Steuerrecht und Aufsichtsrecht
Im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Steuer- und Aufsichtsrecht bekräftigte Herr Dr. Mann den Standpunkt der Finanzverwaltung, die dem Aufsichtsrecht entlehnten Begriffe und Regelungen – soweit sie auch für die Besteuerung von Bedeutung sind – nach wie vor gemäß den abstrakten Maßgaben des Aufsichtsrechts aber ohne Bindung an konkrete Entscheidungen der BaFin auszulegen. Abweichende Entscheidungen der Finanzbehörden seien gleichwohl nur in Ausnahmefällen denkbar.
Übergangsbesteuerung
Sodann wurden Einzelfragen des Systemwechsels (Übergangsbesteuerung gem. § 56 InvStG 2018) erörtert.
Hier hat sich u. a. ein Spannungsfeld zur sog. Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) ergeben. Zieht ein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger Anleger nach Inkrafttreten des neuen Rechts ins Ausland, greife die Wegzugsbesteuerung im Hinblick auf von dieser Person gehaltene Anteile an Investmentfonds nach dem Gesetzeswortlaut nicht ein, so dass dieser Anleger auch die während der Zeit seiner unbeschränkten Steuerpflicht gebildeten Wertzuwächse in den Investmentanteilen ohne Besteuerung in Deutschland realisieren kann. Herr Dr. Mann sagte, dass diese Problematik während des Gesetzgebungsverfahrens erkannt worden sei, man dieses Thema jedoch zurückgestellt habe. Es müsse aber mit einer – ggf. rückwirkenden – Ergänzung des § 6 AStG oder einer vergleichbaren Regelung gerechnet werden.
Ein weiteres Thema ist das Zusammenspiel der fiktiven Veräußerung (§ 56 Abs. 2 ff. InvStG 2018) mit der späteren tatsächlichen Veräußerung der Investmentanteile. Namentlich dann, wenn Verluste aus der fiktiven Veräußerung entstehen, stellt sich die Frage der Verrechenbarkeit mit Gewinnen aus der tatsächlichen Veräußerung. Bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Investmentaktiengesellschaft könnte z. B. die Verlustverrechnung auf Ergebnisse innerhalb der sog. Aktienschedule (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG) begrenzt sein. Dann wäre eine Verrechnung mit späteren tatsächlichen Veräußerungsgewinnen (keine Aktiengewinne) nicht zulässig. Dieses Ergebnis scheint die Finanzverwaltung (bislang) zu vertreten. Im betrieblichen Bereich stellt sich die Frage, ob § 10d EStG anwendbar ist oder die (fiktiven) Verluste der Höhe nach uneingeschränkt mit den (tatsächlichen) Gewinnen verrechnet werden können. Bei Investmentfonds aus Drittstaaten kann eine Verrechenbarkeit ferner aufgrund von § 2a EStG eingeschränkt sein. Diese und weitere Fragen zur Verlustverrechnung seien derzeit noch Gegenstand der Meinungsbildung innerhalb der Finanzverwaltung.
Besteuerung auf Fondsebene
Wesentlicher Bestandteil des neuen Rechts ist, dass der Investmentfonds als intransparent und damit als eigenes Steuersubjekt behandelt wird. Er ist künftig selbst mit bestimmten Einkünften aus „inländischen Quellen“ steuerpflichtig. Bereits im Gesetzgebungsverfahren hat man hiervon Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an deutschen Kapitalgesellschaften ausgenommen, um Wettbewerbsnachteile inländischer Investmentfonds zu vermeiden. Diese hätten derartige Gewinne versteuern müssen, während sich ausländische Investmentfonds ggf. auf Freistellungen nach Doppelbesteuerungsabkommen hätten berufen können.
Ähnliches gilt für fremdkapitalähnliche Genussrechte (d. h. solche, die nicht zugleich eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös gewähren) inländischer Emittenten sowie für Zinsen aus mit inländischen Grundstücken besicherten Darlehen. Diese Einkünfte sind nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut auf Ebene eines Investmentfonds zwar steuerbar, dürften aber bei ausländischen Investmentfonds aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig in Deutschland nicht besteuert werden. Herr Dr. Mann teilte mit, dass die Finanzverwaltung erwäge, auch diese Einkünfte von der Besteuerung auf Fondsebene zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen auszunehmen.
Besteuerung auf Anlegerebene
Mit Blick auf die Besteuerung auf Anlegerebene wurden vor allem die bei Private Equity-Fonds häufig in vielfältigen Varianten anzutreffenden mehrstufigen Strukturen und deren Auswirkungen auf die sog. Teilfreistellungen (§ 20 InvStG 2018) besprochen. Die Teilfreistellungen sind auf Ebene der Anleger anwendbar wenn ein Investmentfonds fortlaufend einen bestimmten Prozentsatz seines Vermögens in sog. Kapitalbeteiligungsquote anlegt (bei sog. Aktienfonds mindestens 51 %, bei sog. Mischfonds mindestens 25 %).
Thematisiert wurde zunächst die Konstellation einer mittelbaren Beteiligung von Investoren über eine Personengesellschaft an einem Investmentfonds. Hier könnten ggf. auf Ebene der Personengesellschaft als „Anleger“ einheitlich nur die „Regelteilfreistellungen“ (bis zu 30 %) zur Anwendung kommen, selbst wenn an der Personengesellschaft ausschließlich Körperschaften beteiligt sind, die bei unmittelbarer Beteiligung höhere Teilfreisteillungen (bis zu 80 %) in Anspruch nehmen könnten. Auch wenn insoweit bislang keine finale und verbindliche Aussage der Finanzverwaltung vorliegt, herrscht wohl zumindest für vermögensverwaltende Personengesellschaften Einigkeit, dass im Wege einer Bruchteilsbetrachtung auf die Gesellschafter der Personengesellschaft durchzuschauen und der für jeden Gesellschafter geltende Teilfreistellungssatz anzuwenden ist. Dies sollte aus Gründen einer sachlich zutreffenden Besteuerung nach einheitlicher Meinung auf dem Podium ebenso im Fall von gewerblichen Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) gelten.
In anderen Konstellation, in denen ein Investmentfonds als Dachfonds mittelbar über Zielfonds in der Rechtsform von Personengesellschaften (KG, limited partnership etc.) investiert, stellt sich ebenfalls die Frage, ob Kapitalbeteiligungen, die unmittelbar von den Zielfonds gehalten werden, (anteilig) als sog. Kapitalbeteiligungen des Dach-Investmentfonds berücksichtigt werden können. Die Finanzverwaltung hatte sich insoweit in dem ersten Entwurf für ein BMF-Schreiben zunächst dahingehend positioniert, dass eine anteilige Berücksichtigung zulässig sei. In dem Verbändeanschreiben des BMF vom 14. Juni 2017 sowie in dem zweiten Entwurf eines Anwendungsschreibens zum InvStG aus September 2017 finden sich hingegen die gegenteilige Aussage, dass also mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Kapitalbeteiligungen „nicht zu berücksichtigen“ seien. Herr Dr. Mann erläuterte zum Hintergrund, dass man bei derartigen Strukturen missbräuchliche Gestaltungen fürchtete. Er selbst hält diese Einschränkung allerdings für bedenklich. Auch insoweit müsse zumindest bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften die Bruchteilsbetrachtung berücksichtigt werden, wonach die von einer derartigen Personengesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen seien. Auch bei gewerblichen Personengesellschaften muss aus Gründen einer sachlich zutreffenden Besteuerung des beteiligten Investmentfonds und der Anleger eine Durchrechnung zugelassen werden. Da die Teilfreistellungen auch eine Kompensation für den Ausschluss des § 8b KStG und insofern ein Äquivalent hierzu darstellen, muss unseres Erachtens der Rechtsgedanke des § 8b Abs. 6 KStG ergänzend herangezogen werden.
Schließlich wurde der Fall eines (Dach-)Investmentfonds, der Anteile an einem anderen (Ziel-)Investmentfonds hält, beleuchtet. Das Gesetz sieht hier vor, dass z. B. der Wert eines Anteils an einem Ziel-Aktienfonds auf Ebene des Dach-Investmentfonds pauschal (nur) zu 51 % als Kapitalbeteiligung zu berücksichtigen ist. Dies führt allerdings zu dem Problem, dass ein Dach-Investmentfonds, der ausschließlich in Ziel-Aktienfonds investiert, bereits dann nicht mehr als Aktienfonds gilt, wenn er auch nur ein anderes Wirtschaftsgut oder eine Liquiditätsreserve vorhält. Vor diesem Hintergrund wird die Finanzverwaltung (zunächst) im Wege einer Billigkeitsmaßnahme unter bestimmten Voraussetzungen eine Durchrechnung von tatsächlich höheren Kapitalbeteiligungsquoten der Ziel-Investmentfonds zulassen. Eine gesetzliche Klarstellung könnte folgen.
Insbesondere: Kapitalrückzahlungen
Abschließend wurde die Problematik von Kapitalrückzahlungen bei Investmentfonds diskutiert. Diese sind nach neuem Recht als Ausschüttungen zu besteuern. Bei Kapitalrückzahlungen während der Laufzeit kann nur auf die Methode von Anteilsrücknahmen zurückgegriffen werden, um die Anschaffungskosten für einen Investmentanteil gewinnmindernd in Ansatz zu bringen.
Herr Dr. Mann wies darauf hin, dass das Problem einer drohenden Substanzbesteuerung erkannt wurde. Zwar soll die Grundentscheidung, sämtliche Ausschüttungen einschließlich Kapitalrückzahlungen zu besteuern, nicht angetastet werden dürfte, eine Lösung für Einzelfälle sei aber nicht ausgeschlossen (etwa durch Gleichstellung der Liquidation mit einer Veräußerung).
Fazit
Insgesamt zeigte sich, dass die Investmentsteuerreform im Detail eine Fülle von Einzelfragen aufwirft, die möglichst zügig geklärt werden sollten, um Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Herr Dr. Mann räumte ein, dass die Finanzverwaltung selbst von dieser Fülle überrascht war. Letztlich habe aber in jedem Fall auch die Finanzverwaltung ein Interesse daran, die offenen Fragen sachgerecht und für alle Beteiligten pragmatisch zu lösen.