Private-Equity-Fonds und andere alternative Anlageprogramme sind bekannt für ihre komplexen Vertragsstrukturen. In ihnen findet sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten, Vereinbarungen und Zusicherungen. Eine der entscheidenden Bestimmungen ist die Meistbegünstigungsklausel, auch bekannt als Most-Favored-Nation-Klausel, kurz MFN. Sie soll Transparenz und Vertrauen zwischen Fondsmanagern und Investoren schaffen.
Die MFN-Klausel kann bei Private-Equity-Fonds bedeutende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Beteiligten haben. Sie ermöglicht den Investoren, die vertraglichen Nebenabreden – bekannt als Side Letter – zwischen dem jeweiligen Fondsinitiator und anderen Investoren einzusehen. So können die Investoren gegebenenfalls günstigere Klauseln für sich selbst auswählen.
Wenden Investoren die MFN-Klausel praktisch an, erfolgt das durch eine sogenannte MFN-Election-Form. Investoren und Anbieter bezeichnen sie häufig auch als MFN-Kompendium. Diese Formulare stellen alle Side-Letter-Regelungen dar, die Fondsanbieter anderen Investoren gewährt haben und die Investoren unter bestimmten Voraussetzungen auch zu eigenen Gunsten wählen können.
Dieser Artikel zeigt die Bedeutung und die verschiedenen Formen sowie Funktionen der MFN-Klausel. Zudem analysieren wir, welche Akteure die MFN-Klausel nutzen können und die MFN-Election gründlich prüfen sollten.
MFN-Recht – Entstehung und Ausgestaltung
Heutzutage fordern praktisch alle Investoren alternativer Anlagen individuelle Sonderrechte, wenn sie in das jeweilige Beteiligungsprogramm eintreten. Diese Sonderrechte sind in einem Side Letter enthalten. Ursprünglich wurden Side Letter eingeführt, um spezifische Anliegen einzelner Investoren separat zu adressieren, ohne den Fondsvertrag zu überladen beziehungsweise allen Investoren bestimmte Rechte zu gewähren. Sie sollen vor allem individuelle Bedürfnisse wie steuerliche, rechtliche, buchhalterische, aufsichtsrechtliche oder innerbetriebliche Anforderungen der Investoren umsetzen.
Im Laufe der Zeit sind Side Letter zur Norm geworden – insbesondere bei Fonds mit internationalen Investoren. Die Zahl der Side Letter ist stetig gestiegen. Und: Die Side Letter behandeln zwar ähnliche Themen, enthalten aber am Ende doch individuelle Regelungen. Große Private-Equity-Fonds reagierten: Sie entwickelten standardisierte Formulierungen für Side Letter, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und die kollektive Vermögensverwaltung zu gewährleisten.
Die MFN-Klausel schreibt vor, dass wenn Fonds Sonderrechte in Side Lettern gewähren, sie auch den übrigen Investoren entsprechende Begünstigungen einräumen. Im Prinzip soll sie sicherstellen, dass Investoren gleich behandelt und einzelne Investoren nicht über Side-Letter-Rechte gegenüber den anderen Investoren bevorteilt werden. Die Klausel ist zum Teil bereits in den Fondsverträgen enthalten oder kann selbst Gegenstand von individuellen Side-Letter-Vereinbarungen sein. Danach verpflichtet sich der Fondsmanager, den Investoren innerhalb einer bestimmten Frist nach dem letzten Zeichnungsschluss sämtliche Side-Letter-Regelungen offenzulegen. In der Regel enthält eine MFN-Klausel Angaben zu einer Ausübungsfrist durch Investoren – beispielsweise 30 Kalendertage nach Übermittlung des Side-Letter-Kompendiums – sowie etwaige Einschränkungen des MFN-Rechts.
Die verschiedenen Formen des MFN-Rechts
Das MFN-Recht kann an die Höhe des jeweiligen Zeichnungsbetrages geknüpft sein – ein sogenanntes Commitment-gebundenes MFN-Recht. In diesem Fall kann ein Investor ausschließlich Rechte aus denjenigen Side Lettern wählen, die mit Investoren mit gleich hohem oder niedrigerem Zeichnungsbetrag abgeschlossen wurden. Das schränkt insbesondere Investoren mit niedrigen Zeichnungsbeträgen wesentlich ein, da sie aufgrund ihres Zeichnungsvolumens nur wenige Klauseln in einer MFN-Election-Form wählen können. Setzt ein Fondsmanager ein Commitment-gebundenes MFN-Recht um, kann er Zeichnungsbeträge von denjenigen Investoren aggregieren, die miteinander verbunden sind (Affiliates, Associates) oder vom gleichen Anlageberater beraten oder verwaltet werden. Die Fondsmanager gewähren die entsprechende Commitment-Aggregierung zumeist im freien Ermessen.
Des Weiteren kann das MFN-Recht an den Zeitpunkt des Beitritts eines Investors geknüpft sein, zum Beispiel, wenn der Investor zum ersten Zeichnungsschluss beitritt. Dies bedeutet: Ein Investor muss dem Fonds beim ersten Zeichnungsschluss beitreten, um das MFN-Recht zu erhalten und die in der MFN-Election-Form enthaltenen Klauseln einsehen zu können. So ein Vorgehen ist jedoch weniger üblich.
Die Ausnahmen vom MFN-Recht
Es ist üblich, dass die Fondsmanager bei vielen Beteiligungsprogrammen die vereinbarten Side-Letter-Klauseln gegenüber allen Investoren des jeweiligen Beteiligungsprogramms umfassend offenlegen. Das soll vorrangig Vertrauen bilden, Transparenz schaffen und belegen, dass alle Investoren im Grundsatz gleich behandelt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen und Einschränkungen. Und die müssen Investoren beachten. Die Ausnahmen können variieren und hängen oft von den spezifischen Bedingungen des Fondsvertrages oder den individuellen Vereinbarungen in Side Lettern ab.
Eine häufige Ausnahme vom MFN-Recht betrifft Ausnahmen von den Vertraulichkeitsvereinbarungen oder Informationsrechte, die in Side Lettern enthalten sein können.
Des Weiteren können auch spezifische rechtliche, steuerliche, aufsichtsrechtliche oder operative Anforderungen eines Investors Ausnahmen vom MFN-Recht begründen. Teilweise benötigen Investoren bestimmte Klauseln oder Vereinbarungen, um gesetzlichen Vorschriften zu entsprechen oder spezifische Anforderungen zu erfüllen. Wenn der betreffende Investor nicht den gleichen gesetzlichen Anforderungen unterliegt, ist das MFN-Recht grundsätzlich nicht anwendbar.
Zusätzlich können bestimmte Sondervereinbarungen oder individuelle Bedingungen vom MFN-Recht ausgenommen sein, wenn Fondsmanager und Investoren das ausdrücklich im Fondsvertrag festgelegt haben. Weitere Ausnahmen vom MFN-Recht gibt es üblicherweise in Bezug auf bestimmte Rechte: zum Beispiel das Recht, einen Vertreter in den Investorenbeirat zu entsenden. Oder das Recht auf Erhalt von Rabatten auf die Geschäftsführungsvergütung und damit die Management Fee, Co-Investment-Rechte, Übertragungsrechte und so weiter.
Gelegentlich beinhaltet die MFN-Klausel keine erschöpfende Liste von Ausnahmen, sondern lässt Raum für unbestimmte Formulierungen wie „and others“, „etc.“ oder „and other rights as the General Partner may determine in its sole discretion“. Das ist problematisch und müssen Investoren besonders beachten – sei es im Fondsvertrag oder im Side Letter. Eine solche Bestimmung befähigt den Fondsmanager uneingeschränkt, beliebige Rechte vom MFN-Recht auszuschließen. Daher ist es ratsam, auf solche Bestimmungen zu achten und sicherzustellen, dass Investoren angemessen geschützt sind.
Der Erhalt einer MFN-Election-Form
Die MFN-Election-Form beziehungsweise das MFN-Kompendium ist ein entscheidendes Dokument. Es ermöglicht den Investoren, die MFN-Klausel zu nutzen und die in anderen Side Lettern gewährten Begünstigungen einzusehen.
Die Teilnahme am MFN-Prozess ist grundsätzlich freiwillig. Nach Erhalt der MFN-Election-Form haben die Investoren die Möglichkeit, die enthaltenen Klauseln zu überprüfen und gegebenenfalls günstige Bedingungen auszuwählen. Die MFN-Election-Form kann in mehrere Teile unterteilt sein: beispielsweise einen Abschnitt, der Klauseln enthält, die von allen Investoren wählbar sind. Ein zweiter Abschnitt kann Klauseln enthalten, die bestimmten Voraussetzungen unterliegen und nur von denjenigen Investoren gewählt werden können, die diese erfüllen. Ein dritter Abschnitt könnte Klauseln enthalten, die lediglich aufgrund einer Offenlegungspflicht enthalten sind und Investoren daher nicht wählen können.
Die Anweisungen auf den ersten Seiten einer MFN-Election-Form sind äußerst wichtig, Investoren sollten sie gründlich lesen. Sie enthalten Informationen wie die Frist, zu der die Manager die MFN-Election-Form übersenden müssen. Dazu kommen andere wichtige Hinweise, beispielsweise den Vorrang der in der MFN-Election-Form gewählten Klauseln vor den Klauseln, die im Side Letter enthalten sind. Investoren sollten daher die erhaltenen MFN-Election-Forms sorgfältig prüfen und bei Bedarf professionelle Beratung in Anspruch nehmen, um die potenziellen Vor- und Nachteile der enthaltenen Klauseln zu bewerten.
Sollte ein Investor bestimmte Rechte – entweder zusätzlich zu den im eigenen Side Letter enthaltenen Bestimmungen oder anstelle dieser – nutzen wollen, muss er dies entsprechend in der MFN-Election-Form kenntlich machen, beispielsweise durch Ankreuzen im entsprechenden Kästchen. Dabei müssen Investoren die Klauseln, die bereits im individuellen Side Letter enthalten sind, nicht erneut auswählen. Wählt ein Investor jedoch eine Klausel aus, die grundsätzlich das gleiche Regelungssubjekt enthält, wie die bereits im individuellen Side Letter enthaltene Regelung, ersetzt die neu ausgewählte Klausel üblicherweise die im Side Letter enthaltene Regelung. Hierbei ist besondere Vorsicht walten zu lassen und genau auf die Anweisungen der MFN-Election-Form zu achten.
Der Erhalt einer MFN-Election-Form ist eine wesentliche Phase im Investitionsprozess, da sie es den Investoren ermöglicht, ihre Rechte zu sichern und auszubauen.
Die Bedeutung des MFN-Prozesses – Kritische Analyse und potenzielle Vorteile
Obwohl der MFN-Prozess und insbesondere die MFN-Election auf den ersten Blick als eher bürokratisch erscheinen mögen, spielen sie dennoch eine wichtige Rolle im Investitionsprozess. Gut beratene Investoren mögen bereits umfassende Rechte und Vereinbarungen in ihren individuellen Side Lettern haben, was den direkten Nutzen einer MFN-Election möglicherweise infrage stellt. Zudem können viele Rechte mittelbar gelten, sobald sie bereits einem anderen Investor zugesichert wurden.
Dennoch sollten Investoren nicht übersehen, dass die MFN-Klausel und die damit verbundenen Prozesse potenzielle Vorteile bieten. Insbesondere kann die Dokumentation und Anerkennung von begünstigenden Bedingungen durch eine MFN-Election eine bessere Grundlage für eventuelle rechtliche Auseinandersetzungen bieten. Im Falle von Streitigkeiten oder Unklarheiten kann die Existenz einer MFN-Election als unterstützendes Dokument vor Gericht genutzt werden, um die Position eines Investors zu stärken und möglicherweise seine Rechte besser durchzusetzen. Auf der anderen Seite kann die Nicht-Auswahl einer bestimmten Klausel mit dem Hintergedanken, sie gelte bereits mittelbar, im Rahmen einer möglichen Streitigkeit gegebenenfalls als Verzicht ausgelegt werden. Sie begründet zumindest kein eigenständiges Recht des betroffenen Investors.
Insgesamt ist es daher ratsam, den MFN-Prozess und die MFN-Election nicht als rein formalistische Schritte abzutun, sondern vielmehr als potenzielles Instrument, um die Position der Investoren zu stärken. Sie stellen so sicher, dass Fondsmanager sie innerhalb des Investmentfonds-Ökosystems gerecht behandeln.
Fazit
Trotz der potenziellen Herausforderungen und Fallstricke ermöglicht die MFN-Election Investoren, ihre Rechte innerhalb eines Private-Equity-Fonds zu stärken. Die MFN-Election ist ein nützliches Instrument, um von den in anderen Side Lettern gewährten Begünstigungen zu profitieren. Jedoch sollten Investoren nicht übersehen, dass die Wirksamkeit der MFN-Klausel stark davon abhängt, wie gründlich Investoren die individuellen Side Letters verhandeln und umsetzen.
In diesem Zusammenhang ist es sicherlich vorteilhaft, bereits den Side-Letter-Prozess effektiv zu steuern und so sicherzustellen, dass die Fondsmanager alle gewünschten Rechte und Bedingungen des Investors angemessen berücksichtigen. Ein gut verhandelter und umgesetzter Side Letter kann oft unmittelbare und umfassendere Vorteile bieten als eine MFN-Election allein. Daher ist es ratsam, sowohl die MFN-Klausel als auch den Side-Letter-Prozess sorgfältig zu prüfen, um sich in einem Beteiligungsprogramm optimal zu positionieren.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Private Banking Magazin, 26.04.2024
Lesen Sie weitere Beiträge zum Thema Institutionelle Investoren