
In der Ampelkoalition aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP vereinigen sich grundlegend verschiedene Staats- und Gesellschaftsverständnisse: der Staat als „strategischer Investor“ mit Konzepten staatlicher Lenkung und Umverteilung einerseits und der Vorrang der sozialen Marktwirtschaft mit Fokus auf der Leistungsbereitschaft des Einzelnen, bei der der Staat sich möglichst im Hintergrund hält, andererseits.
Diese Unterschiede sollen in den Koalitionsverhandlungen auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden: Staat und Gesellschaft (und damit auch die Wirtschaft) umfassend zu reformieren, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen: Klimakrise, Digitalisierung, Sicherung des Wohlstands, sozialer Zusammenhalt und demografischer Wandel. Es ist nicht von weniger die Rede als von einer „umfassenden sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen, digitalen und gesellschaftlichen Erneuerung unseres Landes“.
In einem Sondierungspapier haben die künftigen Koalitionäre dazu jetzt erste Festlegungen für ihre Reformvorhaben und deren künftige Finanzierung getroffen. Was dort zur Finanzierung steht, sollte die Private Equity Branche aufhorchen lassen.
Zukunftsinvestitionen
Nach dem Wunsch der Ampelkoalition sollen die nächsten Jahre zu einem „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ werden, vor allem in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung, sowie Infrastruktur. Die FDP möchte Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass im Jahr 2025 25 % des Bruttoinlandprodukts investiert werden. Die Grünen wollen bis zum Jahr 2031 jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Allein, über die Finanzierung dieser Investitionen sagen sowohl das gemeinsame Sondierungspapier als auch die Parteiprogramme wenig. In Abschnitt 9 des Sondierungspapiers findet sich unter der Überschrift „Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Staatsfinanzen“ (neben der Aussage, dass die Schuldenbremse eingehalten, keine Substanzsteuern neu eingeführt und Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer nicht erhöht werden sollen) allerdings der bemerkenswerte Satz: „Kapitalsammelstellen sollen besser in Zukunftstechnologien investieren können.“ Was genau damit gemeint ist und wie dieser Programmsatz umgesetzt werden soll, dazu schweigt das Sondierungspapier. Nur die Grünen werden in ihrem Wahlprogramm etwas konkreter: Nach ihren Vorstellungen sollen Investitionen vor allem durch privates Risikokapital erfolgen, das durch staatliche Fonds stark gehebelt wird.
Innovationen fördern
Einen Hinweis, wie Zukunftsinvestitionen künftig finanziert werden könnten, gibt Abschnitt 6 des Sondierungspapiers. Unter der Überschrift „Innovationen fördern und neue Wettbewerbsfähigkeit erreichen“ haben die künftigen Koalitionäre vereinbart, dass sie die Startup- und Gründerförderung stärken und die Innovationsförderung und -finanzierung entbürokratisieren wollen.
Zur Finanzierung heißt es dort zunächst, dass „mehr privates Kapital für Transformationsprojekte aktiviert“ werden soll und öffentliche Förderbanken wie die KfW stärker als Innovations- und Investitionsagenturen wirken und Risiken absichern sollen. Das ist im Grunde nichts Neues.
In ihren Wahlprogrammen werden die Parteien aber konkreter. Dabei ist bemerkenswert, dass sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die FDP vor allem auf privates Risikokapital setzen:
- Die Grünen möchten in einem staatlichen Wagniskapitalfonds verstreute Förderangebote bündeln und damit ein Vielfaches an privaten Investitionen hebeln, insbesondere für Projekte in Bereichen wie Greentech, Künstliche Intelligenz, nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft.
- Die FDP zählt noch stärker auf private Investitionen: Sie setzt auf private Wagniskapitalfonds und will dazu die (steuerlichen) Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital verbessern.
Kommt jetzt also endlich das Private Equity-Gesetz, das den Private Equity-Erlass des BMF aus dem Jahr 2003 ablöst und einen verlässlichen Rechtsrahmen für die steuerliche Behandlung von Wagniskapital schafft? Man kann nur hoffen, dass der anfängliche Schwung der neuen Koalition ausreicht, um ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Dabei sollten die Parteien die Chance nutzen, den Anwendungsbereich nicht nur auf die Asset-Klasse Venture Capital zu beschränken, sondern auch andere Private Equity Anlageklassen (Growth, LBO) einzubeziehen. Es würde die Startbedingungen für das Investitionsjahrzehnt in Deutschland deutlich verbessern.
Auch der Zukunftsfonds der KfW wird im Sondierungspapier als gutes Beispiel für erfolgreiche Startup-Finanzierung erwähnt. Dieser Fonds, der aktuell mit 10 Mrd. Euro dotiert ist, soll durch einen weiteren Baustein in Form eines Dachfonds für privates Kapital von institutionellen Investoren, Family Offices und erfahrenen Privatanlegern ergänzt werden, um dann vor allem in deutsche Venture Capital-Fonds zu investieren. Hier vereinigen sich die beiden Finanzierungsmodelle von Bündnis 90/Die Grünen und FDP: Aus Sicht der Einen ist der Zukunftsfonds ein „öffentlicher Wagniskapitalfonds mit dem ein Vielfaches an privatem Kapital gehebelt wird“. Aus Sicht des Anderen wird privates Kapital in einem Dachfonds gesammelt und dann gemeinsam mit öffentlichen Fördermitteln investiert.
Könnte dieses Beispiel einer Public Private Partnership (PPP) auch Modell für die Finanzierung der oben genannten Zukunftsinvestitionen sein? Könnte also Private Equity der Motor für die bevorstehende Transformation unserer Wirtschaft sein?
Dazu habe ich im Rahmen der MUPET 2021 am 4. November 2021 im Anschluss an die Paneldiskussion zur Bedeutung der Bundestagswahl für die Private Equity Branche mit Frank Dornseifer, dem Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments e.V. (BAI) gesprochen.