Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 08.05.2019 enthält vieldiskutierte Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Neben den oft im Fokus stehenden Änderungen bzgl. der Share Deals, verdient der neu geplante § 19 Abs. 6 GrEStG-E Beachtung. Danach soll die allgemein vorgesehene Begrenzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 25.000 € bei verspätet eingereichten Grunderwerbsteueranzeigen keine Anwendung finden. Begründet wird dies damit, dass bei unterlassener rechtzeitiger Anzeige die Steuerveranlagung erheblich erschwert werde. Eine Missbrauchsvermeidung könne hier nur erreicht werden, wenn auch in Fällen mit hohen Immobilienwerten ein angemessener Verspätungszuschlag festgesetzt werde. Gerade beim Erwerb umfangreicher Immobilienportfolios darf vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtszustandes aber bezweifelt werden, dass solche Erschwerungen geboten oder sinnvoll sind.
Bedeutung einer rechtzeitigen Anzeige für den Steuerpflichtigen
Wer einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang anzuzeigen hat (z.B. bei Erwerb einer immobilienhaltenden Gesellschaft), hat hierfür ab Kenntnis zwei Wochen Zeit (§ 19 Abs. 3 GrEStG). Das Finanzamt kann nach Ermessen auf Antrag innerhalb dieser Frist eine Fristverlängerung gewähren. Die Zweiwochenfrist wird in der Praxis in einigen Fällen bereits per se als zu kurz empfunden und für eine Verlängerung plädiert, z.B. bei komplexeren Beteiligungsstrukturen. Denn hier müssen Steuerpflichtige große Verwaltungskapazitäten vorhalten, um etwa Anteilsbewegungen insbesondere auf entfernteren Beteiligungsebenen zu beobachten.
Nach aktueller Rechtslage ist der Anzeigeverpflichtete gleichwohl vom Gesetz angehalten, seiner Verpflichtung innerhalb der vorgesehen Frist nachzukommen. Nur bei rechtzeitiger Anzeige hat er im Falle einer Rückabwicklung des Immobilienerwerbs die Möglichkeit, dass Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt oder aufgehoben wird. Die Praxis misst dieser Chance auf Grunderwerbsteuerfreiheit bei Rückabwicklungen große Bedeutung bei. Die Möglichkeit einer Fristverlängerung wird aber gerade für diesen wichtigen Anwendungsfall praktisch ausgehöhlt.
Verschärfung der Anzeigeerfordernisse
Ursprünglich erforderte das GrEStG für die Möglichkeit einer steuerfreien Rückabwicklung eine „ordnungsgemäße“ Anzeige, für die es der BFH regelmäßig ausreichen ließ, dass diese innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgte und die wesentlichen Angaben zum Erwerbsvorgang enthielt. Nach Auffassung des BFH könne der zur Anzeige Verpflichtete weitere fehlende Unterlagen innerhalb einer vom Finanzamt gesetzten Frist nachreichen, sofern er eine Fristverlängerung innerhalb der zwei Wochen beantragt hat.
Der BFH begründete seine Auslegung damit, dass sich der Steuerpflichtige bei rechtzeitiger, aber unvollständiger Anzeige den Ermittlungsmöglichkeiten des Finanzamtes nicht mehr entziehen könne. Zudem könne es insbesondere bei Erwerb immobilienhaltender Gesellschaften und umfangreichem Grundbesitz gegen das Übermaßverbot verstoßen, für eine „ordnungsgemäße“ Anzeige stets in jeder Hinsicht vollständige Angaben zu verlangen.
Der Gesetzgeber sah die Rechtsprechung als ungenügend an und änderte mit Wirkung ab 07.06.2013 das Gesetz. Seither muss eine Anzeige „fristgerecht und in allen Teilen vollständig“ erfolgen. Dadurch sollte in erster Linie verhindert werden, dass der Finanzverwaltung eine Ermittlungspflicht bzgl. grundstücksbezogener Angaben aufgebürdet wird.
Seither besteht in der Praxis Rechtsunsicherheit, ob es für die Chance einer grunderwerbsteuerfreien Rückabwicklung noch genügt, wenn eine Anzeige zwar fristwahrend, aber unvollständig eingeht und fehlende Unterlagen innerhalb gesetzter Frist nachgereicht werden. Dass die Finanzverwaltung eine Fristverlängerung bei ihrer Ermessensausübung noch als Regelfall ansieht, darf bezweifelt werden.
Bewältigung großer Datensätze bei umfangreichen Portfolioerwerben
Bei diesem Rechtszustand haben Steuerpflichtige einen starken Anreiz, ihrer Anzeigepflicht fristgerecht und vollständig nachzukommen, wobei sie aufgrund der praktischen Rechtsunsicherheit nicht auf die Möglichkeit einer Fristverlängerung vertrauen werden.
Gerade bei umfangreichen Portfolioerwerben im Rahmen von vielgliedrigen Gesellschaftsstrukturen kann ein Steuerpflichtiger vor die Aufgabe gestellt sein, für eine Vielzahl anzeigepflichtiger Zielgesellschaften und ggf. eine noch größere Zahl der von diesen gehalten Objekten an Finanzämter in der gesamten Bundesrepublik Anzeigen einzureichen. Will der Steuerpflichtige dabei sicherstellen, innerhalb von zwei Wochen vollständig alle geforderten Daten einzureichen, muss er allen potenziell zuständigen Finanzämtern Transaktionsunterlagen eines umfassenden Vertragswerkes nebst regelmäßig noch umfassenderen Anlagen (Grundbuchauszüge etc.) zur Verfügung stellen und alle relevanten Umstände und Spezifika der Transaktion darlegen.
Diesem Erfordernis muss er grundsätzlich schriftlich nachkommen (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG). Bei Bewältigung der skizzierten Datenmengen führt das dazu, dass Grunderwerbsteueranzeigen nicht mehr als Brief oder Aktenordner eingereicht werden, sondern den Grunderwerbsteuerstellen ganze Kartons voller Unterlagen zugestellt werden.
Elektronische Form nicht ausreichend
Abhilfe könnten elektronische Datensätze schaffen, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Transaktion zumeist ohnehin vorliegen und die dem Finanzamt die Möglichkeit geben könnten, innerhalb übersichtlicher Ordnerstrukturen und mittels Filterfunktionen die Dokumente und Daten auszulesen, die es für seine Prüfung benötigt.
Hierzu ist zu konstatieren, dass § 19 Abs. 5 Satz 3 GrEStG unter Verweis auf § 87a AO vorsieht, dass Grunderwerbsteueranzeigen auch in „elektronischer Form übermittelt“ werden können. Es steht allerdings zu befürchten, dass das Gesetz damit nur den Vorgang der elektronischen Übermittlung der Anzeige als solche (mit qualifizierter elektronischer Signatur) zulässt. Wohl nicht zulässig ist aber die (elektronische oder physische) Übermittlung von Anlagen in elektronischer Form, z.B. via eines Download-Servers oder Übersendung eines elektronischen Datenträgers (USB-Stick oder CD).
Aus Vorsichtsgründen wird der Anzeigeverpflichtete sich nach aktueller Rechtslage daher weiterhin für eine Anzeige in umfassender Printform entscheiden. Hier darf bezweifelt werden, dass der Aufwand des Steuerpflichtigen tatsächlich zu einem Mehrwert und einer Prüfungserleichterung beim zuständigen Finanzbeamten führt. Eine weitere rechtliche Öffnung elektronischer Anzeigemöglichkeiten verbunden mit entsprechender Ausstattung bei den Finanzämtern wäre daher im Interesse aller Beteiligten wünschenswert.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: Handelsblatt online, Steuerboard, 18. Juni 2019
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