Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) veröffentlichte kürzlich erstmalig einen Entwurf für eine Start-up-Strategie der Bundesregierung. Es hebt dabei die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung junger Unternehmen hervor, die aufgrund innovativer Geschäftsmodelle neben dem eigenen Skalierungspotenzial einen signifikanten Beitrag zum Wandel hin zu einer nachhaltigen ökologischen deutschen Wirtschaft leisten. Rund 80 Stellungnahmen und sechs Workshops zu zentralen Themen wurden ausgewertet und die Ergebnisse finden sich nun in einem Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung des Start-up-Standorts Deutschland und Europa.
Die Bausteine der Start-up-Strategie im Überblick
1. Finanzierung von Start-ups stärken
Das BMWK strebt an, mehr privates und öffentliches Kapital für den Wagniskapital-Standort Deutschland zu mobilisieren. Hierzu soll ein Zukunftsfonds aufgestellt werden, der in einem Investitionszeitraum bis 2030 öffentliche Mittel in Höhe von 10 Mrd. Euro für technologieorientierte Start-ups bereitstellt. Ferner wird das INVEST-Programm bis zum 1. Januar 2023 zur Stärkung des Business-Angel-Marktes wieder aufgelegt. Für Start-ups in späteren Entwicklungsphasen sollen Exits via Börsengang („IPO“) erleichtert werden, indem die Börsenzulassungsvorschriften nach dem Vorbild internationaler Standards modernisiert werden sollen. Darüber hinaus wird der Fondsstandort Deutschland durch eine Umsatzsteuerbefreiung von Wagniskapitalfonds attraktiver.
2. Nachwuchsförderung in der Start-up-Szene
Die Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem In- und Ausland soll erleichtert werden. Dazu wird die Einwanderung von Fachkräften sowie die Anerkennung von internationalen Abschlüssen vereinfacht und beschleunigt. Um die Vergütung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zu optimieren, soll das Einkommenssteuerrecht reformiert werden. Zentral ist dabei insbesondere § 19a EStG, dessen Ausgestaltung trotz guter Intention des Gesetzgebers bisher nicht optimal ist. Zur Vermeidung von Versteuerung von Dry Income soll bei der Besteuerung stärker auf den faktischen Liquiditätsfluss abgestellt werden. Angestrebt ist beispielsweise eine Anpassung der KMU-Schwellenwerte, eine Verlängerung der 12-Jahresfrist und ein Verzicht auf die Steuerauslösung im Falle eines Arbeitgeberwechsels. Änderungen des § 19a EStG werden seit Längerem erwartet, weshalb die geplanten Neuerungen durchaus zu begrüßen sind.
3. Entbürokratisierung und Digitalisierung von Gründungsprozessen
Für die fällige Reform des Gründungsprozesses wird ein notarielles Online-Verfahren für GmbH-Gründungen und Anmeldungen zum Handelsregister eingeführt. Ein solches gibt Gründerinnen und Gründern in der Frühphase des Unternehmens effektive Instrumente zur Firmengründung an die Hand. Außerdem sollen digitale Anmelde-, Genehmigungs- und Registrierungsverfahren sowie unbürokratische und schnelle Förderprogramme über das Förderportal zur Verfügung gestellt werden, um dem dynamischen Wirtschaftssektor unnötigen Verwaltungsaufwand zu nehmen.
4. Gründerinnen und Diversität stärken
Das BMWK hat sich daneben zum Ziel gesetzt, Diversität auf Investoren- und Gründerseite zu stärken durch die paritätische Besetzung von Investment-Komitees staatlicher Fonds und der „General Partner“ privater Venture-Capital-Fonds. Dies soll durch gezielte Finanzierung divers und weiblich aufgestellter Wagniskapitalfonds erreicht werden. Zudem werden bei dem wissenschaftlichen Förderprogramm (EXIST) gemischt besetzte Teams bevorzugt und deren Betreuung besser gefördert als solche, die homogen besetzt sind. Zudem werden mit der neuen Förderlinie für Frauen („EXIST Women“) gezielt weibliche Gründerinnen gefördert.
5. Ausgründungen aus der Wissenschaft erleichtern
Trotz der besonders starken Stellung Deutschlands und Europas in den Bereichen Forschung und Entwicklung, ist es noch nicht gelungen, diese Vorreiterrolle in Ausgründungen aus der Wissenschaft zu erreichen. Das wissenschaftliche Förderprogramm EXIST wird um eine „Exzellenzinitiative Entrepreneurship-Zentren“ erweitert. Durch diese Initiative werden Projekte mit langer Laufzeit unterstützt, die auf die Einbindung wissenschaftlicher Ergebnisse in Wertschöpfungsketten abzielen.
6. Verbesserung der Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups
Die Regierung macht es sich zur Aufgabe, Start-ups, die gesellschaftliche Herausforderungen adressieren und damit primär eine positive gesellschaftliche Wirkung im Blick haben, zu stärken. Dafür wird eine umfassende Strategie für soziales Unternehmertum entwickelt. Der Zugang zu Finanzmitteln wird durch die Schaffung geeigneter Finanzinstrumente und die Einbeziehung europäischer Strukturfondsmittel erleichtert. Sozialorientierte Unternehmen sollen zudem vermehrt in den Fokus im Rahmen der öffentlichen Beschaffung gerückt werden. Fördermittel sollen außerdem in Projekte von Inkubatoren und Accelerators fließen, die auf gemeinwohlorientierte Start-ups fokussiert sind. Die konkret zu erwartenden Maßnahmen bleiben weitestgehend offen, doch die Bestrebungen zur Förderung sozialer Unternehmen ist begrüßenswert. Im Zusammenhang damit bleibt zudem die Entwicklung betreffend die GmbH-gebV interessant.
7. Mobilisierung der Start-up-Kompetenzen für öffentliche Aufträge
Die Regierung erkennt die wichtige Rolle des Staates als Auftraggeber für potenzielle Start-ups. Daher sollen Start-ups im öffentlichen Auftragswesen mehr Berücksichtigung finden. Dazu soll beim Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO) ein E-Marktplatz eingeführt werden, der Start-ups eine Möglichkeit bietet, sich digital zu präsentieren. Es wird zudem eine zentrale Vergabeplattform installiert, welche alle inländischen Vergabeverfahren digital auffindbar und sichtbarer macht. Die Regierung veranlasst das KOINNO, bei Beratungen das Augenmerk auf Instrumente der innovativen öffentlichen Beschaffung und die Mittelstandsklausel zu lenken. Öffentliche Ausschreibungen sollen künftig lösungsoffener gestaltet und stetig evaluiert werden. Eine zentrale Vergabeplattform sorgt für Liquiditäts- und Kapazitätseinsparungen und die lösungsoffene Gestaltung von Ausschreibungen bietet zumindest die Möglichkeit zur Offenheit gegenüber Innovation.
8. Erleichterung des Datenzugangs
Vorarbeiten zur Fassung des Entwurfs ergaben, dass nur 38 % der befragten Start-ups einen ausreichenden Zugang zu Daten haben. Daher setzt sich die Regierung in den Verhandlungen zum EU Data Act für angemessene Anreize zum Teilen von Daten und ausgewählte verpflichtende Datenzugänge ein. Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Dateninstitut soll Pilotprojekte zu Datentreuhandmodellen im Austausch mit Start-ups durchführen. Beratungs- und Datennutzungsangebote sollen sich an Start-ups richten und entsprechend ausgestaltet sein. Rechts- und Verfahrenssicherheit für Datenräume und Datenbeziehungen werden gestärkt. Ein neues Transparenzgesetz wird in Zukunft einen Anspruch auf Open Data gegenüber dem Bund beinhalten. Zudem sollen zur Reduzierung des finanziellen Risikos für KMUs staatlich finanzierte KI-Voucher geschaffen werden, wenn das KMU beim Einsatz von KI-basierter Technologie mit Start-ups zusammenarbeitet.
Weiterhin sollen Rechtsunsicherheiten bei Datentreuhändermodellen abgebaut werden. Technische Protokolle und Standards sollen die Skalierung der Anonymisierung und Synthetisierung von Daten ermöglichen. Start-ups sollen zudem an die Dateninfrastruktur des Gaia-X Ökosystems herangeführt werden.
Das Teilen von Daten ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung von Lösungen für die Mobilitätswende, die Erforschung effizienter Klimasysteme und zur Bekämpfung seltener Krankheiten. In den Pandemie-Jahren hat sich gezeigt, dass ein Datenaustausch Forschungsprozesse immens beschleunigen kann. Die Förderung des Datenzugangs bietet daher wertvolle Neuerungen für Start-ups, die maßgeblich von vorhandenen Forschungsergebnissen profitieren.
9. Erleichterung des Zugangs zu Reallaboren
Die Regierung wird ein Reallabore-Gesetz auf den Weg bringen, welches übergreifende Standards, neue Experimentierklauseln und einen verbindlichen Experimentierklausel-Check beinhaltet, sowie einen One-Stop-Shop implementiert. Auch auf europäischer Ebene will sich die Regierung vermehrt für KI-Reallabore einsetzen.
10. Förderung des deutschen Start-up-Ökosystems
Um den Start-up-Standort Deutschland zu stärken, veranstaltet die Regierung gemeinsam mit den Stakeholdern einen „Start-up Summit Germany“ und führt die Gründungswettbewerbe „Digitale Innovationen“ und Digitales Start-up des Jahres“ weiter. Zur Förderung der Vernetzung von Unternehmen wird in allen Bundesministerien und nachgeordneten Behörden ein Netzwerk von Kontaktstellen eingerichtet. Eine Start-up-Landkarte soll den Zugang zu Demonstratoren und Erprobungsräumen erleichtern. Unterstützung dabei sollen zudem das Netzwerk der Mittelstand-Digital Zentren und die Digital Hub Initiative bieten. Diese sollen zudem weiter ausgebaut, gefördert und in ihrer Zusammenarbeit mit Start-ups bestärkt werden. Vielversprechende Start-ups, denen es aber an dem notwendigen Sprunginnovationspotential fehlt, werden durch die Agentur für Sprunginnovationen SPRIND künftig mit anderen Programmen und Kapitalgebern vernetzt.
In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Koordinierungszentrum für Cybersicherheit wird die Regierung Produktideen zur Cybersicherheit unterstützen und die Ergebnisse in das Start-up-Ökosystem transferieren. Der Start-up Energy Transition Hub, das dena Future Energy Lab, die Digital Hub Initiative sowie der German Accelerator werden fortgeführt und erweitert.
Ausblick: Das bringt die Start-up-Strategie für die Praxis
Junge Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen sich auf erhebliche Verbesserungen des Start-up-Standorts Deutschland freuen. Es wird deutlich, dass sich die Regierung künftig auch auf Digitalisierung fokussiert und in dem Start-Up-Ökosystem großes Potenzial für den Klimaschutz erkennt. Deutschland als Wirtschaftsstandort gegenüber den Global Playern wettbewerbsfähig zu halten, wird eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre. Mit dem Entwurf leistet das BMWK dazu einen wichtigen Beitrag.
Durch eine Steigerung der Finanzierungsstärke kann im internationalen Vergleich aufgeholt werden. Auch die Förderung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen wird es inländisch ansässigen Start-ups auf dem international umkämpften Markt erleichtern, sog. High-Potentials zu rekrutieren und marktgerecht zu incentivieren. Positiv zu bewerten ist auch die Entbürokratisierung und Digitalisierung des Gründungsprozesses, um insbesondere in der Frühphase den Aufwand gering zu halten.
Die gesetzgeberischen Bestrebungen bezüglich sozialorientierter Unternehmen werden deutlich, wobei abzuwarten bleibt, ob sie in der Praxis tatsächlich Anklang finden werden.
Sehr erfreulich ist, dass die Regierung erkennt, wie wichtig für junge Unternehmen und Investoren ein vereinfachter Zugang zu staatlichen Mitteln und Förderleistungen ist. Hier ist darauf zu hoffen, dass die geplanten Maßnahmen so umfangreich wie möglich umgesetzt werden, um einen Anreiz für weitere Neugründungen zu setzen.
Insgesamt beinhaltet der Entwurf wichtige, aber auch dringend notwendige Neuerungen, die für die Weiterentwicklung des Start-Up-Standorts Deutschland und Europa im internationalen Vergleich künftig eine wichtige Rolle spielen werden.
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