Private Equity-Fonds haben bei Investitionen in neue Portfoliounternehmen oft nur begrenzten Zugang zu Informationen über das Marktumfeld des Zielunternehmens und ggf. nur ein begrenztes Know-How über die jeweiligen Industriesektoren. Der Bedarf an branchenspezifischen Informationen wird dabei immer größer. Grund dafür ist vor allem, dass neben starkem Bieterwettbewerb die Komplexität von Transaktionen tendenziell zunimmt und Investitionen immer häufiger über Ländergrenzen hinweg getätigt werden. Dementsprechend sind spezifische Marktinformationen, die innerhalb kürzester Zeit eingeholt werden können, vor allem in der heutigen Zeit äußerst relevant. Dabei gilt es aber auch, kosteneffizient zu bleiben und nicht umgehend ein kostenintensives Beratermandat zu vergeben oder dieses ggf. durch externe Industrieexperten zu komplementieren.
Nicht zuletzt ist es wichtig, dass der Investor einen guten Eindruck beim Management hinterlässt. Denn das Management bemerkt schnell, ob der Investor eine branchenspezifische Recherche durchgeführt hat oder nur die im Rahmen des Bieterverfahrens vom Zielunternehmen bereitgestellten Informationen überprüft hat. Bei diesen Anliegen können Private Equity-Fonds von Anbietern sogenannter Expertennetzwerke unterstützt werden, die den Zugang zu verschiedenen Branchenexperten und Spezialisten vermitteln.
Expertennetzwerke auf dem Vormarsch
Bei den meisten größeren Venture Capital- und Private Equity-Fonds sind Expertennetzwerke im Rahmen der Commercial Due Diligence mittlerweile fester Bestandteil, aber immer häufiger auch in der Origination-Phase und der Add-Value-Phase. Insbesondere bei größeren Transaktionen mit hoher Komplexität und unter Mitwirkung von institutionellen US-Fonds werden Expertennetzwerke als zusätzliche Informationsquelle herangezogen. Die sehr schnellen und stark digital agierenden Netzwerke haben sich in den vergangenen 10 bis 15 Jahren immer mehr in den Arbeitsabläufen etabliert.
Waren es am Anfang der 2000er Jahre noch Expertennetzwerke aus den USA, die sich auf den Bereich Hedgefonds fokussiert hatten, öffneten sich in der zweiten Welle (ab Ende der 2000er Jahre) verstärkt auch Private Equity-Fonds und die Due Diligence-Teams der Unternehmensberater diesem Tool. Dadurch hat sich der Markt internationalisiert und seit 2010 gibt es eine Vielzahl von Anbietern – fünf davon gelten als führende globale Plattformen. Dazu zählen GLG, Guidepoint, Thirdbridge, Alphasights und – als einziger deutscher Anbieter – Atheneum.
Sie alle vermitteln Spezialisten „on demand“ aus verschiedensten Branchen an Private Equity-Fonds – von einem 30-minütigen Experten-Call vor dem Management-Meeting bis hin zu einem Einsatz, der mehrere Monate dauern kann. Die Plattformen verfügen über einen breiten Pool an Experten, sodass zu fast jedem Thema Spezialisten zu finden sind oder diese innerhalb kürzester Zeit rekrutiert werden können. Der Private Equity-Fonds bzw. Investment Manager kann direkt mit dem Experten telefonisch in Kontakt treten und sich so schnell und unkompliziert austauschen.
Auch persönliche Meetings oder Umfragen in Form von immer beliebteren B2B-Surveys können zu Zwecken der Commercial Due Diligence von Expertennetzwerken arrangiert werden. Dabei können die Spezialisten ausführlich aus der Praxis berichten, da sie selbst meist entweder noch in ihrem Beruf tätig sind oder diesen über einen langen Zeitraum ausgeübt haben. Das Expertennetzwerk kümmert sich um das Recruiting, die Compliance, die Vermittlung und die Bezahlung der Branchenkenner.
Im Rahmen von Portfolioinvestitionen von Private Equity-Fonds werden in der Commercial Due Diligence regelmäßig Experten-Calls durchgeführt. Das Ziel der Experten-Calls ist eine erste allgemeine Auseinandersetzung mit dem Markt und Kunden, die Minimierung von Risiken oder die Identifizierung von Beteiligungsmöglichkeiten. Dabei liegt der spezielle Fokus auf der Validierung von Annahmen zur Zukunft, z.B. Entwicklung der Marktanteile oder zum Wachstum des Marktes. Auch zielgenaue Analysen des Wettbewerbs und der Kunden in dem jeweiligen Markt können von Experten, die mehrjährige Erfahrung in der Zielregion haben, erstellt werden.
Beispiel für den Einsatz von Expertennetzwerken
Anhand des folgenden Beispiels lassen sich die hilfreiche Rolle und ökonomisch sinnvollen Einsatzmöglichkeiten von Expertennetzwerken bei Investments in potenzielle Portfoliounternehmen von Private Equity-Fonds anschaulich erklären.
Plant beispielsweise ein deutscher Private Equity-Fonds in ein hier ansässiges E-Mobility-Unternehmen zu investieren, das Elektroroller herstellt, benötigt der Private-Equity Fonds für seine Commercial Due Diligence eine Reihe von Marktinformationen. Dabei besteht vor allem die Hürde, sich zunächst einen Überblick über lokale Gegebenheiten wie rechtliche Rahmenbedingungen, Konkurrenten im Markt und das Potenzial zur Vermarktung des Produkts zu verschaffen. Zum einen werden demnach Kenntnisse über die Branche und das politische Umfeld benötigt und zum anderen spezifische Informationen über das E-Mobility-Unternehmen. Das Informationsmemorandum und insbesondere der Businessplan beinhalten häufig Annahmen und Hypothesen, die mithilfe von Experten aus dem Expertennetzwerk validiert werden können. Insbesondere in einem Bieterprozess, in dem man unter Zeitdruck arbeitet, kann so schnell ein marktnaher „Hard Check“ erfolgen, z.B. durch ein Interview mit einem Ex-CEO eines relevanten Wettbewerbers des E-Mobility-Unternehmens.
Das genaue Prüfen der Hypothesen des Informationsmemorandums kann das Risiko einer Fehlinvestition signifikant verringern. Hierzu gibt es diverse Mechanismen, wie etwa ein sorgfältiges Screening oder intensives Monitoring. Für eine solch ausgiebige Prüfung sind jedoch große Teams nötig, die sich intensiv mit den jeweiligen Zielunternehmen beschäftigen. Die meisten Private Equity-Fonds können jedoch meist nicht auf mehr als 100 Investment Professionals zurückgreifen, sondern arbeiten in eher kleinen, flexiblen Teams. An dieser Stelle können Expertennetzwerke Private Equity-Fonds bei Portfolioinvestitionen unterstützen.
In dem oben beschriebenen Beispiel etwa kann der Fonds auf der Suche nach geeigneten Experten mit entsprechendem Branchenwissen an ein Expertennetzwerk herantreten, das Konferenz-Calls und persönliche Meetings mit erfahrenen Experten wie CEOs, Gründern und Managern der Tech- und Transportbranche organisiert. Diese liefern dem Private Equity-Fonds Einblicke und Kenntnisse etwa bezüglich der Marktstruktur und den allgemeinen Dynamiken, wichtigen Akteuren in der Industrie, länderspezifischen Regularien, Veränderungen der Gesetzeslage sowie in der Branche verwendeten Technologien und Herausforderungen. Mithilfe dieser Informationen wird dem Private Equity-Fonds die Einschätzung des E-Mobility-Unternehmens erleichtert, die Entscheidung für oder gegen das Investment gestützt und ein Plan zur Vorgehensweise in den nächsten 9 bis 12 Monaten erstellt. Der Abbau der Informationsasymmetrien durch die Expertengespräche kann dadurch zu einer vergleichsweise risikoarmen Investition in das potenzielle Portfoliounternehmen führen.
Expertennetzwerke bringen Mehrwert
Der Mehrwert eines Expertennetzwerks im Rahmen von Investitionsentscheidungen ergibt sich aus der Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit, länderübergreifend branchenspezifische Einblicke zu erlangen. Dadurch können Informationsasymmetrien zwischen dem Private Equity-Fonds und potenziellen Portfoliounternehmen abgebaut und somit die Risiken einer Investition deutlich minimiert werden. Dabei können Experten(netzwerke) sowohl vor der Portfolioinvestition beim Screening und der Commercial Due Diligence, als auch während der Laufzeit der Portfolioinvestition beim Monitoring hilfreich sein. Gerade im Hinblick auf die zunehmende Komplexität von Transaktionen können Expertennetzwerke einen entscheidenden Beitrag liefern, um eine erfolgreiche Investition zu tätigen. Mittlerweile nutzen nahezu alle Private Equity-Fonds Expertennetzwerke, um ihre Investitionsrisiken zu minimieren. Quantitativ ist der Markt für Expertennetzwerke seit 2010 bereits auf über 1,5 Mrd. Euro gestiegen. Bis 2025 wird das Volumen Schätzungen zufolge auf ca. 5 Mrd. Euro wachsen – ein Ende des Aufschwungs ist also noch lange nicht in Sicht.
Über den Autor
Mathias Wengeler ist Gründer und CEO von Atheneum Partners und war zuvor Consultant mit Fokus Private Equity bei mehreren Unternehmensberatungen. Atheneum ist eine globale Plattform für Marktforschung und Wissensaustausch mit zehn globalen Niederlassungen und Hauptsitz in Berlin. Die Mission des Unternehmens ist es, die Entscheidungsfindung seiner Kunden zu beschleunigen, indem die Kunden mit den weltweit besten Fachleuten und Branchenführern zusammengebracht werden. Diese Interaktionen liefern hilfreiche Erkenntnisse und kreative Ideen, die sicherstellen, dass Kunden ihr Unternehmen effizient voranbringen können. Die Plattform umfasst weltweit 400.000 Branchenexperten und Fachleute aus über 500 Branchen.
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