Das Wichtigste in Kürze
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) haben am 27. Juni 2024 den Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (2. Betriebsrentenstärkungsgesetz) vorgelegt. Der Entwurf sieht folgende für die Kapitalanlagen von Pensionskassen relevante Änderungen der Anlageverordnung vor:
- Einführung einer eigenen Infrastrukturquote i. H. v. 5% des Sicherungsvermögens;
- Nutzung der Öffnungsklausel für Anlagen oberhalb der geltenden Streuungsgrenzen; und
- Erweiterung der Risikokapitalanlagenquote von 35% auf 40% des Sicherungsvermögens.
Die Änderungen dürften mittelbar auch für die landesrechtlich regulierten Versorgungswerke und sogar für Solvency II unterliegende Versicherer, soweit sie nach ihren internen Anlagerichtlinien der Anlageverordnung unterliegen, relevant werden. Gerade im Hinblick auf die Infrastrukturquote dürfte es künftig zudem von Bedeutung sein, wie die Anlagestrategie und das Berichtswesen betroffener Fonds ausgestaltet sind.
Geplante Änderungen im Einzelnen – Einführung einer Infrastrukturquote
1. Geplante Änderung
Die Anlageverordnung soll um eine Infrastrukturquote (i. H. v. 5% des Sicherungsvermögens) ergänzt werden. Sofern nach dem Entwurf eine Kapitalanlage auf die neue Quote angerechnet werden könnte, würde keine Anrechnung auf andere Mischungsquoten, z. B. die Risikokapitalanlagenquote (bisher 35%, ggf. künftig 40% des Sicherungsvermögens) und die Beteiligungsquote (15% des Sicherungsvermögens) oder die Quote für alternative Anlagen (7,5% des Sicherungsvermögens), erfolgen.
Voraussetzung wäre allerdings eine Erfüllung der Kriterien einer regulären Anlagekategorie (§ 2 Abs. 1 AnlV), d. h. eine Geeignetheit für die sog. Öffnungsklausel würde nicht genügen. Die neue Quote soll gelten für Eigenkapital und Fremdfinanzierungen bei „Projekten zur Bereitstellung, zum Ausbau, zum Betrieb oder zur Erhaltung eines umfangreichen Vermögenswerts“. Nach der Begründung sind hiermit Vermögenswerte gemeint:
- die als im allgemeinen öffentlichen Interesse stehend anzusehen sind;
- bei denen der Projektbetreiber „in einem Staat nach Maßgabe der jeweiligen Anlageform des § 2 Abs. 1 AnlV ansässig“ ist; und
- die in diesem Staat belegen sind.
2. Erste Einschätzung
Infrastrukturinvestments sind bislang im Anlagekatalog der Anlageverordnung nicht eigenständig geregelt. Bisher sind sie häufig in der Risikokapitalanlagenquote sowie der Beteiligungsquote, alternativ ggf. im Rahmen der Immobilienquote (25% des Sicherungsvermögens) zu erfassen. Die genannten Quoten sind durch die zunehmende Allokation von Anlagen institutioneller Anleger auf alternative Investments häufiger ausgelastet. In der Folge können Infrastrukturinvestments zunehmend aufgrund der Quotenkonkurrenz mit anderen alternativen Anlagen nicht eingegangen werden.
Der aktuelle Vorstoß von BMAS und BMF soll hier Entlastung für politisch gewollte Infrastrukturinvestments durch Schaffung einer für Infrastruktur reservierten Quote bringen. Eine Mischungsquote für Infrastruktur gibt es bereits seit 2021 für Versorgungswerke in Nordrhein-Westfalen. Sie muss dort allerdings für jedes Versorgungswerk individuell beantragt werden.
Im Gegensatz dazu sieht der aktuelle Entwurf eine allgemein geltende Infrastrukturquote vor. Der Kreis der von der geplanten Regelung erfassten Infrastrukturprojekte erscheint grundsätzlich relativ umfassend. Im Detail bleiben allerdings Fragen – insbesondere im Zusammenhang mit Infrastrukturfonds – offen, deren Klärung im Verlauf des Weiteren Gesetzgebungsverfahrens wünschenswert wäre, z.B.:
- Geografische Anforderungen: Klarstellungsbedürftig erscheint, welche Anforderungen im Hinblick auf den Sitz des Projektbetreibers und die Belegenheit der Infrastrukturanlagen bei Beteiligungen an Infrastrukturfonds bestehen sollen. Dies gilt in besonderem Maße bei Dachfonds, deren Vermögen in eine Mehrzahl von Fondsbeteiligungen angelegt werden soll.
- Anforderungen an die Qualifikation als „Infrastruktur“: Es stellt sich auch die Frage, inwieweit Beteiligungen an Investmentvermögen einheitlich aufgrund einer Beschränkung der Anlagestrategie für einen Fonds bzw. aufgrund einer Durchschau auf Zielfonds oder einzelne Projekte zu beurteilen sein sollen. Eine Durchschau würde ein granulares Reporting über die jeweiligen Zielfonds bzw. Projekte und deren Klassifizierung als Infrastrukturanlagen voraussetzen (ähnlich den Voraussetzungen für Solvency II- oder CRR-Investoren).
Der Entwurf sieht keine Einführung einer Infrastrukturquote für Pensionsfonds nach Maßgabe der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV) vor. Dies erscheint auf den ersten Blick insoweit konsequent, als für Pensionsfonds überwiegend keine festen Mischungsquoten gelten. Allerdings sind Anlagen in Investmentvermögen, die weder Private Equity/Debt-Fonds noch Immobilienfonds sind (sog. Alternative AIF nach § 17 Abs. 1 Nr. 17 PFAV) auf ein vorsichtiges Maß zu beschränken (§ 18 Abs. 1 Satz 2 PFAV). Im Hinblick auf die Zielsetzung, Infrastrukturinvestments zu erleichtern, indem diese Investitionen nicht mit anderen Anlagen konkurrieren, wäre es nach unserem Dafürhalten indes wünschenswert, klarzustellen, dass für über Alternative AIF gehaltene Infrastrukturprojekte die sonst für Alternative AIF geltenden Mischungsregeln nicht gelten.
Geplante Änderungen im Einzelnen – Nutzung der Öffnungsklausel für Anlagen oberhalb der Streuungsgrenze
1. Geplante Änderung
Des Weiteren soll die sog. Öffnungsklausel künftig auch in Fällen nutzbar sein, in denen eine Kapitalanlage bei einem Aussteller bzw. Schuldner die anwendbare Streuungsgrenze (z. B. i. H. v. 1% des Sicherungsvermögens für eine Beteiligung an einem geschlossenen Fonds) überschreiten würde.
2. Erste Einschätzung
Die Öffnungsklausel gilt bisher für Anlagen, die nicht unter den regulären Anlagekatalog der Anlageverordnung fallen (§ 2 Abs. 1 AnlV) oder für die eine oder mehrere Mischungsquoten bereits ausgelastet sind. Der Entwurf sieht nun vor, dass die Öffnungsklausel auch dann helfen kann, wenn eine Streuungsgrenzen überschritten würde. Eine Erweiterung der Öffnungsklausel geht damit allerdings nicht einher. Es bleibt bei einer Begrenzung auf 5% des Sicherungsvermögens mit der Möglichkeit einer individuellen Erhöhung auf 10%.
Geplante Änderungen im Einzelnen – Erhöhung der Risikokapitalanlagenquote auf 40%
1. Geplante Änderung
Die Risikokapitalanlagenquote soll von 35% auf 40% des Sicherungsvermögens erhöht werden.
2. Erste Einschätzung
Die Risikokapitalanlagenquote betrifft eine Mehrzahl von Anlagearten, die für alternative Investments relevant sind. In sie fließen neben Aktieninvestments auch nachrangige Forderungen und Genussrechts-Finanzierungen sowie unmittelbare Private Equity-Beteiligungen und Anteile an Private Equity/Debt-Fonds bzw. an Fonds mit alternativen Strategien ein. Ihre Entlastung kommt auch vielen Engagements im Zusammenhang mit Infrastruktur und erneuerbaren Energien zugute und ist auch vor diesem Hintergrund zu begrüßen.
Fazit und nächste Schritte
Der Entwurf reiht sich in eine Folge aktueller Maßnahmen auf Landesebene und Gesetzesvorhaben auf Bundesebene ein, die der Mobilisierung von Kapital v.a. institutioneller Investoren für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien dienen sollen. Wir halten Sie über das aktuelle Gesetzgebungsverfahren sowie weitere Entwicklungen auf dem Laufenden.