Mit dem European Green Deal will die Europäische Union (EU) bis 2050 klimaneutral werden. Bis 2030 sollen bereits 55 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 reduziert sein. Den entsprechenden Finanzierungsbedarf schätzt die EU auf rund 8 Billionen Euro bis 2030 ein. Rund 25 Prozent dieses Finanzierungsbedarfs werden über öffentliche bzw. staatliche Instrumente bereitgestellt, der Großteil ist allerdings über den privaten Sektor zu decken. Der Green Deal Industrial Plan der EU aus Februar 2023 sieht zudem innereuropäische Produktionsziele für emissionsfreie Schlüsseltechnologien bzw. CleanTech vor (z.B. Solarzellen, Windräder oder Wärmepumpen). Aus dieser Marktsituation sollten sich herausragende Investitionsmöglichkeiten ergeben, Renditechancen vorausgesetzt. Die Perspektive zu den Chancen kommt unseres Erachtens mitunter zu kurz – wo ein Finanzierungsbedarf, da Kosten; wo Kosten, da auch Umsatz (und üblicherweise Potenzial für Value Creation).
Große Herausforderungen für Investoren
Die Ziele selbst, neue Regulatorik, regionale Unterschiede, Anforderungen an Reporting oder Kosten unterliegen nicht nur einem steten Wandel und gesellschaftlichen Diskurs, sie bedeuten auch große Herausforderungen für Investoren. Nicht zuletzt, weil die Anforderungen zur Klimaneutralität in die Regulatorik von sozialen und Governance-Aspekten eingebettet sind: „E(SG)“.
In unserer Studie „From gray to green – How private equity can create value in the European green transformation“ haben wir Entscheider von Private Equity Investoren (GPs) und Portfoliounternehmen nach ihrer Perspektive zu den Chancen der grünen Transformation befragt – mit einigen interessanten Erkenntnissen.
Studie identifiziert fünf wesentliche Handlungsfelder für Investoren
In unserer Umfrage haben sich im Wesentlichen fünf Herausforderungen herauskristallisiert, die GPs angehen müssen:
- Entwicklung eines Verständnisses, wie positive Renditen aus grünen Investitionen erzielt werden können: 83 Prozent der GPs gaben an, dass Renditeanforderungen im Zuge gestiegener E(SG)-Anforderungen gleich geblieben bzw. gestiegen sind (6%); 51 Prozent sind der Meinung, dass die E(SG)-Regulierung keine oder sogar negative (31%) Auswirkungen auf die Value Creation haben wird.
- Strategische Bewertung grüner Zukunftsmärkte: Die Mehrheit gab an, dass E(SG) beim Austausch zwischen Management und Gesellschaftern vor allem die Bereiche Controlling (70%) und Compliance (68%) betreffen. Nur 55 Prozent der Befragten spricht regelmäßig zu strategischer Positionierung oder neuen Geschäftschancen.
- Implikationen von Regulatorik und (Berichts-) Pflichten proaktiver angehen: Während die Mehrheit mit entsprechenden ISO Standards (78%), der EU Taxonomie (69%), der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (62%) und den Sustainable Development Goals (61%) bereits weitgehend vertraut ist, kennen weniger als 50 Prozent die Auswirkungen des Green Deal (42%) oder der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (26%) auf ihr Geschäft.
- Stärkere Nutzung von Anreizsystemen, um E(SG)-Ziele zu erreichen: Bei der Mehrheit der Befragten (GPs 70%; Unternehmen 73%) ist die Vergütung derzeit noch nicht an E(SG) Ziele geknüpft.
- Konsequenter Wissensaustausch zur „grünen Transformation“: 96 Prozent teilen bereits Best-Practices im Portfolio. Allerdings fehlt vielen Unternehmen eine konkrete Unterstützung bei der Abschätzung der Auswirkungen auf das eigene Unternehmen sowie bei der Vorgabe klarer Ziele.
Investition in Nachhaltigkeit als Generationenchance
Wir sind davon überzeugt, dass die Private Equity Fonds künftig die Nase vorn haben werden, die sich proaktiv und gleichzeitig bzw. „beidhändig“ („ambidextrisch“) mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen. Für bestehende Portfolios ist sicherzustellen, dass neue Marktchancen, die durch die Dekarbonisierung entstehen, zur Value Creation genutzt werden. Etwa durch innovative klimaneutrale Technologien in aktuellen Märkten oder neue Anwendungsfelder für bereits bestehende Produkte. Dabei muss nicht jede Initiative Millionen kosten – oft haben die Mitarbeitenden innovative Ideen bereits in ihren Köpfen. Zudem müssen die Konsequenzen eines „Do-nothing Szenarios“ genau analysiert werden, um nicht spätestens beim Exit Einbußen hinnehmen zu müssen.
Bei der Akquisition neuer Assets (sowohl bei CleanTech als auch bei anderen Investments) sollten die strategischen Aspekte der grünen Transformation bereits in der Due Diligence berücksichtigt werden. Welche Marktchancen der Dekarbonisierung können zur Value Creation genutzt werden? Welche neuen regulatorischen Regelungen bzw. technologischen Disruptionen, aber auch politische Unwägbarkeiten könnten in der Halteperiode eine Rolle spielen?
Bei Roland Berger sind wir davon überzeugt, dass Finanzinvestoren und Unternehmen mit der Dekarbonisierung die Generationenchance bevorsteht, auch wenn dies mit Herausforderungen und Risiken verbunden ist. Investoren bzw. Portfoliounternehmen, die die Dekarbonisierung proaktiv und strategisch angehen, werden morgen führend sein.
Zum Autor:
Dennis Buecker ist Partner im Restructuring, Performance & Transaction Team von Roland Berger in Berlin und führt die Private Equity Value Creation Aktivitäten des Unternehmens in DACH. Zwischen 2013 und 2016 war Buecker als Geschäftsführer für das Turnaround- und Wachstumsprogramm eines deutschen E-Commerce-Händlers verantwortlich. In dieser Rolle gewann er tiefgreifende Einblicke in die Schnittmenge von Leistungsverbesserung und der Digitalwirtschaft. Buecker begann seine Karriere im Bereich Corporate Finance bei einer auf Private Equity fokussierten M&A-Boutique und einer Big-4 Gesellschaft, bevor er 2010 zu Roland Berger kam. Er hat zahlreiche komplexe globale Value Creation, PMI- und Turnaround-Projekte für Unternehmen und Private-Equity-Kunden in Europa, den USA und Asien begleitet. Neben der konzeptionellen Unterstützung von Unternehmen in Wachstums-, Veränderungs- und Krisensituationen liegt sein Schwerpunkt auf der operativen Umsetzung von Ergebnisverbesserungsprogrammen. Buecker besitzt einen Abschluss als Diplom-Kaufmann der Universität Mannheim mit Fokus auf Finanzen und Statistik.