Am 13. November 2019 hat das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben erlassen, in dem es sich zur Umsetzung des Urteils des EuGH in der Rs. Wächtler (v. 26. Februar 2019 – C-581/17) positioniert hat. Der EuGH hatte entschieden, dass Wegzügler aus Deutschland in die Schweiz mit Wegzüglern in die den EU/EWR-Raum gleich behandelt werden müssen, wenn sie in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens der EU mit der Schweiz fallen.
Die Finanzverwaltung setzt diese Gleichbehandlung nun aber nicht vollständig um: Im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens soll eine Stundung der Wegzugssteuer auf Grundlage von § 6 Absatz 4 Satz 1 AStG wie folgt gewährt werden:
- Die Stundung ist in fünf gleichen Jahresraten vorzunehmen.
- Es fallen Stundungszinsen (6 Prozent p.a.) an.
- Auf eine erhebliche Härte bei alsbaldiger Einziehung kommt es nicht an.
- Die Stundung erfolgt ohne Sicherheitsleistung, es sei denn, der Steueranspruch erscheint gefährdet.
Konflikt mit dem Wächtler-Urteil des EuGH
Die Verwaltungsregelung setzt die Vorgaben des EuGH nur unzureichend um. Danach muss ein Wegzug in die Schweiz genauso behandelt werden wie ein Wegzug in ein EU/EWR Land. Denn das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Schweiz sichert dem Steuerpflichtigen ebenfalls Niederlassungsfreiheit zu. Insofern wäre zu erwarten gewesen, dass die Finanzverwaltung bei einem Wegzug in die Schweiz ebenfalls die unbeschränkte und zinslose Stundung der Wegzugsbesteuerung zulässt (§ 6 Abs. 5 AStG).
Folgen für die Praxis / Handlungsmöglichkeiten
Die zinslose und unbeschränkte Stundung ist bei einem Wegzug in die Schweiz nur auf dem Rechtsweg erreichbar. Dieser erscheint nicht aussichtslos. Zwar werden außergerichtliche Einspruchsverfahren erfolglos bleiben. Demgegenüber werden die Finanzgerichte die EuGH-Rechtsprechung eingehend würdigen.
Blick in die Zukunft: Plant der Gesetzgeber den Abschied von der zinslosen, unbefristeten Stundung auch im EU/EWR-Kontext?
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums ergeht ausdrücklich „bis zu einer gesetzlichen Änderung“, dürfte also wohl nur als Übergangsregelung gedacht sein.
Damit verstärkt der Erlass die Befürchtung, dass die Finanzverwaltung eine Gesetzesänderung anstrebt, um die unbefristete und zinslose Stundung der Wegzugssteuer sogar bei Wegzügen ins EU/EWR-Ausland zu Gunsten einer zeitlich gestreckten Zahlung der Wegzugsteuer (entsprechend dem Vorbild in § 4g EStG) abzuschaffen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diesen Weg im Rahmen der bereits in Diskussion befindlichen Reform des AStG beschreiten wird. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine rückwirkende Regelung einführen könnte. Ob eine solche allerdings auch für Wegzüge gelten kann, die bereits vor einer öffentlichen Ankündigung einer entsprechenden Gesetzesänderung (z. B. durch Kabinettsbeschluss) umgesetzt wurden, erscheint zweifelhaft.
Für Steuerpflichtige, die derzeit Wegzüge in die Schweiz, aber auch in EU/EWR-Staaten planen, dürfte in jedem Fall Handlungsbedarf bestehen. Eine zügige Umsetzung des Vorhabens, bevor gegebenenfalls geplante gesetzgeberische Schritte konkretisiert werden, ist mit Rücksicht auf die mögliche Rückwirkung ratsam.
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