
Das Wichtigste in Kürze
Die Anlageverordnung (AnlV) wird geändert (Achte Änderungsverordnung). Für die erfassten Versicherungsunternehmen sind folgende Änderungen bei Kapitalanlagen vorgesehen:
- Einführung einer eigenen Infrastrukturquote i. H. v. 5 % des Sicherungsvermögens;
- Nutzung der Öffnungsklausel für Anlagen oberhalb der geltenden Streuungsgrenzen; und
- Erweiterung der Risikokapitalanlagenquote von 35 % auf 40 % des Sicherungsvermögens.
Die Achte Änderungsverordnung sieht damit Änderungen der Anlageverordnung vor, die bereits im Regierungsentwurf eines Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes enthalten waren. Sie dürften mittelbar auch für die landesrechtlich regulierten Versorgungswerke und sogar für Solvency II unterliegende Versicherer, soweit sie nach ihren internen Anlagerichtlinien der Anlageverordnung unterliegen, relevant werden. Gerade im Hinblick auf die Infrastrukturquote dürfte es künftig zudem von Bedeutung sein, wie die Anlagestrategie und das Berichtswesen betroffener Fonds ausgestaltet sind.
Einführung einer Infrastrukturquote
Änderung
Die in der Anlageverordnung geregelten Mischungsquoten werden um eine Infrastrukturquote (i. H. v. 5% des Sicherungsvermögens) ergänzt. Sofern eine Kapitalanlage auf die neue Quote angerechnet werden kann, soll keine Anrechnung auf andere Mischungsquoten, z. B. die Risikokapitalanlagenquote (bisher 35%, künftig 40% des Sicherungsvermögens) und die Beteiligungsquote (15% des Sicherungsvermögens) oder die Quote für alternative Anlagen (7,5% des Sicherungsvermögens), nötig sein. Voraussetzung ist allerdings die Zulässigkeit des Erwerbs nach den Bestimmungen über eine der bisherigen Anlagekategorien (§ 2 Abs. 1 AnlV). Eine Geeignetheit für die sog. Öffnungsklausel soll nicht genügen. Die neue Quote gilt für direkte und indirekte Anlagen zur Finanzierung (mittels Eigenkapital- oder Fremdkapitalinstrumenten) von Infrastrukturanlagen und Infrastrukturunternehmen, die der Errichtung, dem Ausbau, der Sanierung, der Erhaltung, dem Bereitstellen, dem Halten, dem Betreiben oder dem Bewirtschaften von Infrastruktur dienen. Dass auch Infrastruktur Projektgesellschaften im Rahmen sog. Beteiligungsinstrumente nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b AnlV gehalten werden dürfen, wurde im Wortlaut der Vorschrift durch einen Verweis auf § 261 Abs. 1 Nr. 4 KAGB klargestellt.
Ausweislich der Begründung zum Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz sollte die neue Infrastrukturquote die Anlage des Sicherungsvermögens in Infrastruktur nicht auf 5% des Sicherungsvermögens begrenzen. Vielmehr sollte alternativ auch eine Berücksichtigung in den anderen Mischungsquoten in Betracht kommen (entsprechend der Anlageform gem. § 2 Abs. 1 AnlV). Infrastrukturinvestitionen können insoweit – müssen aber nicht, auch nicht vorrangig – unter die neue Infrastrukturquote gezogen werden.
Einschätzung
Infrastrukturinvestments waren bislang im Anlagekatalog der Anlageverordnung nicht eigenständig geregelt. Bisher waren sie häufig in der Risikokapitalanlagenquote sowie der Beteiligungsquote, alternativ ggf. im Rahmen der Immobilienquote (25% des Sicherungsvermögens) zu erfassen. Die genannten Quoten sind durch die Allokation von Anlagen institutioneller Anleger auf alternative Investments häufiger ausgelastet. In der Folge konnten Infrastrukturinvestments zunehmend aufgrund der Quotenkonkurrenz mit anderen alternativen Anlagen nicht eingegangen werden.
Die geänderte Anlageverordnung soll hier Entlastung für politisch gewollte Infrastrukturinvestments durch Schaffung einer für Infrastruktur reservierten Quote bringen. Eine Mischungsquote für Infrastruktur gibt es bereits seit 2021 für Versorgungswerke in Nordrhein-Westfalen. Sie muss dort allerdings für jedes Versorgungswerk individuell beantragt werden. Im Gegensatz dazu sieht geänderte Anlageverordnung eine allgemein geltende Infrastrukturquote vor.
Der Kreis der von der geänderte Anlageverordnung erfassten Infrastrukturanlagen und Infrastrukturunternehmen erscheint grundsätzlich relativ umfassend, obwohl (oder gerade weil) die geänderte Anlageverordnung auf eine eigenständige Definition von Infrastruktur verzichtet (im Gegensatz zum Referentenentwurf zum Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz). Dies entspricht auch der Rechtslage in NRW, bei der die Aufsichtsbehörde bewusst auf eine Definition von Infrastrukturinvestitionen verzichtet hat. Eine Orientierung kann insoweit Art. 1 Abs. 55a der DVO 2015/35 geben, wonach Infrastruktur physische Strukturen oder Anlagen, Systeme und Netze umfasst, die grundlegende öffentliche Dienste erbringen oder unterstützen.
Für offene Spezial-AIF enthält die Begründung zum Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz die Aussage, dass Infrastrukturanlagen, die einem offenen Spezial-AIF beigemischt sind, auf die Infrastrukturquote anrechenbar sein sollen. Neben seiner Bedeutung für offene Spezial-AIF, ist dieser Aspekt auch generell für direkt investierende Investmentvermögen und Dachfonds relevant: konkret stellt sich die Frage, inwieweit Beteiligungen an Investmentvermögen nur einheitlich aufgrund einer Beschränkung der Anlagestrategie für einen Fonds oder aufgrund einer Durchschau auf Zielfonds oder einzelne Infrastrukturunternehmen/-anlagen auch differenziert beurteilt werden können. Eine Durchschau würde jedenfalls ein granulares Reporting über die jeweiligen Zielfonds bzw. Projekte und deren Klassifizierung als Infrastrukturunternehmen/-anlagen voraussetzen (ähnlich den Voraussetzungen für Solvency II- oder CRR-Investoren).
Die Achte Änderungsverordnung sieht keine Einführung einer Infrastrukturquote für Pensionsfonds nach Maßgabe der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV) vor. Dies erscheint auf den ersten Blick insoweit konsequent, als für Pensionsfonds überwiegend keine festen Mischungsquoten gelten. Allerdings sind Anlagen in Investmentvermögen, die weder Private Equity/Debt-Fonds noch Immobilienfonds sind (sog. Alternative AIF nach § 17 Abs. 1 Nr. 17 PFAV), auf ein vorsichtiges Maß zu beschränken (§ 18 Abs. 1 Satz 2 PFAV). Trotz der Zielsetzung, Infrastrukturinvestments zu erleichtern, indem diese Investitionen nicht mit anderen Anlagen konkurrieren, wurden Infrastrukturanlagen nicht privilegiert.
Nutzung der Öffnungsklausel für Anlagen oberhalb der Streuungsgrenze
Änderung
Die sog. Öffnungsklausel ist nunmehr auch in Fällen nutzbar, in denen eine Kapitalanlage bei einem Aussteller bzw. Schuldner die anwendbare Streuungsgrenze (z. B. i. H. v. 1% des Sicherungsvermögens für eine Beteiligung an einem geschlossenen Fonds) überschreiten würde.
Einschätzung
Die Öffnungsklausel gilt bisher für Anlagen, die nicht unter den regulären Anlagekatalog der Anlageverordnung fallen (§ 2 Abs. 1 AnlV) oder für die eine oder mehrere Mischungsquoten bereits ausgelastet sind. Die geänderte Anlageverordnung sieht nunmehr vor, dass die Öffnungsklausel auch dann genutzt kann, wenn eine Streuungsgrenze überschritten würde. Eine Erweiterung der Öffnungsklausel geht damit allerdings nicht einher. Es bleibt bei einer Begrenzung auf 5% des Sicherungsvermögens mit der Möglichkeit einer individuellen Erhöhung auf 10%.
Erhöhung der Risikokapitalanlagenquote auf 40%
Änderung
Die Risikokapitalanlagenquote wird von 35% auf 40% des Sicherungsvermögens erhöht.
Einschätzung
Die Risikokapitalanlagenquote betrifft eine Mehrzahl von Anlagearten, die für alternative Investments relevant sind. In sie fließen neben Aktieninvestments auch nachrangige Forderungen und Genussrechts-Finanzierungen sowie unmittelbare Private Equity Beteiligungen und Anteile an Private Equity/Debt-Fonds bzw. an Fonds mit alternativen Strategien ein. Ihre Entlastung kommt auch vielen Engagements im Zusammenhang mit Infrastruktur und erneuerbaren Energien zugute und ist auch vor diesem Hintergrund zu begrüßen.
Fazit und nächste Schritte
Die Änderung der Anlageverordnung tritt mit Wirkung zum 07.02.2025 in Kraft. Sie reiht sich in eine Folge aktueller Maßnahmen auf Landesebene und Gesetzesvorhaben auf Bundesebene ein, die der Mobilisierung von Kapital v.a. institutioneller Investoren für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien dienen sollen. Nicht alle diese Gesetzesvorhaben konnten noch vor dem Aus der Ampel-Regierung beschlossen werden. Es ist daher umso erfreulicher, dass das Bundesministerium der Finanzen einen Teil des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes nunmehr im Verordnungswege umsetzt. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Vorhaben von der zukünftigen Bundesregierung aufgegriffen werden.